Cornwall

Erzählung

von  minze

Wir sehen einen Film in den öffentlichen Programmen, ich weiß, dass er soft ist, dass er es leicht zeichnet, anreißt. Er zeigt ein in die Routinen gekommenes Paar, sogar deutliche Szenen fehlenden Respektes oder einer verloren gegangenen Wertschätzung. Dann zeigen sie das einfache Verlieben, beim Job, beim Hobby oder so. Beim Spazierengehen am Hafen. Manchmal ist es anders, der Mann geht einfach immer wieder fremd.


Mama ist dabei so enttäuscht. Sie wendet sich ab, es ist ein anderes Abwenden als beim Tatort mit den Schüssen, ein langsames, ein widersprüchliches es kann doch nicht sein, warum macht sie das jetzt oder nur der Ausdruck im Gesicht, der Stich durch ihr Gemüt. Papa nehme ich nicht wahr, ist es meine Absicht? Er zeigt keine Reaktion, wie auch sonst nicht, wenn wir fernsehen, außer er muss sich rechtfertigen, weil ihm brutale Szenen nichts machen. Ich bin zu jung, aber ich halte das alles für erwartbar, für noch erwartbarer in diesen Filmreihen, in der Notwendigkeit ihrer Dramaturgie, weil sie sich dann am Ende wieder rückverlieben oder neuverlieben müssen und können. Ihre Heftigkeit wundert mich. Ihre Art, die so aufgerüttelt wird. Sie sieht noch länger diese Filme als ich.


Trotzdem will ich es als ehrlich und direkt deuten, als Beleg für ihre Aufrichtigkeit, für Werte, die so fest sind, dass es ihr weh tut, wenn sie beleidigt werden – vielleicht ist es die Beleidigung und der Ekel, der mitgeht, eher, als eine wirkliche Verletzung. Gibt sie das Hoffen nicht auf, man könnte diese Geschichten anders erzählen? So ist sie im Film das Mädchen, das meint, die Figuren im Fernseher leben das Leben doch eigentlich wie wir es leben - wir können nur uns aufs Sofa hinsetzen und die gute Wendung, den eigentlichen Weitergang vom Leben, wie er sein sollte, anschauen.

Die Erwartung kenne ich, ich kann mich dort mit ihr verbinden, ich kenne den Modus und das Wohl darin. Anders als sie, auch noch nicht in einer Erwartung oder realen Enttäuschung einer Ehe, macht mir eine Destruktion keine Angst, sie erregt mein Interesse.



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Kommentare zu diesem Text


 Redux (18.06.23, 00:36)
Mich erstaunt,  wie genau du beobachtest und analysiert,  seziert , und deine Ergebnisse für diesen Text in eine Form bringst.
In dieser Form könnte ich es nicht,  weil mir, glaube ich,  die nötige Konzentration fehlt. Respekt,  liebe Minze.

 minze meinte dazu am 18.06.23 um 21:01:
Dankeschön! ja, das ist es, was mich im Schreiben bewegt: eine Konzentration, ein Fassen einer Essenz von Begegnung/ Beziehung/ Erlebten..

 Dieter_Rotmund (18.06.23, 15:03)
Sehr seltsames Selbstverständnis der Figuren bzgl. der Rezeption von fiktiver Handlung.

 Graeculus (18.06.23, 18:35)
Eine sehr eindringliche, nahegehende Beobachtung und Auseinandersetzung mit der eigenen Mutter, voller Nähe und Distanz.

 minze antwortete darauf am 18.06.23 um 21:03:
schön, dass intensive Nähe und Distanz in der Mutter-Kind-Beziehung durch den Text gehen in deiner Rezeption & danke für das Feedback.
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