Nach Le Havre vielleicht mit Blaise Cendrars

Prolog zum Thema Feigheit

von  eiskimo

Verdammt, du bist jetzt dreiundzwanzig

und kannst dich nicht erinnern an was auch

du hast ja nichts erlebt etwa auf dem Meer 

und in den Bergen oder im Zug nach Westen


bei kühnen Ingenieuren und Kapitänen und

Auswanderern die ohne alles losgezogen sind

ohne alles und manche mit gar nichts und

die waren sechzehn oder noch verwegener

und die haben alles hinter sich gelassen mit


Furcht vor gar nichts und voller trauriger

Erinnerungen und voller heftiger Wunden

in den Bergen oder im Zug nach Westen und

die Wunden waren noch wach da auf dem Meer

wenn die Kapitäne lachten und schrien und


wenn die Möwen noch mehr lachten schon weil

du ja noch zu Hause warst und gezögert hast

und  auf die Rückkehr der Auswanderer hofftest

aber jetzt bist du dreiundzwanzig.




Anmerkung von eiskimo:

Inspiriert von Blaise Cendrars, den ich duch Zufall endeckte, irgendwo im Zug nach Westen

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Kommentare zu diesem Text


 lugarex (13.08.22, 11:38)
ich war 25!
Nice weekend Luga

 IngeWrobel (28.06.23, 00:47)
Ganz hinten in meiner Erinnerung weiß ich, dass ich Blaise Cendrars gelesen habe und ihn gut fand. Vielleicht fand ich ihn gut, weil er gerade in meinem Umfeld angesagt war – von Leuten, die mehr Ahnung von Literatur hatten, als ich? 
In meinem Bücherschrank finde ich seinen "Moloch" und blättere zur Übersicht seiner anderen Werke. Bei den Titeln ZIGEUNER-RHAPSODIEN und KLEINE NEGERMÄRCHEN muss ich grinsen und frage mich, welche Titel für eine Neu-Übersetzung wohl deutsche Übersetzer wählten, um nicht gegen die "political correctness" zu verstoßen. Bei der deutschen Übergründlichkeit sicher für einige ein existenzielles Problem ... 
Entspannte Grüße in die Nacht ... und: gerne gelesen, Deinen Text. 
Inge

 lugarex meinte dazu am 28.06.23 um 05:34:
Die Übersetzer könnten ev. zu einer List greifen und nach Franz Liszt Rhapsodien die Neuübersetzung überlisten als "ungarische Rhapsodien" (ob "Dur" oder "Moll" ist Wurscht) zu verkaufen probiert, oder?

mit den Märchen wird's schwieriger... ;) (vielleicht Bizet's Carmen?)

elgé luga

 IngeWrobel antwortete darauf am 28.06.23 um 08:26:
Wie gut, dass ich keine Übersetzer*in bin!  8-) 

Ich wuchs mit dem Sarotti-Mohr auf und sang: "Ce - a - effeff - e - e, trink nich soviel Kahaffee; nicht für Kinder ist der Tü-hü-hürkentrank, schwächt die Nerven, macht sie bla-ha-hass und krank, sei doch kein Muselmann, der das nicht lassen kann." 
Kinder werden erst durch Erwachsene zu Rassisten. Die sprachlichen Einschränkungen nehmen dem unbefangenen Schreiber*in ( :( ) die Authentizität und Leichtigkeit ... und manchmal die Lust, überhaupt für andere lesbar zu schreiben. 

Deine Anregungen in Ehren, aber die "Carmen"-Brücke erschließt sich mir nicht.  :ermm: 

Ich finde wieder Grillparzer bestätigt: "Ein Dichter lässt sich nicht übersetzen." 

Ein schmunzelnder Morgengruß 
von der (Pingel-) Inge  :)

 eiskimo schrieb daraufhin am 28.06.23 um 20:59:
Danke, dass Ihr diese Tirade gegen den zögerlichen Jungmann so ausführlich würdigt
 Ich freue mich auch für Cendrars
LG
Eiskimo
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