Das mobile Frischluftlabor

Groteske zum Thema Idee(n)

von  Jorge

Die Geschichte meiner erfolgreichen Selbständigkeit liest sich wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.

Jeder kennt den running gag, wonach manches Gewerbe so sinnlos ist, wie Sand in der Wüste zu verkaufen.

Ich setzte mich monatelang ins Wartezimmer des hiesigen Gewerbeamtes und plauderte mit Antragstellern, sah mir Finanzierungen an und gab den einen oder anderen gutgemeinten Ratschlag.
Die jüngsten Mitarbeiter vermuteten bereits, ich sei ein Cousin des Oberbürgermeisters und stellten mir unaufgefordert täglich Kaffee und Kuchen auf einen kleinen Beistelltisch, auf dem ein Messingschild mit meinem Namen stand.

Abends und nachts verarbeitete ich in Gedanken alle Erkenntnisse meiner Recherchetage im Amt.
Dann wurde es klar wie Quellwasser . Die Idee von meinem Frischluftlabor nahm Gestalt an.
Von Freunden aus Manchester bekam ich zum Geburtstag eine Originalurkunde: “Master of fresh air in Europe“
Diese Urkunde trug die Unterschriften der englischen Königin und mehrerer hochrangiger EU Repräsentanten.
Der Standort meiner mobilen Firma war schnell gefunden:

An der Playa „Rosa Beach“ direkt neben der Fußdusche stellten wir unseren neuen Sonnenschirm mit dem Klappgestell auf. Mein „Master of fresh air in Europe“ bekam einen würdigen Platz und weckte die Neugier der Leute.
Die Eintrittskarten für das A-Seminar waren schnell verkauft.
20 € für einen 90 minütigen Kurs hielten die meisten für sehr anständig.
Noch dazu Rentner diese Doppelstunde schon ab 15 € erhielten.

Mein konisch zulaufendes Plasterohr mit den wehenden Fransen am kleinen Durchmesser  war mein eigentliches Showobjekt.
Mit leiser und eindringlicher Stimme zog ich die Zuhörer in meinen Bann.
Ich mischte in meinen Vortrag geschickt die Worte Gesundheit, Sauerstoff, Lebensfreude, Abgase und Frischluft, Vitamine und Cholesterin, Atemluft und Blähungen und das alles in den drei europäischen Hauptsprachen.
Ab und an machte ich eine Konzentrationspause und steckte meine Nase direkt in die wehenden Fransen meines magischen Plasterohres.
Dann guckte ich in den blauen Himmel und schloss langsam meine Augen.
Meistens kam an dieser Stelle tosender Beifall. Für die ersten Claqueure
sorgte das behutsame Klatschen, das meine Partnerin vom Band einspielte.
Die meisten baten mich um etwas Geduld, weil sie zu ihren Strandkörben das Geld für  das gleich anschließende B-Seminar holen wollten.
Alles war ein Selbstläufer.
Die Ortspolizisten, deren Aufgabe darin bestand, farbige Sonnenbrillenverkäufer zu jagen, grüßten mich täglich zuvorkommend, fast unterwürfig.

Nun überlege ich, ob ich meiner deutsche Rentenstelle  von diesem einträglichen Job berichten sollte.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (30.04.17)
"Plasterohr" - unser Jorge kommt ganz offensichtlich aus Ost-Berlin, Hauptstadt der DDR.

 Jorge meinte dazu am 30.04.17:
Dann bist du also der Hannes B. aus Pullach?!

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 30.04.17:
Wieso? Wo schreibe ich denn bayerisch?

 Jorge schrieb daraufhin am 30.04.17:
Nicht dein Schreibstil erinnert mich an die ehemalige Zentrale des BND, sondern deine Eignung dafür!

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 30.04.17:
Danke für das Lob, aber Plaste/Elaste/Broiler/geflügelte Jahresendzeitfigur usw., dafür braucht man keinen Geheimdienst.

 JohndeGraph (30.04.17)
Ich finde den Text lustig, da hart an der Realität. Er deckt Vorurteile in unserer Gesellschaft auf und tut das mit einem Schuss Humor.
Scharlatane gab es immer und zu allen Zeiten und man sagt nicht umsonst, die Menschen wollen betrogen werden. Insofern würde ich so ein Vorgehen glatt für möglich halten. Der Part im Amt deckt schön die Strukturen in so einer Behörde auf. Eine Hand weiß oft nicht, was die andere macht und bevor man etwas falsch macht, stellt man eben Kuchen hin. Das ist einfacher als mit einander zu reden. Das die Polizisten grüßen, statt zu überprüfen liegt am Eindruck. Würde ein abegrissen aussehender Südländer einen Stand aufbauen, wird eher kontrolliert, als wenn das ein blonder mit gebügelter Jeans macht. Das erlebe ich jedenfalls so in meinem Umfeld und ich finde es hier im Text wieder.
Der Text hat mir gut gefallen. Grüße J.d.G.

 Jorge ergänzte dazu am 30.04.17:
Vielen Dank John.
Du hast die verschiedenen Facetten dieser Groteske sehr gut verstanden und trefflich interpretiert.
LG
Jorge

 GastIltis (30.04.17)
Hallo Jorge, ich wusste gar nicht, dass du auch Prosa kannst. Und wie! Übrigens wäre der bessere Begriff Kunststoffrohr gewesen. Ob Polyvinylchlorid oder Polyethylen, sei mal dahingestellt. Dieters Einwand, hallo Dieter(!), dass du wohl aus Ost-Berlin kommst, muss ich als ehemaliger DDR-Bürger erst einmal verarbeiten. Schöne gewerbliche Grüße in den Süden von Giltis.

 Jorge meinte dazu am 30.04.17:
Hallo Giltis, ich fahre oft an einer Riesenreklame hier in Spanien für PVC Fenster vorbei. Sie ist in kyrillischer Schrift verfasst und richtet sich offensichtlich an betuchte Hauseigentümer, die auch diese Sprache sprechen.
Danke für deinen Kommentar und deine "gewerblichen" saludos.
Jorge

 AZU20 (30.04.17)
Deine Frischluft hat etwas Befreiendes. Werde inkognito an Deinen Seminaren teilnehmen, nehme an, Pensionäre erhalten die gleichen Vergünstigungen wie Rentner. Sieh weiter zu, dass Du nicht auffliegst. LG

 Jorge meinte dazu am 30.04.17:
Armin, du bekommst nicht nur dein Geld zurück, sondern du bist mein Gast. Mein Frischluftlabor ist so einträglich, dass es unter Freunden eine Selbstverständlichkeit ist, dass ich die Rechnung übernehme.
Winke Winke in deinen Strandkorb
Jorge
Lancezarus (52)
(01.05.17)
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 Jorge meinte dazu am 01.05.17:
Ich bin sprachlos!
Meine innere Stimme überschlägt sich gerade,😂
Sie hasst das Bestreben nach parasitärem Mitverdienen.
Andererseits mag sie den Zusammenhalt unter Gaunern!
LottaManguetti (59)
(02.05.17)
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 Jorge meinte dazu am 02.05.17:
Bienvenido der dunkelhaarigen Venus.
Auch deine Schönschriftidee finde ich toll.

nos vemos a la playa
Jorge
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