Juni Pool

Erzählung

von  minze

Seine Hautfarbe ist rot, vielleicht ändert sich es manchmal im Sommer, dann, wenn er gesund gebräunt ist, sonst, auch im Winter und Herbst, ist sie rot. Es wirkt so vom Gesicht aus, auch die Haare sind rötlich, sie sind aber so kurz, dass sie nur den Farbton bestätigen, nicht von sich aus wirken.

Seine Stimme wirkt ausgehungert, etwas heiser. Ein Auge schielt ab und zu, nicht immer, meistens sieht es einen an. Nur in dem Moment, in dem, was ich erzähle, ihn langweilt und seine Aufmerksamkeit nachlässt, hat es einen Drall und schert aus.


Als wir zusammen am Pool sind, überlege ich, ob er zu den Männern gehört, die automatisch sehr wenig Haare an den Beinen haben, diese Frage kommt aus der Unsicherheit heraus, ob er sich wirklich rasiert. Er wird ein Ding mit seinem Körper haben, doch ebenso gut kann es sein, dass er einfach sehr wenig Haare hat, sehr wenige und dünne, sodass es nur so wirkt, als wären sie weg oder als würde er sich dazu entscheiden, auch noch den letzten den Rest zu geben.


Wir haben uns oft über das unterhalten, was sie als Familie ausmacht, über ihre Geschichte. Sie sprechen viel darüber, wo sie was bestellen, über besondere Angebote, es hat mich müde gemacht, ohne dass ich eine Sättigung empfinde. Es hat mich beruhigt, insbesondere er tut das mit seinem roten, schmalen Körper und mit seinem Mantra alles gut, mein Freund.


Von irgendwoher haben sie ein paar Paletten Dosenbier, für den Sommer. Die eine Nacht, die ich da schlafe lasse ich leise einläuten mit Sekt, schon nachmittags sehe ich den Verlauf vor mir.

Es ist selten, dass eine Frau mehr redet, ausdauernd redet, auch ohne, dass ich viel sage. Es ist ein Experiment für mich, eine überraschende Konstellation. Die Kinder spielen ohne Eingreifen unsererseits. Svenja hat immer einen Snack aus dem Gartenhäuschen oder der Kühltasche zur Verfügung. Sie spielen auf dem Trampolin, dem Spielplatz, der Kletterwand, im Pool. Irgendwas verändert sich an den Gesprächen, es kommen andere Themen von ihr. Ich glaube, von alleine, weil ich nicht lenkend eingreife.


Sie erzählt von der Schönheits OP einer Verwandten, die kleinere Brüste wollte und den Komplikationen. Der Cousin sei sauer, weil sie nun nicht weg können im Sommer, ich erinnere mich daran, dass er ein Boot am Bodensee hat, wahrscheinlich wollte er noch weiter weg und sie muss sich nun besonders schonen, da viele Nachbehandlungen und Vorbereitungen für eine Korrektur anstehen. Svenjas Cousin hätte auch die größeren Brüste behalten. Es bestätigt, dass eine Operation ein riskanter Eingriff ist, immer. Nun beginnt ein knappes Jahr, planvoll auf die Brüste und die Heilungen und Entzündungen abgestimmt, eines, was auch das Warten und Nichtwissen um das Resultat ist, ein Hoffen auf den eigenen Körper, was noch fragiler sein muss als bei der Entscheidung und dem Einschlafen vor dem ersten Eingriff. Als ich nach der Rolle ihres Cousins frage, sagt sie, er stehe ihr halt bei, was könne er Anderes machen.


Ich akzeptiere, dass er sich so wenig bewegt, wie ich, weder für Snacks, noch für Bier. Er sitzt, als habe er das alles hier geschaffen, als sei er sich dessen bewusst, es verhindert vielleicht eine innere Bindung meinerseits, es verhindert nicht eine Anziehung oder Beruhigung des Ist-Standes. Dieses Systems, was so unbehindert funktioniert, für diese Tage im Jahr. Er scheint sich bewusst darüber, welchen Teil er in diesem System einnimmt und welchen sie, nur selten scheint es eine Voraussetzung seinerseits zu sein, denn selten höre ich eine Irration von Svenjas Seite. Aber er ist es, der sagt, es ist immer jemand für die Kinder am Mittag da. Und wenn sie nicht in den Kindergarten wollen, müssen sie es nicht.


Mich fragt er nicht, mich taxiert er nicht. So lange wir uns gewähren, bewundern wir die Unterschiede und lassen sie zu.

Ich warte darauf, zu benennen, was mich anzieht, es liegt irgendwo in Erinnerungen an meine Kindheit, aber nicht nur, es ist auch seine Annahme, seine Chance darauf, Vater zu sein, sei das Wunder in seinem Leben und der verbundene Stolz auf alle Besonderheiten seiner Kinder. Ich will es verstehen und verstehen, warum es mir so geht und warum nicht.









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Kommentare zu diesem Text


 Redux (01.06.23, 15:34)
Wieder einer deiner Texte, die man mehrmals lesen muss, sie sind sehr dicht und voller Informationen, die man ordnen muss, um sie zu verstehen. Wieder lesenswert.

 minze meinte dazu am 01.06.23 um 16:31:
Vielen Dank. Ich bin da glaube ich schon zu wenig in Distanz, ich erlebe die Dichte gar nicht so extrem. Hm, aber es gibt mir vielleicht einen Hinweis, dass ich noch mehr Szenen oder Leben einflechten könnte.
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