Atlantic Crossing (Filmkritik)

Essay

von  Quoth

Norwegen ist nicht gerade als großes Filmland bekannt. Schweden, naja, auch Dänemark, sogar Finnland – aber Norwegen? Und nun hat es mich mit der achtteiligen Serie „Atlantic Crossing“ voll erwischt. Warum bin ich so ergriffen? Berührt? Nun ja, die Schauspieler sind gut, vor allem einer: Kyle MacLachlan spielt den Franklin Delano Roosevelt. Ich kannte MacLachlan als jungen Ermittler in der Serie „Twin Peaks“ von David Lynch – aber jetzt als ergrauter, schwer behinderter Staatsmann ist er einfach Klasse. Seit ich die Serie gesehen habe, weiß ich wie Roosevelt aussah – und auch Eleanor, seine Frau (Harriet Sansom Harris). Die Geschichte ist eigentlich eine Soap: Die norwegische Königsfamilie muss vor den Deutschen 1940 fliehen; König Haakon VII. (Sören Pilmark) und sein Sohn Olaf (Tobias Santelmann) fliehen nach London, Olafs Frau Märtha (Sofia Helin) mit den vier Kindern flieht in die USA, wo sie bei Präsident Roosevelt Aufnahme findet und zeitweise  im Weißen Haus wohnt. Zwischen dem Präsidenten und Märtha entwickelt sich eine zärtliche Freundschaft, die auch nicht zerbricht, als Märtha sich bei Roosevelt verstärkt für Norwegen einsetzt. Roosevelt ist fest entschlossen, sich aus dem Krieg herauszuhalten, aber England fleht ihn um Waffen an – und er entscheidet sich, England Waffen zu leihen oder zu vermieten (Lend-Lease-Act), und als die Japaner Pearl Harbor angreifen, tritt er erzwungenermaßen in den Krieg ein. Das Strahlen in den Gesichtern der Norweger – endlich ist Amerika dabei! Natürlich stürzt sich die Klatschpresse auf Roosevelts häufige Treffen mit Märtha, und Olaf in London beginnt daran zu zweifeln, ob sie Norwegens Interessen nicht auf Kosten ihrer ehelichen Treue bei Roosevelt vertritt. Diese Geschichte erzählt die Serie „frei nach wahren Begebenheiten“. Ich habe nicht nachgeprüft, wie frei – und ob das Emotionale nicht dicker aufgetragen wurde, als es je war. Es interessiert mich offen gestanden auch nicht. Die Geschichte stimmt „in sich“ und belebt den zweiten Weltkrieg aus einer mir ganz unbekannten Perspektive. Und sie ist durchtränkt vom Glauben daran, dass auf die Demokratie der Vereinigten Staaten im Notfall Verlass ist. In diesem Glauben bin ich aufgewachsen, er hat gelitten unter der Ermordung der Kennedys und von Martin Luther King, unter dem Vietnamkrieg und am heftigsten jetzt unter Trump. Aber in dieser Serie wird er noch einmal glaubwürdig beschworen, ja, ich möchte fast sagen: Wer meine Generation verstehen will, sollte diese Serie anschauen. (Streamen in der ARD Mediathek nicht mehr möglich, ab März auf DVD)




Anmerkung von Quoth:

Mit herzlichem Dank an Dieter_Rotmund. Sollte eigentlich eine Kolumne werden ...

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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (06.02.22, 14:01)
Jetzt kenne ich diesen Film nicht, da er nicht so sehr auf meiner Welle liegen dürfte. Aber Dein Essay ist gut geschrieben.

Sei herzlich gegrüßt
Alma Marie
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