ABER EINES MORGENS
Leise setzt ein früher Schneefall
spärlich berührt er und scheu
grünes Gras, buntes Laub
und die letzten Blüten der Rosen -
Du stehst am Fenster
siehst Farben und Wege
des Parks sich verlieren,
die Spuren des Sommers...
Aber eines Morgens
wenn du aufwachst
strahlt die Welt ringsum weiss
und ist neu – und sehr schön.
*
Leise naht sich das Alter
zuerst ganz behutsam
streicht es über den Haar
deine leuchtenden Augen -
Du stehst vor dem Spiegel
siehst Falten im Antlitz
langsam sich bilden,
die Spuren des Lebens...
Aber eines Morgens
wenn du aufwachst
ist dein Haar weiss
und das Dasein verändert...
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L A N G E ...
Lange
lag brach schon der Acker
es reifte kein Korn mehr
es sang keine Sense
es tanzte kein Falter
zuletzt auch versiegten
Blutstropfen des Mohnes
versickerten langsam – versiegten
Jedoch eines Tages
kam Einer gegangen
der führte sicher die Pflugschar
und warf mit dem Schwung
junger Arme die Saat aus.
Da regten sich machtvoll
lebendige Keime und kämpften
empor sich und siegten.
*
Lange
schlug müde ein Herz nur
im Rhythmus des lähmenden Alltags
kein Lied mehr entperlte
verschlossenem Munde
die Rufe verstummten
die Tränen gefroren
erstarrt und versiegelt.
Jedoch eines Tages
da drehte der Wind sich
und wehte voll Wärme -
er stiess eine Tür auf
und machte den Flügel
des Herzens vibrieren
immer schneller und stärker
bis sich löste das Siegel.
[Undatiert aus den nachgelassenen Papieren einer längst vergessenenen, regionalen Dichterin; hier erstmals veröffentlicht.]