Gladiatoren der Moderne (Moritat)

Ballade zum Thema Mord/Mörder

von  Tula

Hereinspaziert und füllt die Ränge!
Beim wöchentlichen Schaukampf spritzt
es warm und herzlich in die Menge.
Ein Wort, ein Lächeln, alles sitzt
und bringt den Gegenmann zur Strecke.

Zwei Konkurrenten, die sich hassen:
Der eine – Meier – optimiert 
mit seinem Lieblingsschwert: Entlassen!
den Schmidt, der fleißig produziert,
d.h. als Chef für solche Zwecke.

Den ersten Schlag verabreicht Meier
mit Excel-Lenz: die rote Zahl
trifft wie ein Huftritt in die Eier.
Zum Glück sind die bei Schmidt aus Stahl;
drum glotzt er nur verstockt zur Decke.

Der schlägt zurück, mit Argumenten,
so wuchtig wie ein Morgenstern:
„Es fehlt an Bonus und Talenten
und kompetenten Managern!“
Nun röchelt Meier in der Ecke

und streckt die Lanze der Bilanzen.
„Da hilft kein Augenschutz, kein Netz:
Die Firma braucht: Verkauf, Finanzen,
kein proletarisches Geschwätz!“
Sein kalter Blick verrät: Verrecke ...

Die beiden scheuen keine Finten:
Diplom, Erfahrung und ‚kein Recht‘.
Man sticht von vorn und tritt von hinten.
Der erste zweifelt am Geschlecht.
Der zweite zeigt es ihm: Komm lecke ...

Schon dringt die Schlacht in die Arena:
IT, Versand, die Qualität,
ja, selbst die Pförtnerin Elena,
ein jeder schimpft, verdrischt und schmäht
und macht den anderen zur Schnecke.

Das Morden ist nicht mehr zu halten.
Verzweifelt wedelt Kaiser Franz
mit seinem Daumen. Die Gewalten,
die er hier rief, sind gar und ganz
kupiert wie eine Gartenhecke.



Anmerkung von Tula:

veröffentlicht in der Anthologie "Neue Balladen" der Edition Sonnenschirm, 2022, ISBN 978-3-9819-9638-8

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Kommentare zu diesem Text

lyrikPower (84)
(05.02.23, 02:00)
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 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 10:21:
Moin mein lieber
Eigentlich ja nur eine nicht unbekannte Szene kollektiver Unfähigkeit in gewissen Unternehmen. Wenn der Laden nicht läuft, werden Schuldige gesucht anstatt der Sache wirklich auf den Grund zu gehen. Wenn sich sich dann die entscheidenden Protagonisten vor versammelter Mannschaft so bekriegen wie im Gedicht, sollten die Angestellten besser das Weite suchen. Die Firma ist verloren.
Unterschwellig noch der 'Klassenkampf' zwischen Produktion und Finanzen. Den Verkauf ließ ich hier aus strukturellen Gründen mal raus, gehört aber zum Kampfgeschehen. Die beschweren sich gern, dass die Produkte nichts taugen oder zu teuer sind, die Produktion behauptet, dass man ohne Eier keine Omelettes macht, die Finanzen kommen als erstes zum Schluss, dass sich mit Kostensenkungen die Probleme wie von selbst lösen. Obendrein ist das oberste Management inkompetent und schaut nur hilflos auf die Streithähne. Im Beispiel hier sollte der Kaiser auf der Tribüne der Arena (meeting room) sich vielleicht von beiden trennen, Meier und Schmidt. Persönliche Zweikämpfe dieser Art sind gewiss keine Seltenheit, aber absolut destruktiv.

Nun wollte ich natürlich keine Abhandlung schreiben, sondern gewissermaßen eine 'Dilbert'sche Moritat. Hauptsache es unterhält.

Dankend lieben Gruß
Tula

Antwort geändert am 05.02.2023 um 10:25 Uhr
Taina (39)
(05.02.23, 04:35)
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 Tula antwortete darauf am 05.02.23 um 10:27:
Moin Taina
In summa: wenn jeder jeden zur Schnecke macht, am besten schnellstens das Schlachtfeld verlassen. Die Sache ist verloren.

LG
Tula
Taina (39) schrieb daraufhin am 05.02.23 um 11:35:
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 Tula äußerte darauf am 05.02.23 um 12:15:
Hallo Taina
Es ist in der Regel beides, für die einen der 'Kampf nach oben', für andere die Angst, an Bedeutung und 'ihre Stellung' (im weiteren Sinne) zu verlieren. Menschliche Schwächen, die in stark hierarchischen Strukturen besonders schnell zu Geltung kommen.
Am Ende hat hier Kaiser Franz die Schuld. Er begreift's nur nicht.

LG
Tula
Taina (39) ergänzte dazu am 05.02.23 um 14:46:
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 harzgebirgler (05.02.23, 11:32)
hallo tula,

der mensch hat so viel dreck am stecken
und auf dem kerbholz derart viel
die erde säh' ihn gern verrecken
und schärft die waffen fürs endspiel -
dem tode ist er eh geweiht
weil sie auf dauer nichts verzeiht.

lg
harzgebirgler

 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 12:37:
Hallo harzgebirgler

Der Mensch als Individuum
benimmt sich meistens ziemlich dumm.
Jedoch als Masse, in der Herde,
noch schlimmer, Krebs und Pest der Erde.

und die Moral der Moritat:
Was schon im Kleinen nicht gelingt,
im Großformat nichts Bessres bringt.

LG
Tula

 niemand (05.02.23, 11:42)
Diese Ballade spielt sich bei erster Betrachtung in einer Firma ab. Darin bekämpfen sich einzelne karrieregeilen Typen, gönnt ja einer dem anderen nichts, aber nicht weil der Einzelne schlecht ist, sondern weil man sich im Kampf in die oberen Etagen so verhält. Es kann ja nicht jeder auf dem Chefsessel sitzen, auch wenn es alle gerne hätten, also Ellebogen raus und mit allen Finten eines Krieges ran an den "Feind". Und hier denke ich sagt das Wort Krieg alles, denn wie in einer Firma so verhält es sich auch in der Welt. Doch da spielen nicht die Interessen einzelnder Angestellter eine Rolle, sondern einzelner Länder und Kontinente. Wobei natürlich die Führer der Länder sichtbar sind, sich scheinbar im persönlichen Sinne bekämpfen, aber man weiß, dass hinter ihnen unzählige Gruppen- und Grüppcheninteressen eine Rolle spielen. Jede Gruppe möchte ihre Ziele verwirklichen. Kann man aber nicht, denn sonst geht unter Umständen das Ganze (Firma wie Welt) unter. Eine kluge Lösung wäre, wenn man das Gesamte im Blick behielte. Das setzt aber reife Menschen voraus, das setzt voraus, dass Einzelne ihre Interessen hinter das Wohl der Ganzheit stecken. Einer Ganzheit an welcher sie auch beteiligt sind und mit der sie untergehen können, wenn diese untergeht. Und das mach mir mal einer vor in einer Welt wo Gemeinsamkeit einen Dreck wert ist, wo das EGO und dessen Freiheit so lange gepredigt wurde, dass es sich jedes Recht auf jeden Selbstnutz nimmt. Und so knallt es hier und dort, bis alles letztlich zusammenfällt. Solange es aber nur hier und dort knallt, gibt es immer noch
eine Arena (besonders im Internet) wo sich Gaffer zusammenfinden. Denn so lange der eigene Hintern geschützt ist, kann man noch zu einem Amüsement finden. Vielleicht sogar, weil man selber auch mitmischen möchte (gelangweilt, übersättigt, wohlstandsgeschädigt?) Eigentlich was das schon immer so, hatte nur andere Formen und es wird auch weiterhin so laufen. Allem Idealismus zum Trotz. Kann sein ich liege hier in der Interpretation falsch, das will ich keinesfalls bestreiten. Gut geschrieben, Deine Ballade, wenn auch ein wenig zu gewollt,
sprachlich, zu "klompliziert" ;) 

LG niemand

 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 12:22:
Hallo niemand
Das Schlachtfeld auf jeden Fall die Firma, wobei gesamtgesellschaftliche Extrapolationen natürlich genauso gerechtfertigt sind. Immerhin geht es um ganz normale Menschen, gewissermaßen um uns alle.


Das setzt aber reife Menschen voraus, das setzt voraus, dass Einzelne ihre Interessen hinter das Wohl der Ganzheit stecken.

Das trifft es zusammenfassend sehr gut. In jeder Organisation gibt es ein gemeinschaftliches Interesse, während das Individuum seine ganz persönlichen hat. Diese unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer leicht und eine Frage der Kultur. Im Großen wie im Kleinen. 

Dankend lieben Gruß
Tula
Teolein (70)
(05.02.23, 11:51)
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 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 12:28:
Moin Teolein
Ich will es mal so formulieren: es steht im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass die Bayern endlich mal nicht Erster werden  8-)

Aber auch das hat durchaus seinen ernsten Hintergrund. Der Mammon im Überfluss  schadet dem Fußball, Kein Wunder, wenn die deutsche Elf keine Achtel-Finale mehr erreicht. 

LG
Tula
lyrikPower (84)
(05.02.23, 15:25)
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 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 21:17:
Hallo
Als schlichte Moritat will ich den Bogen der Interpretation nicht unbedingt zu weit spannen, aber genau genommen lässt sich (in einem vereinfachten philosophischen Ansatz) die Geschichte der Menschheit auf der Basis der beiden grundsätzlichen Kräfte des Ego und des gemeinschaftlichen Handelns erklären. Der Einzelne gewinnt am Ende aber eher selten, weshalb ich hoffe, dass mit uns noch nicht alles verloren ist ...

Zum Stil: in der Tat habe ich hier bewusst auf die übliche Bänkelstrophenform verzichtet. Ich dachte an ein Schauspiel, wie in der Arena halt, suspense und hin und wieder ein Schlag. Es mag etwas umständlich klingen, gewiss.

Wünsche für eine sonnige Woche
Tula

 AchterZwerg (05.02.23, 16:00)
GroßArtig, Tula! :)

Derzeit gibt es ja mehr Spiele als Brot, dafür haben "wir" uns aber auf einen Krieg geeinigt, der widerlicher nicht sein könnte.
Der Böse steht immerhin fest und mit ihm eine Hierarchie der ganz kurzen Wege.
(Gut, dass wir die Guten sind und insgesamt nur Gutes zu erwarten haben).
Das Geld fließt nach oben und nach unten und manch Kleinrentner sagt sich: "Eigentlich geht es mir jetzt besser als vorher, habe noch nie viel Energie gehabt ..."

Beim Fußball ist natürlich alles ganz anders, obwohl auch dort die Lichtgestalten allmählich verdimmen.

Eine wunderbare Ballade. Das sagte ich aber bereits . <3 <3

 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 21:22:
Hallo lieber 8er
An 'echten Krieg' dachte ich hier weniger. Aber jenseits von Gut und Böse, auf welcher Seite auch immer, der kleine Mann muss es büßen. Hier die Belegschaft, die irgendwann auf der Straße sitzt, während Meier und Schmidt mit ihrer Abfindung noch etwas besser über die Runden kommen.

Dankend lieben Gruß und eine schöne Woche
Tula

 Didi.Costaire (05.02.23, 16:37)
Hallo Dirk,

das ist in der Tat ein Schlachtfeld und du hast es nicht bloß versiert, sondern geradezu excellent beackert!

Schöne Grüße,
Dirk

 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 21:26:
Hallo Dirk
Ich bin halt ein geübter Zuschauer  :D
Nein, ach was, in unserer Firma läuft es anders. Bloß gut.

LG
Tula

 Saira (05.02.23, 19:00)
Wenn das Arbeitsklima durch einen übermäßigen Konkurrenzkampf und durch Mobbing vergiftet wird, leiden die Schwächeren bzw. die Mobbingopfer unter Ängsten, Erfolgsdruck und Stress. Sie können psychisch schwer erkranken.  
 
Teamarbeit? Fehlanzeige, wenn jeder nur an sich selber denkt, Lob nur für sich beanspruchen will und dafür den verhassten Konkurrenten auf jede nur mögliche Weise Schaden zuzufügen versucht. Manch ein Arbeitnehmer nimmt sich aus Verzweiflung das Leben.
 
Eine Ballade, die auf mich sehr eindringlich wirkt.
 
Liebe Grüße
Sigrun

 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 21:32:
Hallo Sigrun
Gewiss, die Statistiken zum Thema burnout lassen wenig Zweifel. Motivation und Erfolgsdruck sind eben nicht dasselbe, von Mobbing u.ä. mal ganz abgesehen. 

LG
Tula

 GastIltis (05.02.23, 19:27)
Die Loge hab ich eingenommen.
Ich schreibe für die Zeitung „Blatt“.
Es hat um sechs Uhr rauszukommen,
dass jeder was zu lesen hat!
Und zwar das Wichtigste in Farben.

Wir sehen hier das Schattenboxen,
den Kampf um Schatten oder Licht.
Wer umfällt, zählt gleich zu den Ochsen,
wer stehen bleibt, natürlich nicht!
Die Sanitäter müssen darben.

Dem Leser liest gern von Schikanen
von dem, der steht, laut Kurzbericht,
der Autor kennt auch schon die Namen,
zwei „Damen“ klagten leider nicht,
man will ja nichts, was schläft, noch wecken …

Und dann der Umgang mit den Frauen,
erst der Betriebsrat, dann der Boss,
so kann man niemandem vertrauen.
Und dann stets auf dem hohen Ross.
Und immer nach der Decke strecken!

Die Spiegelfechter mit den Degen,
sie stecken sich die Taschen voll.
Der eine schiebt sie voll bei Regen,
der andre voller Alkohol.
Sie sind gemachte Beutelschneider!

Jetzt kommen noch zwei Influencer,
die Retter vor und mit dem Herrn.
Die umgedrehten Insolvenzer,
Sie kommen, um sie einzusperrn:
Indes, mein „Blatt“, es drängt mich: Leider!

 Tula meinte dazu am 05.02.23 um 21:36:
Hallo Gil
Welch schöneres Lob kann ein Dichterlein bekommen, wenn er einen anderen inspiriert. Habe mich herzlich amüsiert  :)

Dankend lieben Gruß und viel Glück beim "Blatt"
Tula
Agnete (66)
(06.02.23, 11:05)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Tula meinte dazu am 06.02.23 um 23:11:
Hallo Agnete
So ist es wohl. Wir sind halt irgendwo soziale Bestien 

Dankend lieben Gruß
Tula
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