Brunnentage

Prosagedicht zum Thema Neuanfang/ -orientierung

von  Tula

das wetter lese ich soll richtig gut sein
für den monat der vermoderung da bricht
für einen flüchtigen moment sogar der schimmel als
option in meinen plan ich setz' mich rauf und gleite

ab. ich mach' mir den espresso heute doppelt so wie
sonst bloß reicht die kontextsensitive halbwertszeit
nur bis zur couch wo ich noch immer oben ohne
konversionen mit mir selber knote ich gedanken

los. ich stelle fest man kann ja froh sein dass man
nicht am kongo wohnt wobei der dreck der dort
vom abendbrot herumliegt jetzt der deibel holt und weil
mich unter ihm rein gar nichts treibt beschreibe ich die

wand. auf ihrem tristen monoton scheint mir fehlt
eine blüte vom magnolienbaum in rosa-weiß
ich ganz genau ihr lächeln bringt mir morgen wieder
licht und schon erglänzt in meiner hand die kugel





Anmerkung von Tula:

November 2018

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (30.11.21, 07:08)
Mittlerweile kann einem das Lächeln schon vergehen und der Eindruck stärkt sich, dass diese "Krise" niemals aufhören wird. Wie soll sie auch bei den Segnungen der Globalisierung ...

Liebe Grüße
der8.

 Tula meinte dazu am 30.11.21 um 21:12:
Keine Sorge, meine Liebe, bis 2030 schaffen wir das ...
Also dichten wir
Wir dichten, wir dichten
den neunfachen Fluch
dem Virus in sein Reime-Buch
wir dichten, wir dichten ...

LG
Tula

 harzgebirgler (30.11.21, 13:34)
selbst der beste wellenreiter
kommt auf der welle nicht weiter
die das virus ungebeten
längst erneut hat losgetreten.

lg
harzgebirgler

 Moja antwortete darauf am 30.11.21 um 14:27:
Du gräbst tief, hoch ziehst Du die Illusion, und morgen, ganz gewiss - 
     "around goes the happy machine" (Inger Christensen)

In diesem Sinne gestimmt
grüßt Moja

PS. Komisch, ich kann Dein Gedicht nicht weiter empfehlen, da fehlt was...

Antwort geändert am 30.11.2021 um 14:30 Uhr

 Tula schrieb daraufhin am 30.11.21 um 21:16:
Hallo Harzgebirgler
Schön wenn die Leser in einem 3 Jahre alten Gedicht noch immer einen Jetzt-Bezug finden. Keine Ironie, ich meine das ernst. An brunnen-tiefen Gründen mangelt es ja nie. Aber das Lächeln damals, dieses eine, ließ mich 18 Monate lang bei jeder Schlechtwetterlaune mit Frohsinn im Herzen zur Arbeit fahren. So war's ... 

LG
Tula

 Tula äußerte darauf am 30.11.21 um 21:17:
Hallo Moja
Wunderbares Zitat und passend zum Gedicht.
Dankend lieben Gruß
Tula
wa Bash (47)
(30.11.21, 17:57)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Tula ergänzte dazu am 30.11.21 um 21:24:
Hallo wa Bash
Ich mag sie ebenfalls. Was der deutsche Leser nicht wissen kann, sie ist mir hier auch versteckte Metapher für die Poesie im Schönen selbst. Daniel Faria, leider sehr jung verunglückt und nichtsdestotrotz einer der größten portugiesischen Dichter der Gegenwart, nahm sie sich als Leitbild in seinem kleinen Zyklus 'do ciclo das intempéries', ein wunderbares Werk, vor allem der erste Teil.
Dankend lieben Gruß
Tula
klausKuckuck (71) meinte dazu am 02.12.21 um 17:37:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Tula meinte dazu am 02.12.21 um 22:02:
Hallo Klaus
Brunnentage als Metapher, bereits Chiffre oder doch ein Tritt ins poetologische Fettnäpfchen, das mag in der Tat jeder für sich entscheiden. Meine Vorliebe fürs Metaphorische kennst du ja. Mit Hinweis auf den Monat der Vermoderung war es durchaus als November-Gedicht gemeint; weniger auf das Wetter selbst anspielend, sondern vielmehr auf dessen Wirkung aufs Gemüt, die 'seelische Verinnerlichung' bzw. der emotionale Sturz in einen Brunnen: kalt, dunkel, feucht usw.
Das ewige Wörtchen 'grau' habe ich bewusst vermieden und klanglich auf das Monotone gesetzt, also mit recht zahlreichen o-Wiederholungen, um die Null-Bock-auf-Nichts (wer will bei solch einer Laune schon die Küche aufklaren) und sinnlos-Grübel-Trübsal-Stimmung, inhaltlich hoffentlich erlesbar, auch damit zu unterstreichen bzw. zu ironisieren.

Dennoch gibt es ein Licht, zumindest wenn man nach oben oder eben auf den nächsten Tag schaut. Ist die Lächelnde vielleicht auch Ursache für Lyrichs Durchhänger, seine unerreichbare Lorelei oder die Prinzessin, welche er als hässlicher alter Frosch gern mit einer glänzenden Kugel beeindrucken würde? Vielleicht reicht allein der Gedanke daran, dass diese (Kugel) für ihn selbst aufleuchtet und wieder Hoffnung verleiht? Sie wird lächeln, soviel ist gewiss, und wer sich den Sinn fürs Schöne bewahrt ... nun, der räumt dann am Abend sogar den Tisch ab und stellt das Geschirr frohen Mutes in den Spüler.

So in etwa meine eigenen Gedanken zum Thema. Ein bisschen Bauchnabel-Betrachtung mag sicher dabei sein  :ermm:

Wenn's nicht alle erreicht, ist das kein Problem. Wenn mich irgendwann kein Leser mehr versteht, könnte es daran liegen, dass ich den Weg zu dichterischem Ruhm und Ehre gefunden habe  :D

LG
Tula

.

Antwort geändert am 02.12.2021 um 22:04 Uhr
klausKuckuck (71) meinte dazu am 03.12.21 um 01:32:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram