07_Notes on nationalism, George Orwell

Rezension zum Thema Ideologie

von  DavidW

07_Notes on Nationalism, George Orwell

Notizen zu Nationalismus. (1945)

I
Menschengruppen würden etikettiert.
Patriotismus sei demgegenüber etwas devotes.

Definiert einen weiten Nationalismusbegriff, der sich auch auf Religionen und Klassen erstreckt. Postuliert dabei unausgesprochen das "Liebesvorurteil" (irgendwo anders mal gelesen).
Das Mitglied der englischen Intelligenz, das mit dem Kommunismus sympathisiere, sei nicht gleichzusetzen mit einem Mitglied der kommunistischen Partei.
Überhaupt sei dieser Kommunismus zu jener Zeit sehr mächtig in Großbritannien gewesen.

Folgende Kategorien gälten für Nationalismus und seine Geister:
- Besessenheit.
- Wankelmütigkeit. Der Nationalist würde wechseln bei entsprechenden Reizen in die nächste autoritäre, nationalistische Bewegung.
- Überfordertsein. Diese äußere sich gerne in Geschichtsleugnung. "For quite six years the English admirers of Hitler contrived not to learn of the existence of Dachau and Buchenwald." Im selben Atemzug nennt Orwell dann russische "Konzentrationslager" derselben Zeit, ohne uns genauere Angaben zu machen - was uns Deutsche von heute wehtun dürfte, als unzulässige und unerträgliche Relativierung.

Orwell hatte ein großes Problem mit dem sowjetischen Kommunismus, und versucht, demgegenüber einen positiven, bürgerlichen Nationalismus zu definieren. Dann einen übertragenen Nationalismus. Dann einen negativen Nationalismus.
Zum übertragenen Nationalismus rechnete er auch Klassenbewusstsein, Pazifismus (der im zweiten Weltkrieg für Briten wie ihn anscheinend ein Problem gewesen ist) und "Hautfarbenbewusstsein".

Der Text endet mit einem langen Aufruf zur Selbstreflektion und meint, dass eine Überwindung solcher nationalistischen Gefühle einer moralischen Anstrengung bedürfe. Zu der nur wenige englische Intellektuelle, Literaten, damals aktuell fähig gewesen wären.

Ein Wiederlesen lohnt sich nur bei historischem Interesse. Es ist ein rechtsliberaler und auch tendenziöser Text, der Zionismus und Antisemitismus in einem Atemzug nennt, Kommunismus und Katholizismus unter Nationalismus subsumiert. In einer sehr klaren, vorandrängenden, unverschachtelten Sprache verfasst.
Die Antidiskriminierungsdiskussion von heute ist ganz wo anders, weiter und differenzierter.

II
Heute noch deutlich lesenswerter ist der zweite enthaltene Essay, "Antisemitism in Britain", vor allem die ersten Teile, so lange er Reportage und kulturhistorische Reportage ist. Die anschließende Interpretation wirkt auf mich (zum Glück) altbacken - heute ist der gesellschaftliche Diskurs weiter. Und wie gesagt anderswo. Die Interpretation kann aber gerne als diskurshistorische und kulturwissenschaftliche Grundlage geschätzt werden.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (10.05.21)
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