Ende Sommer ist der Grill an der Ecke kalt, die Leute fragen: Was ist los?
Die Sonne scheint, wo bleibt der Grillmeister?
Aber der mag nicht mehr. Er hat zu viele Würste gebraten, zu oft geschrien: Die Wurst ist fertig!
Zu oft hat er gesagt bekommen: Die ist ja schon kalt! Oder: die ist ja ganz verkohlt!
Zu oft hat er mit einem Messer in das Plastik gestochen, die schlabbrigen weissen Dinger aus der Verpackung genommen, sie dann auf den Grill geworfen, manchmal geschmissen. Das Feierabendbier ist ihm zu Kopf gestiegen, das Bratfett ins Hirn. Es war ja schon in seinem Haar, in seinen Lungen und in seiner Haut (in den Poren wird die Bratluft gespeichert!).
Jeden Samstag kommt ihn seine Frau mit dem Kind am Wurststand besuchen. Sie bestellt immer einen Milchkaffee an der Theke, mit offenem a und langem e, denn sie ist aus der Dominikanischen Republik. Das Kind trinkt literweise Sirup. Alle Mitarbeiter mögen sie, doch vor dem Grillmeister fürchten sie sich. Einmal hat einer am Tresen dem Kind einen Sirupshot angeboten. Er hat so getan, als wäre es ein Kurzer, hat mit ihm angestossen und dann musste das Kind den Sirup in einem Zug runterkippen. Da ist der Grillmeister wütend geworden, hat mit seiner Zange geklappert, hat gespuckt beim Schimpfen. Das Kind musste nachhause gehen, die Mutter durfte nicht mehr weiter in der Sonne Zeitung lesen und Milchkaffee trinken, sondern musste mit dem Kind in die enge Wohnung gehen.
Der Grillmeister sieht die Bratwürste auch im Schlaf, sie werden Maden in seinen Träumen und krümmen sich, wenn man sie brät. Beisst jemand hinein, spritzt Galle raus. Er schlägt um sich im Traum, versucht die Madenwürste zu erwürgen.
Am Grill ist ein Blatt angebracht, es flattert im warmen Sommerlüftchen, darauf steht: Bratet euch eure Würste selbst!
Ein ungemein plastischer Text, es wird einem geradezu heiß bei den Bildern dieses Grill-Rituals. Welcher Mann kennt das nicht?(Frauen halten sich beim Grillen ja zurück)
Ist es ein Abgesang auf unsere Spaß- und Konsumkultur? Am Ende scheint mir das so.
Sehr anregend zu lesen, jedenfalls.
Eiskimo
