Aufstieg und Fall des Königs Kroisos

Geschichte zum Thema Biographisches/ Personen

von  ManMan

Vorbemerkung:
Diese Vita basiert auf den Aufzeichnungen von Herodot, dem „pater historiae“.

I. Der Aufstieg
Kroisos stammte aus Lydien, einer Landschaft im Westen Kleinasiens. Die Landschaft Lydiens wird durch die Flusstäler des Hermos, Kaystros und Maiandros gegliedert, die alle an den Rändern des kleinasiatischen zentralen Hochlandes entspringen und nach Westen abfließen. Der Vater von Kroisos war Alyattes.

Vorgeschichte
Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte, so auch die Vita von Kroisos, die ich hier erzählen möchte. Ich beginne mit Folgendem: In der Stadt Sardes herrschte ein Tyrann namens Kandaules. Viele griechische Städte befanden sich damals unter der Herrschaft von Tyrannen. Dieser Kandaules war ein Nachkomme von Alkaios, dem Sohn des Herakles. Er liebte seine Frau abgöttisch. Einer seiner Leibwächter war Gyges, der Sohn des Daskylos. Dem gegenüber pries er stolz die unvergleichliche Schönheit seiner Frau. Ja, er ging so weit, ihn dazu zu überreden, ihr heimlich beim Entkleiden zuzuschauen. Gesagt, getan. Aber der antike Spanner blieb nicht unbemerkt. Die Frau, deren Namen Herodot nicht nennt, rief am nächsten Tag Gyges zu sich, und dieser konnte  aufgrund der drückenden Indizienbeweise, die ihm präsentiert wurden, nicht umhin, seine Tat zuzugeben. Die Frau stellte ihn vor die Wahl, entweder Kandaules zu töten, sie zur Frau zu nehmen und König von Lydien zu werden oder auf der Stelle zu sterben. Es überrascht nicht, dass Gyges das Leben wählte. Dafür musste allerdings ein anderer sterben, nämlich Kandaules. Also erdolchte er ihn im Schlaf. Und dann wurde er König und sogar das delphische Orakel bestätigte seine Legitimität, was wiederum Anhänger von Kandaules versöhnte, die nach der Ermordung ihres Königs einen Aufstand begonnen hatten. Herodot fasst das Ergebnis so zusammen: Die Mermaden vertrieben die Herakliden. Gyges regierte 38 Jahre.
Er hatte einen Sohn namens Ardys, der sogar 49 Jahre regierte. In der Folgezeit kamen Sadyattes und Alyattes auf den Königsthron.

Alyattes und die Milesier
Zunächst vertrieb Alyattes die Kimmerier aus Asien und eroberte Smyrna. Dann begann er den Krieg mit Milet. Seine Vorgehensweise war unkonventionell: Immer zur Erntezeit brach er mit einem Heer nach Milet auf, und zwar „unter dem Klang von Syringen und Harfen, Weiber- und Männerflöten“. Die Soldaten zerstörten in Milet kein Haus, sondern ließen alle Häuser unversehrt stehen. Sie fällten allerdings die Bäume und vernichteten die Feldfrüchte. Dann kehrte das Heer zurück nach Sardes. Elf Jahre lang ging das so. Dann geschah es, dass der Wind das Feuer vom Feld zu einem Tempel Athenes trieb und diesen niederbrannte. Alyattes erkrankte schwer. Er schickte Boten nach Delphi. Doch die Pythia gab keine Antwort als die, dass zuerst der niedergebrannte Athenetempel wieder aufgebaut werden müsse. Daraufhin schickte Alyattes einen Gesandten nach Milet. Er wolle mit Thrasybulos, dem damaligen Tyrannen von Milet, ein Abkommen treffen, bis er den Tempel wieder aufgebaut habe. Jener ersann eine List. Er ließ alle Lebensmittel auf dem Markt zusammentragen. Die Milesier sollten auf ein Zeichen hin ein Trinkgelage beginnen und „in lustigen Zügen durch die Straßen ziehen“. Tatsächlich ließ sich der Herold des Alyattes täuschen. Er meldete, in Milet herrsche alles andere als große Not. Man hab im Gegenteil großen Überfluss. Das überzeugte Alyattes. Er war bereit, sich mit den Milesiern zu versöhnen. Sie schlossen ein Abkommen zur Freundschaft. Alyattes ließ Athene in Assesos gleich zwei Tempel bauen. Später wurde er dann auch wieder gesund. Er starb nach 57 Regierungsjahren einen friedlichen Tod. Und jetzt kommt Kroisos.

Kroisos’ Regierungsantritt: Viele Eroberungen
Mit 35 Jahren bestieg Kroisos den Thron seines verstorbenen Vaters. Seine ersten Regierungsjahre waren geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen und Eroberungen. Zunächst griff er Ephesos an und eroberte den Stadtstaat. Das war nur das Signal für einen Siegeszug, in dessen Verlauf er gegen alle ionischen und aiolischen Städte zu Felde zog und sie unterwarf. Auch mit den Ioniern auf den Inseln schloss er ein Freundschaftsbündnis. Folgende Volksstämme waren schließlich von Kroisos unterworfen und tributpflichtig: Lyder, Phryger, Thyner und Bithyner, Karer, Ionier, Dorer und Pamphylier. Eine illustre Schar von Völkern, kann man da nur sagen.

Solon, der Reichtum und die Glückseligkeit
Die großen Erfolge festigten seinen Ruhm und viele weise Männer statteten ihm Besuch ab, unter ihnen auch der Athener Solon. Bekanntlich hatte dieser den Athenern auf ihren Wunsch hin Gesetze gegeben. Aber der weise Mann wusste natürlich, dass solche Gesetze nicht unumstritten sind. Also ging er angeblich auf eine Forschungsreise. In Wirklichkeit sollte man ihn nicht zwingen können, auch nur eines der Gesetze zu ändern. Zwar hatten die Athener sich auf seinen Wunsch hin dazu verpflichtet, die Gesetze zehn Jahre lang nicht anzutasten, aber weiß man’s? Also reiste der weise Mann zunächst nach Ägypten und dann nach Sardes zu Kroisos. Dieser zeigte ihm stolz seine Schatzkammer, die reichlich mit Schätzen gefüllt war. Er fragte den Griechen, ob er schon einen Menschen getroffen habe, der auf Erden am glücklichsten sei? Natürlich, weil er erwartete, dass Solon ihn selbst dafür hielt. Doch Solon präsentierte nach kurzem Überlegen einen anderen Kandidaten: Tellos aus Athen sei der glücklichste Mensch gewesen. Er habe ein gutes Leben gehabt, zwei treffliche Söhne, Enkelkinder auch, und er sei eines „herrlichen Todes“ gestorben, womit man in der damaligen, kriegerischen Zeit den Heldentod in einer Schlacht meinte.
Nach dieser Auskunft, die der König als demütigend empfand, fragte er dennoch weiter. Wer denn der zweitglücklichste Mensch auf Erden sei? Diesmal brauchte Solon nicht lange zu überlegen. Kleobis und Biton seien es gewesen. (Schon wieder gebraucht er die Vergangenheit, stellt Kroisos irritiert bei sich fest). Brüder waren sie und unglaublich stark. Beide wurden gleichzeitig Sieger in mehreren Wettkämpfen. Solon erzählte folgende Geschichte von ihnen:
Auf einem Fest für die Göttin Hera musste ihre Mutter in einem Fahrzeug in den Tempel der Göttin gefahren werden. Leider waren die Stiere nicht rechtzeitig zur Stelle und die Zeit drängte. Da boten Kleobis und Biton sich an ihrer Stelle an und traten unter das Joch. Sie zogen den Wagen, in dem ihre Mutter saß, 45 Stadien (8,7 km) weit bis zum Tempel. Dort trat die Mutter vor das Götterbild und bat die Göttin, sie möge ihren Söhnen das Schönste verleihen, das ein Mensch erlangen kann. Da  geschah das Wunderbare: Nach Opfer und Mahl, bei dem die Jünglinge von den Argeiern viel Lob für ihre Tat erhielten, schliefen diese unmittelbar im Tempelbezirk ein und wachten nicht mehr auf.
So weit Solons Geschichte über die zweitglücklichsten Menschen. Jetzt reichte es Kroisos. Er war empört: Ob er denn sein Glück so gering schätze, obwohl er von seinen Eroberungen und von seinem Reichtum wüsste? Sollte das alles weniger wiegen als Geschichten von solchen einfachen Menschen?
Der Weise aus Athen aber ließ sich nicht beirren. Er sagte:
„Kein Tag gleicht dem anderen im Leben. Ob ein Mensch glücklich ist, kann man erst am Ende der Tage sagen. Viele sehr reiche Menschen sind unglücklich. Es ist nicht möglich, dass alles, was zur Glckseligkeit gehört, einem einzigen Menschen zukommt. Die Götter haben schon vielen Menschen mit Glück gewinkt und sie dann in tiefstes Elend gestürzt.“
Für Kroisos war das Maß jetzt voll. Er würdigte den Gast nicht mehr eines einzigen Wortes, sondern ließ ihn des Platzes verweisen. Er hielt ihn für einen Dummkopf, weil er das Glück der Gegenwart scheinbar nicht gelten ließ und nur auf das Ende sah.

II. Das Blatt wendet sich

Kroisos verliert seinen Sohn

Schon bald nach Solons Abreise hatte Kroisos einen Albtraum. Er träumte, er würde seinen Sohn Atys verlieren, indem dieser von einer eisernen Lanzenspitze getroffen würde. Große Angst befiel ihn. Alles, was mit Krieg zu tun hatte, sollte künftig von Atys ferngehalten werden. So führte er ihm eine Frau zu und ließ aus den Männergemächern alles Kriegswerkzeug entfernen.
Eines Tages kam ein Mann nach Sardes, den ein schweres Unglück bedrückte:
Der Mann war ein Phryger, hieß Adrastos und war ein Enkel von Midas. Er hatte seinen Bruder erschlagen, versicherte aber, es nicht absichtlich getan zu haben. Um einer ungerechten Strafe zu entgehen, sei er geflüchtet in der Hoffnung, dass Kroisos ihn entsühne. Kroisos war milde gestimmt und entsprach der Bitte des Adrastos. Er nahm ihn als Gast auf.
Zur gleichen Zeit erschien auf dem mysischen Olymp ein gewaltiger Eber und verwüstete die von den Mysern bestellten Felder. Diese wandten sich an Kroisos mit der Bitte um Hilfe bei der Jagd nach dem wilden Eber. Er habe ja einen Sohn, der helfen könne. Letzteres lehnte Kroisos kategorisch ab, aber er versprach, andere junge Lyder und das ganze Jagdgefolge zu schicken. Zufällig hörte Atys seine Worte und fragte entrüstet den Vater, warum er nicht mit dürfe. Da erzählte Kroisos ihm von seinem Traum und von der bedrohlichen eisernen Lanzenspitze. Atys meinte, ein Eber hätte zwar gewaltige Hauer, aber keine aus Eisen und Lanzen seien es auch nicht. Er bat den Vater,ihn an der Jagd auf den Eber teilnehmen zu lassen. Der willigte schließlich doch ein. Als Vorsichtmaßnahme ließ er Adrastos rufen. Er möge seinen Sohn auf der Jagd begleiten und auf ihn achten. Adrastos war einverstanden. So zogen die Lyder zum Olymp, um den Eber zu jagen. Sie spürten das Tier auf, umstellten es und warfen ihre Speere. Auch Adrastos warf einen Speer, verfehlte den Eber aber und traf ausgerechnet Atys, auf den er ein besonderes Auge werfen sollte, aber keinen Speer.
Die Lyder brachten Atys’ Leichnam zu seinem Vater. Auch Adrastos war mitgekommen. Er stellte sich vor den Toten und flehte den König an, ihn über der Leiche seines Sohnes hinzuopfern. Aber Kroisos erfüllte  seinen Wunsch nicht. Stattdessen bedauerte er ihn wegen seines erneuten Unglücks, für das er jenen Gott verantwortlich machte, der ihm das Unglück vorhergesagt hatte. Es kam zu einer würdigen Bestattung des Toten. Als letzter verweilte Adrastos am Grab. Als die anderen sich entfernt hatten, tötete der unglückliche Mann sich selber.

Kyros, die Orakel und Peisistratos
Kyros, der Sohn des Kambyses, hatte viele militärische Erfolge gehabt und das Perserreich vergrößert, sehr zum Missfallen von Kroisos. Der trug sich lange mit dem Gedanken, gegen Kyros zu Felde zu ziehen, wollte aber zuvor göttlichen Rat. Er schickte Boten zu griechischen und libyschen Orakelstätten. Überliefert ist nur die Antwort aus Delphi, die reichlich kryptisch ausfiel: Wenn Kroisos gegen die Perser zu Feld ziehe, werde er ein große Reich zerstören. Natürlich ging Kroisos davon aus, dass damit das persische Reich gemeint war. Aber er brauchte Bündnispartner. Infrage kamen die Spartaner und die Athener. Die Spartaner waren Dorer, von alters her ein pelasgisches Volk, das schon weit herumgekommen war, während die Athener in ihrem Umkreis blieben. Zudem, so hieß es, seien die Athener niedergehalten und zerrissen durch die Herrschaft des Tyrannen Peisistratos. Um diese Gestalt wollen wir uns nun zunächst kümmern.

Peisistratos und die Herrschaft in Athen
Der Alleinherrscher heiratete die Tochter des Megakles, aber er wollte keine Kinder mit ihr, aus welchem Grunde auch immer, vielleicht, weil er mehr an Kriegen als an Kindern interessiert war. Für die Frau war das eine große Beleidigung. Die Verschmähte erzählte es ihrer Mutter und diese erzählte es ihrem Mann. Megakles war empört. Er fühlte sich von Peisistratos entehrt und tat sich mit Aufrührern zusammen. Offenbar fand er viele Verbündete, die mit dem Tyrannen unzufrieden waren. Für Peisistratos wurde der Boden in Athen bald zu heiß. Er verließ die Stadt mitsamt seinem Anhang und ging nach Eritria ins Exil. Nach längerer Zeit überzeugte ihn jedoch sein Sohn Hippias davon, dass er die Herrschaft in Athen zurückgewinnen müsse. Sie sammelten Spenden und bekamen reichlich, vor allem von den Thebanern. Dann war es so weit: Argeiische Söldner kamen vom Peloponnes und Lygdomis, ein Freiwilliger aus Naxos, brachte viel Geld und viele Söldner mit. So kehrten sie nach 11 Jahren Exil nach Attika zurück. Marathon war die erste Stadt, die sie einnahmen. Sein Vormarsch blieb in Athen nicht unbemerkt. Auch dort sammelten sie ein Heer und zogen ihm entgegen. Die beiden Heere trafen beim Tempel der Pallas Athene aufeinander und brachten sich in Stellung. Da trat der Seher Amphilytos auf Peisistratos zu und sagte, er habe auf göttliches Geheiß eine Botschaft zu verkünden. Sie lautete: „Schon ist geworfen der Haken und ausgebreitet das Netzwerk, Thunfische werden darauf sich stürzen im Scheine der Mondnacht!“ Peisistraros verstand das  als Aufforderung zum Angriff. Mit einem Überraschungsangriff gelang es ihm, die Athener in die Flucht zu schlagen. Um zu verhindern, dass sie sich später sammelten und einen Angriff versuchten, ersann er eine List. Er ließ seine Söhne Pferde besteigen, mit denen sie den Flüchtenden folgten. Es gelang ihnen, sie davon zu überzeugen, dass es für sie besser wäre, , nach Athen zurückzukehren. Peisistratos aber sicherte sich erneut die Alleinherrschaft. Jetzt geht unsere Reise durch das antike Hellas erst einmal nach Tegea.

Sparta, Tegea und das Orakel
Die Stadt  Tegea lag in der wunderschönen Landschaft Arkadiens. Sie hatte spätestens seit dem Jahr 350 v.Chr. einen bedeutenden Tempel, in dem die Göttin Athena Alea verehrt wurde. Die Spartaner waren bestrebt, Tegea in ihr Herrschaftsgebiet einzuverleiben, so wie ganz Arkadien. Auch sie wandten sich vorsichtshalber an das Orakel in Delphi. Sie erhielten folgenden Spruch: „Ich will  dir Tegea geben zum Tanze und die herrliche Flur, das Land mit der Leine zu messen.“ Auch gut, dachten sich die Spartaner, das kann nichts anderes heißen als dass die Tegeaten unsere Knechte werden. Bei dem folgenden Feldzug gegen Tegea nahmen sie siegessicher gleich die nötigen Fesseln mit. Aber wieder einmal kam es anders. Die Tegeaten siegten, die Spartaner unterlagen. Die vorsorglich mitgebrachten Fesseln dienten nun dazu, die überlebenden Spartaner damit in Bande zu schlagen und zu Fronarbeit auf den Feldern zu zwingen. Die in Sparta zurückgebliebenen wandten sich erneut an Delphi mit der Frage, welchen der Götter sie denn nun auf ihre Seite bringen müssten, um Tegea zu besiegen. Wieder kam vom Orakel ein rätselhafter Bescheid: Die Spartaner müssten die Gebeine von Orestes, dem Sohn Agamemnons, nach Sparta holen. Als sie nachfragten, wo sich denn diese Gebeine befänden, wurde es noch rätselhafter: Von zwei Winden war die Rede, von „Schlag auf Schlag“, schließlich vom Leid, das auf dem Leide liegt. Was sollten sie mit diesem Spruch anfangen?
Es war mehr Zufall, dass ein schlauer Spartaner namens Lichas schließlich die Gruft des Orestes in Tegea fand. In einer Schmiede beobachtete er, wie das Eisen gehämmert wurde. Der Schmied schwatzte gerne und Lichas war bereits genervt davon, als er aufhorchte. Der Schmied hatte gerade erzählt, er wollte einst im Hof einen Brunnen graben und sei dabei auf einen Sarg gestoßen, der außergewöhnlich lang gewesen sei. Er habe dann die Grube wieder zugeschüttet. Lichas hatte einen Geistesblitz. Er glaubte die Lösung für das Rätsel des Orakels gefunden zu haben: Die zwei Blasebälge waren die Winde, Amboss und Hammer standen für „Schlag auf Schlag“ und das gehämmerte Eisen war das Leid, das auf dem Leide ruhte. Schließlich, so glaubte er, sei das Eisen zum Unheil der Menschen entdeckt worden. Lichas verließ den Schmied aufgeregt, ohne etwas über seine Vermutung zu sagen. Aber in Sparta erzählte er gleich an höchster Stelle davon und erwartete nun Freude und große Dankbarkeit. Stattdessen schickte man ihn mit einer fingierten Anklage in die Verbannung. Lichas war enttäuscht, aber er gab nicht auf. Wieder begab er sich nach Tegea. Diesmal erzählte er dem Schmied von seinem unerwarteten Schicksal der Verbannung und überredete ihn dazu, ihm den Hof zu verpachten. Er öffnete das Grab, sammelte die Gebeine ein und brachte sie nach Sparta. Diesmal glaubte man ihm. Herodot schreibt, dass die Spartaner, die bei ihm Lakedaimonier heißen, seit dieser Zeit jeden Kampf mit den Tegeaten für sich entschieden, ja, dass sie den größten Teil des Peloponnes unter ihre Kontrolle brachten.

Kroisos zieht gegen die Perser zu Felde
Diese erfolgreichen Spartaner nun wollte Kroisos als Bündnispartner gewinnen für den Zug gegen die Perser. Er bot ihnen ein Bündnis an und sie waren auch einverstanden, bekräftigten das Bündnis gar mit einem Schwur. Aber aus dem geplanten Feldzug wurde dann nichts. Kroisos beschloss, zunächst gegen Kappadokien (in heutigen Syrien) zu ziehen. Er führte ein großes Heer über den Fluss Halys. Das war nicht einfach, da es dort keine Brücke gab. Bei den Griechen ging die Sage, er habe Hilfe von Thales von Milet erhalten. Er soll den Fluss in einen Graben umgeleitet und ihn später wieder in das alte Flussbett zurückgeführt haben. Infolge der Teilung war es möglich, den Fluss mit dem Heer zu überschreiten. So zog Kroisos weiter. Auf dem Weg nach Kappadokien verwüstete er die Stadt Pteria und versklavte die Bewohner. Ähnliches widerfuhr den Nachbarstädten – business as usual in damaligen Zeiten. Dann aber stellte sich ihm Kyros mit seinem Heer entgegen. In der Landschaft Pteria kam es zu einer, so Herodot, „fürchterlichen Schlacht“ mit großen Verlusten auf beiden Seiten. Irgendwann war beiden Seiten klar, dass es keinen Sieger geben würde. Man trennte sich. Kroisos war bewusst dass er zu wenig Soldaten hatte und dringend Bundesgenossen brauchte. Er zog mit dem Heer ab in Richtung Sardes. Sein Plan war, Ägypter, Spartaner und Babylonier für ein neues Bündnis zu gewinnen. Den Winter wollte er verstreichen lassen und zu Beginn des Frühlings gegen die Perser aufbrechen. Also schickte er Herolde an die möglichen Verbündeten mit der Aufforderung, sich in 5 Monaten in Sardes zu versammeln. Das restliche Heer löste er auf.
Seltsame Dinge ereigneten sich in der Folge: Das Feld vor der Stadt füllte sich ohne erkennbare Ursache mit Schlangen. Das nahm solche Ausmaße an, dass schließlich sogar die Pferde aufhörten zu weiden. Stattdessen fraßen sie die Schlangen! Es ist nicht bekannt, ob ihnen das gut bekommen ist. Aber zu jener Zeit war man schnell geneigt, solche Absonderlichkeiten auf ein göttliches Walten zurückzuführen. Jedenfalls neigte Kroisos dazu. Er ließ Rat holen bei den Telmessern, die im Ruf standen, solche Zeichen deuten zu können. Und sie wirklich hatten sie eine Deutung parat: Ein fremdes Heer sei im Anmarsch gegen das Land  des Kroisos und werde die Bewohner des Landes vertilgen. Denn die Schlange sei das Kind der Erde, das Pferd aber sei etwas Feindliches, etwas Fremdes. Die Herolde, die Kroisos diese Prophezeiung übernringen wollten, hatten ein Problem: Kroisos war inzwischen ein Gefangener. Folgendes hatte sich ereignet:
Kyros hatte erfahren, dass Kroisos sein Heer auflöste und reagierte schnell. Er rückte eilig in Lydien ein. Rasch kam es zum Kampfe. Vor Sardes trafen die Heere aufeinander. Kyros wandte eine List an, um die gegnerische Reiterei unschädlich zu machen. Er setzte Kamele an die Spitze des Heeres vor der Infanterie. Als die Pferde die Kamele witterten, machten sie umgehend kehrt und flohen. Denn Pferde können weder den Anblick noch den Geruch von Kamelen ertragen. So schreibt jedenfalls Herodot und ich sehe keinen Anlass, ihm hier zu widersprechen. Die Lyder  sprangen von ihren Pferden herunter und griffen die Perser zu Fuß an. Aber sie hatten keine Chance gegen die persische Übermacht. Nach großen Verlusten drängten die Perser sie in die Stadt zurück und begannen sie zu belagern.

Blutige Kämpfe zwischen Sparta und Argos
Kroisos, der mit einer langen Dauer der Belagerung rechnete, schickte Gesandte aus mit der Bitte um Hilfe gegen seine Belagerer. Unter anderem bat er auch die Spartaner, die damals noch Lakedaimonier hießen, um Hilfe. Allerdings befand man sich in Sparta in einer schwierigen Situation. Im Streit mit den Argeiern um den      Landstrich Thyrea, einem Teil der Argolis, waren sie in die Offensive gegangen und hatten ihn besetzt. Die schwächeren Argeier waren bereit zu verhandeln. Es kam zu einer Einigung. Eine ausgewählte Schar von je dreihundert Kriegern sollte stellvertretend für die beiden Heere gegeneinander zum Kampf antreten. Das Ergebnis dieses Kampfes war äußerst blutig. Nur drei von den 600 Kriegern blieben am Leben, die Argeier Alkenor und Chromios sowie der Spartaner Othryades. Die beiden Argeier, überzeugt von ihrem Sieg, eilten nach Argos. Der Spartaner raubte Rüstungen von den gefallenen Argeiern und Waffen, die er ins eigene Lager brachte. Das sollte die Behauptung unterstreichen, dass die Spartaner aus dem Kampf als Sieger hervorgegangen waren. So kam es, dass beide Parteien, als sie sich zwei Tage später einstellten, den Sieg für sich in Anspruch nahmen. Da man sich nicht einigen konnte, kam es erneut zum Kampf. Und noch einmal gab es große Verluste auf beiden Seiten. Das Ganze erinnert einen irgendwie an die sinnlosen Schlachten im ersten Weltkrieg, auch wenn natürlich weniger Menschen ums Leben kamen. Sieger in diesem blutigen Kampf wurden die Spartaner. Die Argeier verwanden die Niederlage nur schwer. Sie, die lange Haare getragen hatten, ließen sich seit dieser Zeit die Köpfe scheren. Sie schworen, erst wenn Thyrea wieder befreit wäre, würden sie die Haare wieder wachsen lassen und erst dann dürfen ihre Frauen wieder Goldschmuck tragen. Umgekehrt erließen die Spartaner ein Gesetz, dass ihre Krieger ab sofort verpflichtet waren, sich lange Haare wachsen zu lassen. Den einzig überlebenden Spartaner aus der ersten Schlacht, Othryades, betraf das indes nicht mehr, denn er nahm sich das Leben, weil er sich schämte, als einzig Überlebender ohne seine Kameraden nach Sparta zurückzukehren.
So also war die Lage, als der schon erwähnte Herold aus Sardes nach Sparta kam und um Hilfe für den belagerten Kroisos bat. Aber die Spartaner standen zu ihrem früher gegebenen Wort und rüsteten einen Hilfszug aus. Auch die Schiffe lagen schon zur Abfahrt bereit, als die Nachricht kam, die Festung der Lyder sei erstürmt und Kroisos lebend gefangen. Das Unternehmen „Hilfszug für Kroisos“ wurde erst einmal gestoppt.

Die Einnahme von Sardes durch Kyros

Kyros war es gelungen, mit seinen Truppen Sardes einzunehmen. Keine einfache Angelegenheit, denn die Stadt war durch eine hohe Mauer wirksam gegen Angreifer geschützt. Nach 14 Tagen Belagerung hatte der belagernde Kyros wahrscheinlich das Gefühl, mit seinem Latein am Ende zu sein. Er schickte reitende Boten zu allen möglichen Orten, die verkündeten, Kyros werde denjenigen, der als erster die Mauer von Sardes erklimme, fürstlich belohnen. Manch einer versuchte es daraufhin, aber keinem gelang es. Meistens war man froh, wenn man mit heiler Haut davonkam, denn die Verteidiger sparten nicht mit Steinen und anderen Geschossen, die sie auf die Kletterer schleuderten. Ratlosigkeit machte sich breit. Da kam ein Zufall Kyros zur Hilfe. Ein Mann aus dem Volk der Marder namens Hyroiades hatte beobachtet, wie ein Lyder von der Burg herabkletterte, um einen heruntergefallenen Helm zu holen. Es war dies eine Stelle, an der man den Aufstieg für unmöglich gehalten hatte, doch da es dem Lyder gelang, den Helm wieder zu holen, versuchte auch Hyroiades sein Glück – und hatte Erfolg! Alles weiter war eingeübte Praxis: Ein lydischer Krieger wurde überfallen, der Eindringling zog dessen Uniform an und öffnete das Stadttor. Zugleich kamen an der Stelle, an der Hyroiades die Mauer erklommen hatte, weitere persische Krieger hoch. Es kam zu heftigen und blutigen Auseinandersetzungen, aber die Lyder hatten gegen die persische Übermacht keine Chance.

Kroisos sieht sein letztes Stündlein gekommen
Kroisos hatte einen Sohn, der stumm war. Was hatte der Vater nicht alles versucht, um das zu ändern! Sogar zum Orakel von Delphi hatte er einen Boten geschickt. Die Pythia aber ließ dem König ausrichten, er solle sich besser nicht wünschen, dass sein Sohn sprechen könne. „Denn,“ so hieß es wörtlich, „wenn er das erste Mal spricht, ist das am Tage des Unglücks.“ An solchen Tagen verwünschte der König bei sich die Pythia, das kann man sich denken!
Nun geschah es, dass nach der Einnahme der Mauer von Sardes einer der in die Stadt eingedrungenen Perser sich Kroisos näherte in der erkennbaren Absicht, ihn zu töten. Das beobachtete der stumme Sohn des Köngs und das Wunder geschah: Die Angst um den Vater löste bei dem Sohn die Zunge und er rief: „Töte ihn nicht, töte Kroisos nicht!“ So eindringlich muss sich das angehört haben, dass der Angreifer in der Tat innehielt. Die Perser nahmen Kroisos lebendig gefangen und führten ihn zu Kyros. Für eine solche Gefangennahme erhielten die Soldaten eine Belohnung, der Gefangene aber die Aussicht auf den Scheiterhaufen. Kroisos verstand auf einmal die Prophezeiung der Pythia, dass es ein Tag des Unglücks sein werde, wenn der stumme Sohn erstmals sprechen könne. Aber die Einsicht half ihm nicht: Der Scheiterhaufen wurde errichtet und der König musste hinaufsteigen. Die Flammen züngelten schon an dem Holz, und Kroisos rief nach einem tiefen Seufzer dreimal laut: „O Solon!“ Kyros, der dem Ende seines Widersachers beiwohnen wollte, hörte das. Er verstand nicht, was das sollte, aber er hatte das Gefühl, er könnte etwas Wichtiges verpassen. Dolmetscher, die zugegen waren, ließ er daher Kroisos fragen, nach wem er denn da rufe. Die Antwort trug nicht gerade etwas dazu bei, dass Kyros mehr wusste, denn Kroisos sagte: „Wäre er doch mit allen Herrschern ins Gespräch gekommen! O ja, das wäre mir viel Geld wert gewesen!“ Kyros verlangte Aufklärung, und zwar zügig, zumal die Flammen bereits an den Scheiten züngelten. Da erzählte Kroisos in hastigen Worten von dem Athener Solon, der seinen Wohlstand verachtet und gesagt habe, niemand dürfe sich vor dem Tod für glücklich schätzen. Das machte Eindruck  auf Kyros. Auf einmal wurde ihm bewusst, wie gefährlich es war, diesen König umzubringen, wie groß die Gefahr der Vergeltung war. Kurz entschlossen befahl er, das Feuer zu löschen, aber das gelang den Männern nicht. Unter Tränen und in Todesangst rief Kroisos Apollo zur Hilfe. Da geschah das Wunder: Wolken ballten sich zusammen und bald schon ergoss sich ein heftiger Regen auf die Stadt Sardes und den lydischen König, der diesmal mit dem Schrecken davonkam. Denn der Scheiterhaufen erlosch.
Das, was viele Jahre später Aristoteles als Katharsis bezeichnete, so etwas wie eine tiefgehende Läuterung  der Seele durch den großen kathartischen Moment, eben das muss Kroisos durchgemacht haben, wenn wir Herodot glauben wollen, und warum sollten wir das nicht! Denn bei ihm können wir lesen, wie Kroisos sich von jetzt auf gleich verwandelte in einen von Grund auf friedfertigen Menschen, der Ratschläge wie diesen erteilte: „Niemand soll so unvernünftig sein, dass er den Krieg mehr liebt als den Frieden.“ Weil Kyros ungläubig dreingeschaut haben muss, fügte er hinzu, es sei ein Griechengott gewesen, der ihn zum Krieg verleitet hätte. (Scheinbar hatte er schon wieder vergessen, dass es auch ein Griechengott war, der sein Leben rettete.) Der Regen hörte auf und Kroisos und Kyros beobachteten, wie die Perser Häuser zerstörten oder abfackelten, nachdem sie sie leer geräumt hatten. Da wies Kroisos den Perserkönig darauf hin, dass die Plünderer im Grunde ihn, Kyros, beraubten. „Alles, was sie verheeren und wegtragen, gehört ja dir!“ rief er. Er empfahl, Wachtposten an alle Tore zu stellen. Diese sollten den Herauskommenden die Schätze abnehmen, indem sie sagten, es sei jedermanns Pflicht, Zeus den Zehnten der Beute zu opfern. Ein weiser Rat, fand Kyros und befolgte ihn umgehend. Im Gegenzug stellte er Kroisos einen Wunsch frei. Der überlegte nicht lange. Er wünsche sich, dass Kyros Boten zum Orakel von Delphi schicke mit seinen Fesseln, welche die Boten auf die Schwelle des Tempels legen sollten. Ob sich der Gott nicht schäme, durch seinen Orakelspruch Kroisos zum Krieg gegen die Perser verleitet zu haben, sollten die Boten fragen. So geschah es denn auch. Herodot hat uns überliefert, welche Antwort die Pythia gab: Apollo hätte nur vorhergesagt, wenn er gegen die Perser ziehe, werde er ein großes Reich zerstören. Da hätte Kroisos nachfragen müssen, ob Apollo sein eigenes oder das des Kyros gemeint habe.
Vielleicht ist Kroisos da die Weisheit eingefallen, die so alt ist wie die Menschheit: Nachher wissen wir alles besser.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (09.08.17)
Studentische Hausarbeit?
Graeculus (69) meinte dazu am 09.08.17:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 09.08.17:
Ja, müsste es, tut es aber oft nicht oder nur sehr unzureichend, wie mir ein erfahrener Studentencoach verriet.
Graeculus (69) schrieb daraufhin am 09.08.17:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 09.08.17:
Nun ja, der beschriebene Studi-Coach hat natürlich nicht mit denen zu tun, die es können, sondern mit den Problemfällen. Der Trend geht im Moment, so habe ich erfahren, weg vom Fachwissen hin zu Kompetenzerwerb.
Graeculus (69) ergänzte dazu am 09.08.17:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 09.08.17:
Ich kannte mal eine Lehrerin, die war froh, dass ihre Schüler überhaupt wenigstens Wikipedia kannten und verwendeten!

 ManMan meinte dazu am 09.08.17:
Ich möchte, dass Geschichten wie diese nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb habe ich ältere Aufzeichnungen zusammengefasst und versucht, sie in ansprechender Form neu zu erzählen. Das hat weder etwas mit Schüler- noch mit Uniarbeiten zu tun. Ich erzähle einfach nur (nach). LG manMan

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 09.08.17:
Eine gute Übung, die den Verfasser - für kV völlig unüblich geworden - nicht in den Mittelpunkt stellt. Von daher von mir ein Lob-Sternchen.

 ManMan meinte dazu am 09.08.17:
Dankeschön! ManMan
Graeculus (69) meinte dazu am 09.08.17:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram