Überschwemmungen

Beschreibung zum Thema Tragik

von  uwesch

Dieser Text ist Teil der Serie  LEBENSUNWÄGBARKEITEN (Prosa)

Zunächst segeln die wenigen Menschen, die sich noch auf die Straße wagen, mit ihren Wetterjacken über den Gehsteinplatten dahin. Sie werden von dem sich anbahnenden Sturm und dem sich stetig steigernden Regen vorangetrieben. Mit zunehmender Gewalt des Windes hilft kein Manövrieren des Schirmes mehr, gänzlich durchnässt zu werden.
Dann bricht das Unwetter mit brachialer Gewalt über die Stadt am Meer herein. Die Gehwegplatten verschwinden unter steigenden Wassermassen. Die Menschen versuchen noch schnell nachhause zu kommen. Diejenigen, die es nicht mehr schaffen, flüchten in offene Hauseingänge. Einige werden von umstürzenden Bäumen oder losgerissenen Dachziegeln schwer verletzt oder gar erschlagen. Autos werden von den ersten größeren Flutwellen des Ozeans, die die Kaimauern locker überspringen, einfach fortgespült.
Bei den meisten niedrigen Flachbauten dringt der Regen durch Dach und Decke. Die aufgestellten Behälter fließen schnell über, sodass die gemusterten Teppichböden vor Nässe gurgeln. Die Besitzer von elektrischen Wasserpumpen sind zum Zuschauen verdammt, weil der Strom inzwischen ausgefallen ist.
Teilweise werden die Leichtbaudächer komplett vom Sturm abgedeckt. Die Nordstadt ist von der Südstadt durch den großen Fluss getrennt. Nur selten finden Menschen freiwillig den Weg über die Brücke zum anderen Stadtteil. Jetzt ist keine Grenze mehr zu sehen. Die ganze Stadt hat sich in eine gespenstische Wasserfläche verwandelt, aus der nur noch Dächer, Hochhäuser, zerzauste Baumkronen und Masten herausragen.
Die einzigen Menschen, die nichts verloren haben, sind einige Obdachlose aus der Nordstadt, die ihr Bündel gegriffen haben und sich rechtzeitig in hohe Sozialbauten flüchten konnten. Einige Alkoholisierte, die ihren Rausch unter Brücken am Fluss ausschliefen, verloren allerdings ihr Leben.



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