Ernst Bloch auf der Couch

Rezension zum Thema Psychologie

von  Hans

Ernst Bloch auf der Couch

Den Zusammenhang von psychischer und philosophischer Entwicklung Ernst Blochs erkundet Hanna Gekle. Bloch selbst hielt  wenig von solchen Psychologisierungen, und zu seinen Lebzeiten pflichtete ihm seine junge Assistentin Gekle bei.
Inzwischen ist er mehr als 40 Jahre tot. Nicht nur seine Briefe erschienen posthum, seine Witwe Karola vertraute Hanna Gekle auch das „Gedenk – und Tagebuch“ für seine erste Frau Else von Stritzky an mit dem Auftrag „etwas daraus zu machen.“ Daneben interpretiert die Psychoanalytikerin literarische Texte, vor allem aus dem Erzählband „Spuren“ von Bloch.
Der Schwerpunkt dieser umfangreichen Studie liegt in der Zeit von 1910 bis in die 30iger Jahre, als Bloch mit Frau und Kind vor den Nazis flieht und schließlich in den USA landet.
Bloch kommt am 8. Juli 1885 als einziges Kind des jüdischen Ehepaares Berta (1861 – 1935) und Markus (1853 – 1925/ oder 1926?) Bloch in Ludwigshafen am Rhein zur Welt. Sein Vater gilt als assimiliert und aufstiegsorientiert. Bloch verliert bis ins hohe Alter kaum ein Wort über ihn. Die Mutter ist psychotisch.
Bloch mag seine Eltern nicht. Das hat offensichtlich nichts damit zu tun, dass er aus einem jüdischen Elternhaus stammt, obwohl der Antisemitismus weit verbreitet war.
„Finanziell ging es den Blochs gut, es gab keine Entbehrungen, man konnte sich sogar den Luxus von Urlaubsreisen gönnen. Auch in der Verwandtschaft mußte keiner darben...“ ( Peter Zudeick: Der Hintern des Teufels, Ernst Bloch – Leben und Werk, Bühl-Moos, 1985, S.13) 
Gekle zitiert Ernst Blochs früheste Erinnerungen an ein Rufen, das ohne Antwort bleibt. Er fühlt sich einsam und verlassen im Dunkel des erlebten Augenblicks. Den erfüllten Augenblick wird er philosophisch in die Zukunft verlegen.
Die Schule gefällt ihm ganz und gar nicht. Schlechte Leistungen und Aufsässigkeit erzeugen Fluchtgedanken und Träume von einem erfüllten und ausschweifenden Leben. Seine Kennzeichen: er ist kurzsichtig (eine Brillenschlange) und spielt Klavier.
Ab dem 15.ten Lebensjahr liest er in der Mannheimer Schlossbibliothek die großen Philosophen, wie Spinoza, Kant, Hegel, Schelling usw. Früh plant er eigene Systementwürfe, die mehrere Bände umfassen und die Menschen aus ihrer spirituellen Not erlösen sollen.
Nach Jean Paul Sartre ist der Mensch das, was er aus sich macht. Für Bloch trifft das beispielhaft zu. Er stilisiert sich zum Paraklet (Lichtbringer, Erlöser) und arbeitet an seinem bedeutenden philosophischem Werk, das ihm keine Kraft und Zeit lässt für einen Brotberuf. Konsequent lebt er -  mit Ausnahmen -  jahrzehntelang in bedrückender Armut. Im Brief an Lukács schreibt er über Bedeutung und Wirkung seiner Philosophie: „... Georg, ich versichere Dich, alle Menschen, in Rußland und bei uns im Westen, werden sich wie an der Hand genommen fühlen, sie werden weinen müssen und erschüttert und in der großen bindenden Idee erlöst sein;... Ich bin der Paraklet und die Menschen, denen ich gesandt bin, werden in sich den heimkehrenden Gott erleben und verstehen.“ (in: Ernst Bloch: Briefe 1903 – 1975, herausgegeben von Karola Bloch u.a., Bd. 1, Frankfurt a.Main 1985; der Briefwechsel Georg Lukács – Ernst Bloch 1910 – 1971, wird betreut von Arno Münster und Hanna Gekle, Brief Nr.18, S. 66f) Kein Anflug von Ironie findet sich in diesen Zeilen. Was wird ihr Empfänger bei der Lektüre wohl gedacht haben? Wer so schreibt, kommt dem Wahnsinn gefährlich nahe.  Mehr als einmal dürfte er einen/den unerträglichen Augenblick erlebt haben
Anhand der Briefe an Georg Lukács rekonstruiert Gekle die Entwicklung Blochs seit seinem 26. Lebensjahr. Sie behauptet, der Briefwechsel beginne 1911, in der Briefausgabe datiert der 1. Brief an Lukács vom 22.4.1910.
Im Juli 1911 lernt Bloch Else von Stritzky kennen ( Ernst Bloch: Briefe, Brief Nr.9, S. 42).
Sie ist reich und versteht ihn zu großen Teilen. Sie liebt ihn, und er achtet sie und nimmt Geld von ihr. All das schreibt er dem Freund.
Die Heirat mit einer reichen Frau würde seine finanzielle Misere beenden. Leider ist Else schwer krank, weshalb Bloch diese Möglichkeit zunächst ausschließt. Stattdessen könnte ein jetzt 15jähriges Mädchen in 2 – 3 Jahren die rechte Braut sein. Kein Kommentar. Das gilt auch für die arroganten Bemerkungen über Else  „...Sie ist auch gebildet genug, um mich intellektuell auf weite Strecken hin zu verstehen.“( ebd., Brief Nr 9, S. 42).
1913 heiratet er Else und lebt eine kurze Zeit als Neureicher mit Geschmack an stilvollen Möbeln und Teppichen. Rasch zeigt sich, dass weder er noch sie mit Geld umgehen können. Sie überschreiten ihren Etat. Als der Schwiegervater nach Ausbruch des Krieges in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, und die Zahlungen an das junge Ehepaar einstellt, herrscht materiell die blanke Not.
Jahre vorher, 1907, mit 22 Jahren, soll nach Gekles Rekonstruktion in Würzburg durch die Konfrontation mit einem toten Mann in der Wohnung der Vermieterin „Blochs Erfahrung der zweiten Geburt“ ( S.593) stattgefunden haben. 15 Jahre später wird er diese in „Die Wasserscheide“ verarbeiten. ( Ernst Bloch: Spuren, Frankfurt a.M., 1969, S.36 - 39)
In der philosophischen Erzählung geht es um die Rolle des Zufalls, die schon bei der Zeugung eine entscheidende Rolle spielt. Der Mann, der als Ich-Erzähler seine Erfahrungen mitteilt, beschreibt die unerwartete Begegnung mit dem Toten, der auf dem Bett im Schlafzimmer seiner abwesenden Vermieterin liegt. Im Gegensatz zur Kinderzeit, als ihn der Schreck lähmte, gelingt ihm die Flucht in eine Bar, die er „ohne den toten Mann nicht aufgesucht hätte“ (S.37).
Die Bekanntschaften, die er dort an diesem Abend macht, verändern sein Leben grundlegend. Er spricht von „..meine zweite Geburt oder die Erwachsenentaufe...“ (S. 36) Abschließend betrachtet „der sonderbare Erzähler“ (S. 38) die Rolle des Zufalls in der Natur. Ein Steinchen auf dem Gotthardt wird
zur Wasserscheide, „läßt mit kleinstem Ausschlag hier ans Mittelmeer, dort an die Nordsee fahren“ (S. 39). So viel Zufall „beleidigt uns“. (S.36) Im Rückblick auf das eigene Leben erscheint vieles, wenn nicht alles,  als selbst geschaffen und notwendig. Die Verworrenheit und die zufälligen Anlässe, die oft geringfügig, kurios oder komisch sind, werden geglättet und als geplant betrachtet.
Hanna Gekle interpretiert die Erzählung als autobiographische Schlüsselszene.  Ob das ohne Einschränkung aufgeht, scheint fraglich. Der Ich-Erzähler ist und bleibt ein Dritter und Fremder, was eine Distanzierung ermöglicht. Im August 1928 erscheint „Die Wasserscheide“ in der Frankfurter Zeitung. Ist sie Ausdruck der Trauer um den verstorbenen Vater? Blochs Vater stirbt 1926. Oder „eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vaterschaft“ (S. 599)? Blochs Tochter Mirjam kommt im April 1928 auf die Welt.
Beides hat ihn offensichtlich nicht besonders ge/bekümmert. Das Wort „Vater“ kommt in der Erzählung nur am Anfang vor, wenn die Zufälligkeit der Zeugung mit der Mutter erwähnt wird.
Wenn das Schlüsselerlebnis 1907 stattfand und 15 Jahre danach erzählerisch verarbeitet wurde, also 1922, dann sind diese Vermutungen Gekles schon zeitlich unmöglich.
Rückblende: 1908 promoviert Bloch bei Külpe.
Spätere Habilitationsversuche, zu denen ihn die Familie drängt, scheitern (wie beim befreundeten Walter Benjamin, dessen Trauerspielarbeit abgelehnt wird).
Es deutet sich an, dass eine Universitätskarriere schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist. Das ändert sich erst Jahrzehnte später nach dem 2.Weltkrieg, als Bloch einen Ruf an die Leipziger Universität erhält.
1914 erwähnt Bloch im Briefwechsel mit Lukács mit keinem Wort den Krieg. Klar, Offensichtlichkeiten müssen nicht beschrieben werden, aber so einschneidende Ereignisse?
Bloch erliegt nicht der Kriegsbegeisterung vieler Literaten, wie auch sein ehemaliger Lehrer Professor Simmel. Die Freundschaft der beiden zerbricht. Nachdem Simmel einen Ruf nach Straßburg angenommen hat, schreibt ihm Bloch: „Sie haben niemals eine definitive Antwort auf etwas gesucht, niemals. Das Absolute war Ihnen vollkommen suspekt und verschlossen, auch das Hinstreben zu einem Absoluten war Ihnen verschlossen. Heil Ihnen! Nun haben Sie es endlich gefunden. Das metaphysische Absolute ist für Sie jetzt der deutsche Schützengraben!“ (zitiert nach Zudeick, S. 39) Abgesehen von der Polemik markiert Bloch mit glasklaren Worten, was Simmel und ihn philosophisch trennt.
Er löst sich von den Systementwürfen und schreibt sich frei. Diese Entwicklung verfolgt Hanna Gekle anhand der Briefe an den Freund Lukács. Auf viele durchaus wichtige Einzelheiten, wie Eifersüchteleien, Streitigkeiten und die wiederkehrende Bitte um Geld gehe ich nicht näher ein.  So entsteht das Buch „Geist der Utopie“, eine Art Essaysammlung, mit der Ernst Bloch in Intellektuellen – und Literatenkreisen auf sich aufmerksam macht.  „Der komische Held“ Don Quixote bekommt in der ersten Fassung ein eigenes Kapitel (S. 55 – 77). Er spielt – wie Goethes Faust – eine wichtige Rolle für das Selbstbild seines Autors. Erstaunlich, dass Sancho Pansa, der Begleiter des Ritters mit keinem Wort erwähnt wird.  Im Gegensatz zu „Die Gestalt der unkonstruierbaren Frage“ wird es in die zweite Fassung des Werks nicht aufgenommen. Den meisten Raum beansprucht in beiden Fassungen die „Philosophie der Musik“.
1917 erscheint das Buch.
Januar 1921: Else von Stritzky stirbt.  „Das Gedenk- und Tagebuch“ schreibt Bloch handschriftlich mit „Spuren einer gewaltsamen Bearbeitung mit herausgerissenen Seiten“, „Es ist das Dokument eines Trauerprozesses, des Kampfes gegen Depression, Wahn und Suizidalität“(S. 598). Schließlich rettet er sich damit, indem er Else zur Heiligen stilisiert. Hanna Gekle wertet dieses Manuskript, das nur teilweise veröffentlicht vorliegt, für ihre Untersuchung aus. 
Nach einer kurzen Ehe mit Linda Oppenheimer, beginnt die Liebesbeziehung zu Karola Piotrkowska, die er später heiraten wird. Gleichzeitig schwängert er Frida Abeles, die im April 1928 die Tochter Mirjam auf die Welt bringt. Wenn ich mich richtig erinnere, wird er davon in einem Brief von Else Lasker -Schüler informiert.
Er besucht Mutter und Tochter, kümmert sich sonst aber nicht um die Erziehung. In „Geist, der sich erst bildet“ ( Spuren, S. 61 – 72) sieht Gekle „die genetische Rekonstruktion seiner psychischen Entwicklung.“ (S. 600)
Wieder das Motiv: „Merkte auch, daß ich taste, schrie, hörte aber nichts.“ (S. 61), das Wunder des Ichbewußtseins „... und ich spürte >>mich<< als den, der sich spürte, der heraussah, von dem man nie mehr loskommt... und der zuletzt einsam stirbt...“ (S. 64) An dem einsamen Tod ändert auch das rote Fenster nichts, das ihm bleibt bis zuletzt. Die Szene erinnert an die Icherfahrung Jean Pauls.
Der Erzähler betrachtet die Erinnerungen an Liebes- und Todeswünsche in der Pubertät kritisch. „Vielleicht stimmen diese Beziehungen für damals nicht (grade hieran erinnert man sich schwer genau, das hat zuviel Nachreife)“ (S.67)
Ein bemerkenswerter Satz! Wenn es um persönliche Erinnerungen geht, sollte man vorsichtig sein, vor allem, wenn sie in eine Erzählung verpackt daher kommen.
Die Briefe an Karola von 1928 – 1949 gibt Anna Czajka unter dem Titel „Das Abenteuer der Treue“ (Berlin, 2005) heraus, der offensichtlich nicht ironisch gemeint ist. Hanna Gekle fiel es schwer sie zu lesen, und ich pflichte ihr bei. Immerhin zeigt ihr das, was Bloch „seiner geliebten Kulm“ schreibt, wie er sich psychisch und sexuell entwickelt.
Bizarr und exotisch erscheint das Verhältnis zu Elisabeth Waldmann, einer Nationalsozialistin, das im Februar 1933 (!) beginnt und bis zum Juli dauert. Waldmann bringt ihm das Manuskript  von „Erbschaft dieser Zeit“ von Ludwigshafen in die Schweiz, wohin er vor den Nazis flieht. 13 Briefe von ihm an sie sind erhalten und befinden sich im Literaturarchiv Marbach.
Gleichzeitig packt Karola die Habseligkeiten der gemeinsamen Wohnung in Berlin, um Ernst in die Schweiz zu folgen. Nach einer Hausdurchsuchung war die Lage brenzlig geworden.
Eine Nationalsozialistin rettet also eines seiner Manuskripte. Später, auf dem Weg ins Exil in die USA, spielt Karola die Retterrolle für Mann und Werk. Auf diese Zeit geht Gekle nur kurz ein, von der Nachkriegszeit erwähnt sie den berühmten XX.Parteitag von 1956, als die Verbrechen Stalins in der damaligen Sowjetunion öffentlich zur Sprache kommen.
Der Philosoph widmet sich in den Jahren seines Exils in den Vereinigten Staaten dem Werk, das er in deutscher Sprache verfasst. Er denkt nicht daran, sich mit seiner amerikanischen Umgebung zu beschäftigen. Die englische Sprache erlernt er nur oberflächlich und überlässt  Karola den Broterwerb, die mit ihrer Arbeit das Überleben der kleinen Familie sichert. ( 1937 Geburt des Sohnes Jan Robert)
Psychologisch betrachtet, erschließen sich wichtige Begriffe der Blochschen Philosophie. Das bringt einen echten Erkenntnisgewinn.
Das Dunkel des gelebten Augenblicks entspricht dem Empfinden des Kindes das ungehört (unerhört) vergeblich nach  der Mutter ruft, die nicht antwortet.
Die Begegnung, Erfüllung, ja Erlösung wird in die Zukunft verschoben. Das Werk, das er schreibend verwirklicht, rettet ihn vor den unerträglichen Augenblicken und dem Wahnsinn. Daher die vehemente Abwehr des Nihilismus, des Nichts als fundamentaler Bedrohung seines Entwurfs. Relativismus und Agnostizismus finden keine Gnade vor den Augen des Parakleten. Hierbei handele es sich um geistiges Eunuchentum. In der Tradition von Hegel und Marx besteht er auf gesichertem Wissen, das als Kompass für erfolgreiches Handeln dient. Darauf beruht seine Philosophie. Man kann Hoffnung lernen.
Docta spes – gelehrte Hoffnung lautet eines seiner Schlüsselbegriffe.
Adorno bemerkt dagegen, Hoffnung sei kein Prinzip. Mag sein. Auf jeden Fall ist Hoffnung eine Haltung, die in schwierigen Lagen weiterhilft, wobei Kritiker und Spötter darauf verweisen, wie illusionär das sei. Vielleicht erklärt das auch sein Verwandtschaftsgefühl mit Don Quixote und Faust, zwischen deren Existenz (es handelt sich um literarische Figuren!) Bloch die seinige verortet. Schließlich zieht der Ritter der traurigen Gestalt ebenso wie Faust hinaus in die weite Welt. Dort will er sich durch bestandene Abenteuer seiner Dame Dulcinea würdig erweisen.
Warum er die Moskauer Prozesse in den 30iger Jahren verteidigt, während er im Exil in den USA lebt, erörtert Hanna Gekle ausführlich. Diese katastrophale Fehleinschätzung beschädigt sein Werk und Ansehen nachhaltig.
Sie argumentiert psychologisch. Schon als Jugendlicher sehnt er sich nach starken Vorbildern, die er in den großen Philosophen findet. Was liegt da näher als die Verehrung Stalins als politischer Vaterersatz?
Lenin widmet er den Spruch „Ubi Lenin, ibi Jerusalem“, worüber sich Ludwig Marcuse riesig aufregte. Der ernsthafte Denker versteht nicht den Spaß des Pfälzers Bloch an witzigen Sprüchen. Noch einer? Walter Ulbricht, dem mächtigen Staatsratsvorsitzenden der DDR, fehle der Sexappeal. Aber Stalin als Vaterfigur?
Auch dieser Aspekt kann eine Rolle spielen. Entscheidender scheint mir die  politische Solidarität mit dem stalinschen Terrorregime. Angesichts der faschistischen Bedrohung durch Nazideutschland schien ihm dies eine Frage von Leben und Tod zu sein, die keinen Kompromiss zulässt. Eine differenziertere Betrachtung der Lage bedeutete ein gefährliches Wanken, ja sogar Verrat an der Sache, die notfalls mit dem Tod geahndet werden muss.
Erst in der DDR erkennt er in den 50iger Jahren seine illusionäre Haltung, was den sogenannten realen Sozialismus betrifft. Als er 1956 von der SED kalt gestellt wird, reagiert er hilflos und ängstlich. Wieso passiert das ausgerechnet ihm, der doch immer kompromisslos für den Sozialismus war?
Richtig aufgearbeitet hat er das nicht (das  Buch von Ingrid und Gerhard Zwerenz: Sklavensprache und Revolte Der Bloch-Kreis und seine Feinde in Ost und West, Hamburg, Berlin 2004 gibt dazu Auskunft, zudem ist es eine Fundgrube für die DDR der 50iger Jahre). Das liegt auch daran, dass er politisch kein bedeutender Denker ist. Die psychologische Betrachtung führt in diesem Punkt nicht besonders weit.
Ernst Bloch gewinnt als Mensch, und zwar vor allem als junger Mann Profil und Kontur. Er wirkt nicht nur sympathisch, aber Hanna Gekle bleibt stets sachlich und fair. Zudem ist sie eine gute Erzählerin. Das macht die Lektüre zum Vergnügen.
Ernst Blochs Rufen wird bis zuletzt nicht erwidert. Konsequent endet das Buch: „ Mit diesem Schmerz blieb er allein.“ (S. 568)

Dank an Petra, der aufmerksamen Zuhörerin


Hanna Gekle: Der Fall des Philosophen Eine Archäologie des Denkens am Beispiel von Ernst Bloch, Frankfurt a. Main, 603 S., 2019

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Kommentare zu diesem Text

Sin (55)
(04.04.20)
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 AchterZwerg (05.04.20)
Der gut geschriebene Text wirkt auf mich streckenweise geradezu blasphemisch.
Das was Bloch tatsächlich bewirkt ("Das Prinzip Hoffnung") und ihn zur großen Liebe einer ganzen Generation gemacht hat, bleibt außen vor.
Und ja, der Messiasglaube ist bei ihm herauszulesen - das war wohl bei allen großen Utopisten und Sozialisten so ... ein Narr, wer Böses dabei denkt.
Trotzdem habe ich durch die Besprechung einiges über den Philosophen erfahren, das mir noch unbekannt war.

Dafür danke ich dir.

Kommentar geändert am 05.04.2020 um 07:19 Uhr

 Graeculus (24.05.20)
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