Impressionen eines Neumitglieds im Tennisclub

Glosse zum Thema Besessenheit

von  uwesch

An einem Freitagmorgen gegen 10.30 Uhr spielten einige Rentnerinnen und Rentner Tennis im Doppel auf der Anlage des TC Rot-Weiß-Waldkirch im Schwarzwald. Es war ein kühler Tag mit tief liegenden Wolken. Ich nahm den hart geschlagenen Ball von K. im 45 Grad-Winkel in Empfang. Der gelbe Filz peilte einen neuen Höhenrekord an. Er stieg und stieg und verschwand schließlich in einer schwarzen Wolke, die sich unheilschwanger vom Hausberg, dem Kandel löste. Sie gab den Ball nicht wieder her.

Ich beschloss in Zukunft die Bälle flacher zu halten, denn sonst könnte das auf die Dauer teuer werden. So wurde ich zum Experten für Netzküsser. Im besten Fall mit Abrollen des Filzes auf der anderen Seite, so dass die Gegner ihn nicht mehr erreichen konnten. Zum Schein musste dann eine Entschuldigung abgesondert werden, obwohl doch Herz und Hirn wegen des gewonnenen Punktes frohlockten.
Doppelpartner L. rief häufig: „Den musst du töten!“

Er meinte natürlich den Ball, nicht den Gegner, der von mir verfehlt wurde. Neben ´Scheiße`, dem am häufigsten fallenden Ausdruck auf dem Platz, war das Töten als Hinweis sehr verbreitet. Das ermutigte mich, mal einen Ball mit brachialer Gewalt flach hinüber zu schmettern. Der geriet jedoch zu hoch und traf unfairerweise den Kopf meines Gegenüber Karl. Der gelbe Filz hinterließ eine Beule auf der Stirn, doch die Brille blieb verschont.
Auf Anraten der vielen Experten für effektives Spielen lernte ich Sicherheitstennis kennen, was heißt: Hauptsache der Ball landet im gegnerischen Feld und wird dort möglichst verfehlt oder verschlagen. Im Übrigen spielen die Senioren fast alle in den sogenannten Medenspielen, Wettkämpfe mit anderen Vereinen, wo sehr ernsthaft um Punkte und Siegerehren gerungen wird. Da geht es häufig um das Abwarten eines Fehlers der Gegner, so wie Lehrer darauf warten, dass die Schüler Fehler machen.


Wenn mal umstritten war ob der Ball im AUS oder im Feld landete, dann wurde diskutiert und das Umfeld des vermeintlichen Aufpralls genauestens analysiert. Es ging immerhin um die Qualität des Lebens. Wer verliert denn schon gern?


Meistens spielen Männer und Frauen auf getrennten Plätzen. Manchmal kommt es auch zu einem Mixed, bei dem dann gemischte Paare im Doppel gegeneinander antreten. Dabei geht es in der Regel etwas friedlicher zu. Es sei denn es fallen frauenfeindliche Sprüche. Den gelben Filzern ist das allerdings egal.
Die Dame A. hatte eine besonders charmante Form gefunden, um ein Aus in ihrem Feld zu begründen. Sie sagte dann: „Der war zu viel draußen!“ oder „Der war zu wenig drin.“

Dem Filzer war auch das wurscht. Den Spielern und Spielerinnen nicht immer, obwohl dem Charme dieser Aussagen nicht viel entgegenzusetzen war. In seltenen derartigen Grenzfällen von fraglichen Linienberührern wurden Gentlemänner zu blutrünstigen Löwen und Gentlefrauen zu meckernden Ziegen. Aber im Großen und Ganzen ging es doch fair zu.
Manchmal war es auch sehr witzig und es wurde viel gelacht. Z.B. sagten die Damen E. und C. oft „Hei der Blitz“, wenn wieder mal ein scharfer Filz des Gegners aufgrund nachlassender Spritzigkeit läuferisch nicht erreicht wurde. Und das kam öfter mal vor, denn Rentnerinnen und Rentner können nicht immer so schnell wie in jüngeren Jahren.

Wenn die vielen Bandagen an Knien, Handgelenken, Hüften und wer weiß wo noch ihre Versprechen halten, dann wird munter möglichst viele Jahre weitergedroschen.



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (26.05.23, 09:45)
Eine eher harmlose Glosse, ich habe da von Tennisspielen schon schrägere Sachen gehört. Aber sehr flüssig geschrieben, eine runde Geschichte mit schönem Lokalbezug.

 uwesch meinte dazu am 26.05.23 um 10:21:
Manchmal kann es auch eskalieren. Aber dann wird eher der Schläger wütend auf den Boden geknallt, sodass er zerbricht oder mindestens die Bespannung hinüber ist.
Dank für Deine Empfehlung und LG von Uwe

Antwort geändert am 26.05.2023 um 16:22 Uhr

 harzgebirgler (28.06.23, 18:35)
zu tennis fehlte mir stets der bezug
doch als björn borg einst noch die bälle schlug
konnte ich davon sehen kaum genug! :D lg vom harzer

 uwesch antwortete darauf am 28.06.23 um 19:06:
Es ist nie zu spät. Hier in Waldkirch spielen die alten Herren und Damen Rentnertennis. Da reicht eine etwas langsamer Laufart hinter den Bällen her und das hält fit. Ich habe sehr spät mit dem Tennisspielen angefangen und es macht mehr Spaß als Wandern.
Danke Dir für die Belobigungen und LG Uwe
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