Das Meeting oder Kakofonie auf dem Hühnerhof

Glosse

von  uwesch

Heute tagt der jährliche Hühnerrat des Hofes „Pick-Up-Zum-Goldenen-Weizenkorn“, der am Rande des Feldes liegt, das zwecks natürlicher Stickstoffzufuhr mit Lupinen bepflanzt wurde.
Oberhenne Tina eröffnet das Palaver. Unruhe bei den Althennen, die keine Eier mehr legen, und den Hähnen, die keine Hühner mehr befruchten können. Sie sitzen auf der Stange für das alte Federvieh und schauen auf die anderen herab.
„Ruhe, jetzt rede ich.“
„Ja Tina, wir lauschen deinem Tanz der Worte“, erschallt es im Gegackerchor.
„Mir sind Vorschläge zu Ohren gekommen, dass einige von euch etwas ändern wollen - hier bei uns im Hühnerhof.“
„Ja, Exzellenz“, meldet sich Glucke Berta, ich bin auch der Meinung nach zehn Jahren unseres Daseins hier, dass Änderungsbedarf besteht.“
Gockel Sweaty erklärt, dass neue Junghühner in die Regeln des Hofes besser eingeführt werden müssen.
Hahn Rocko gackert dazwischen: „Es gibt viel Wichtigeres. Wir sollten erst mal diese lästige Scharrerei abschaffen. Meine Krallen sind schon sehr unansehnlich geworden. Ich habe davon gehört, dass es jetzt Hühnerpflüge gibt, mit denen man die harte Erde bei Trockenheit leichter aufreißen kann. Zwei Hühner könnten den Pflug ziehen.“
„Hennenfeindlich“, kreischt Junghuhn Alice, „das ist Hahnarbeit.“
„Hey, hey, hey, wer die Hackordnung nicht einhält, der bekommt drei Tage Hühnerstangenarrest“, schaltet sich Oberhenne Tina ein.
Hahn Johannes der Starke wirft sich in die Bresche und versucht die aufgebrachte Menge zu beruhigen: „Das hatten wir alles schon mal gehabt. Es wird sich eine Lösung finden.“
Altglucke Eustachia, schon kurz vorm Suppenhuhnstadium, säuselt: „Ich will weiter scharren, so kenne ich das und so gefällt es mir."
Der aufsässige Junghahn Siegfried schaltet sich vehement ein: „Ich brauch keinen Pflug, meine Scharrtechnik ist ausgereift, nur ihr habt das alle nie gewürdigt.“
Der technisch versierte Gockel Silver, der immer dafür sorgt, dass der Stall und die Hühnerleitern intakt bleiben, gackert gelangweilt: „Ach ihr Hühner und Hähne, es war schon immer so, was soll die Aufregung. Wir scharren weiter.“
Obergockel Pharao, Assistent von Oberhenne Tina, macht sich zum ersten Mal ganz gelassen hörbar: „Die Diskussion hatten wir schon des Öfteren. Es werden sich alle Probleme von alleine regeln.“
Althahn Gustavo erhebt die Stimme: „Was mir mehr auf den Wecker geht als verletzte Eitelkeiten ist, dass vor allem Neulinge hier im Hühnerstall oft überhaupt nicht auf die bestgemeinten Ratschläge beim Picken und Scharren reagieren.“
„Wir müssen sie einfach freundlicher behandeln“, wirft Hahn Rocko ein.“
Henne Agnes konstatiert: „Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich neues Federvieh erst mal meide.“
Junghahn Siegfried erregt: „Wenn das Hacken eines Neulings hier im Hof nicht gleich so klappt, wie wir das wollen, dann ist das doch klar verständlich.“
Huhn Angela gibt wie immer auch noch ihren Körnersenf dazu.
„Wenn ich eure Vorschläge so höre, bekomme ich den Eindruck, man hat es hier mit einem Stall für Resthühner aus Vorzeiten zu tun und wir picken nur verfaulte Körner“, gibt Henne Aida zu bedenken.
Junghuhn Alice versucht sich Gehör zu verschaffen: „Vielleicht ist es an der Zeit, nach zehn Jahren über eine Rundumerneuerung nachzudenken? Die Umgestaltung der Hühnerstangen mit mehr Platz für jeden wäre eine Möglichkeit. Und außerdem könnte ein neues Softwaresystem die Zuteilung der Weizenkörner sicher gerechter machen. Wir sollten mal mit dem Züchter reden.“

„Schluss jetzt“, übertönt Oberhenne Tina das zunehmende Durcheinander. Ich entscheide und dabei bleibt es.“
„Nein ich hab recht, …. Nein ich hab recht, ….Nein ich hab recht“, ….tönt es aus allen Richtungen.

Oberhenne Tina wütend: „Hiermit beende ich das Hahn-Huhn-Palaver bis zur nächsten Ratssitzung in einem Jahr. Bis dahin bleibt alles wie es ist. Wenn ihr wollt bildet einen Hahn-Hühner-Ausschuss, der dann Vorschläge erarbeitet, wie wir in Zukunft hacken, picken, auf den Stangen sitzen und Neulinge einführen wollen.“

Am Abend kurz vor dem Schlafen auf der Hühnerstange flüstert Junghuhn Alice ihrer Stangennachbarin noch zu: „Ich gehe davon aus, dass die vielen Anregungen auf der Ratssitzung trotz zeitweiliger Gegenströmungen hochwillkommen sind.“
„Meinst du? Ich bewundere deinen Optimismus“, flüstert Huhn Bette und fällt schnarchend in ihre Traumwelt, in der bunte Eier eine große Rolle spielen.



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (19.05.23, 07:26)
So ist es halt in der Politik! :D

Kommentar geändert am 19.05.2023 um 07:26 Uhr

 uwesch meinte dazu am 19.05.23 um 13:03:
Tja, ob die politisch Motivierten von den Hühnern gelernt oder war es womöglich umgekehrt  
Dank Dir für die Loorbeeren und LG Uwe

 harzgebirgler (19.05.23, 08:14)
gibt jedes huhn sein' senf dazu
herrscht alsbald tohuwabohu! ;) lg vom harzer

 uwesch antwortete darauf am 19.05.23 um 13:00:
Das könnte passieren - zumal bei (menschähnlichen) Hühnern :) 
Dank Dir für die Loorbeeren.  LG Uwe
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