der Grillmeister

Text

von  atala

Der Mann hat immer ein weißes Tank-Top getragen, das übersät war mit Fettflecken. Nachdem er die Bestellung schreien musste, weil die Leute auf der Caféterrasse sich wieder hingesetzt hatten und nicht darauf geachtet haben, ob ihre Würste schon fertig sind, hat er sich immer mit dem Unterarm über die Stirn gewischt, als wäre das Schreien sehr anstrengend gewesen.
Jeden Samstag hat ihn seine Frau mit dem Kind am Wurststand besucht. Sie hat immer einen Milchkaffee an der Theke bestellt, mit offenem a und langem e, denn sie ist aus der Dominikanischen Republik. Alle Mitarbeiter mochten sie, doch vor dem Grillmeister haben sich alle gefürchtet. Das Kind hat literweise Sirup getrunken.
Einmal hat Toni, der am Tresen arbeitet, dem Kind einen Sirup-Shot angeboten. Toni hat so getan, als wäre es ein Kurzer, hat mit ihm angestossen und dem Kind gezeigt, wie man das Gläschen in einem Zug runterkippt. Als das der Grillmeister gesehen hat, ist er wütend geworden, er hat mit seiner Zange geklappert, hat gespuckt beim Schimpfen. Das Kind musste nachhause gehen, die Mutter durfte nicht mehr weiter in der Sonne Zeitung lesen und Milchkaffee trinken, sondern ist mit dem Kind in die enge Wohnung gegangen.
Ende Sommer steht der Grill des Cafés in der Ecke verlassen da. Die Leute stehen mit einem leeren Tablett in der Hand in einer Reihe, schauen sich über die Schulter hinweg an und fragen: Wo bleibt der Grillmeister?
Wahrscheinlich hat er zu viele Würste gebraten. Zu oft hat geschrien: Die Wurst ist fertig! Zu oft hat er gesagt bekommen: Die ist ja schon kalt! Oder: die ist ja ganz verkohlt! Zu oft hat er mit einem Messer in das Plastik gestochen, hat die schlabbrigen weissen Dinger aus der Verpackung genommen, sie dann auf den Grill geworfen, manchmal geschmissen.
Das Feierabendbier ist ihm zu Kopf gestiegen, das Bratfett ins Hirn. Es war ja schon in seinem Haar, in seinen Lungen und in seiner Haut (in den Poren wird die Bratluft gespeichert!).
Der Grillmeister sieht die Bratwürste auch im Schlaf, sie werden Maden in seinen Träumen und krümmen sich, wenn er sie brät. Jemand beisst in eine hinein und Galle spritzt raus. Der Grillmeister schlägt um sich im Traum, versucht die Madenwürste zu erwürgen.
Mitten im Sommer an einen umsatzreichen Tag hat er seine Zange niedergelegt und ist weggegangen. Er hat den Grill nicht mal ausgemacht, seine Schürze hat er anbehalten, als er einfach wegspaziert ist und es so ausgesehen hatte, als hätte er mit dem Treiben nichts zu tun.
Seit da hat man nichts mehr von ihm gehört. Toni sagt, er hätte ihn in einem Cabrio vorbeifahren sehen, doch er sei sich nicht sicher, der Mann am Steuer hätte eine Sonnenbrille getragen. Jemand anders meint, man erzählt sich, dass er nie wieder das Haus verlassen hätte und seit Tagen im Bett liege. Die dritte meint, sie hätte ihn nackt in den See springen und zur kleinen Insel schwimmen sehen. Aber ganz sicher ist sich niemand.


Anmerkung von atala:

Das ist die überarbeitete Fassung des Textes: Der Grillmeister hat ein Burnout"

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (27.04.20)
Hier gefällt mir der Stil besonders - eine perfekte umgangssprachliche "Nachahmung."
Gerade dadurch kommt das diffuse Verlustgefühl gut rüber. -
Aus meiner Sicht: super gemacht.

Der8.

 Dieter_Rotmund (27.04.20)
Gefällt mir gut, aber "Der Mann hat immer ein weißes Tank-Top getragen" ist etwas ZU grotesk begonnen (Duden läßt übrigens nur "Tanktop" zu). Du müsstest dieses Groteskniveau durchhalten oder den Eröffnungssatz ändern. Letztere Variante würde mir persönlich besser gefallen, denn der Resttext ist ja schon gut gelungen.

P.S.: Das Ausrufezeichen im Text wirkt etwas aufdringlich. Wir Leser sind nicht blöd!
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