Totschlag im ungünstigsten Moment

Kurzgeschichte zum Thema Gewalt

von  Koreapeitsche

Der Ministerpräsident war frisch im Amt, als es einen Vorfall in der nahen Universitätsklinik gab. Der MP hatte sprichwörtlich gerade sein Büro in der Staatskanzlei bezogen, als es in der Psychiatrie des Uni-Klinikums den tödlichen Zwischenfall gab. Ein psychisch behinderter Mann wurde in die Klinik eingeliefert. Er reagierte etwas bockig, als das überlastete Personal mit ihm rüde umsprang. Das war sein Verhängnis. Die Psychiatrie-Pfleger wollten weiteren Stress vermeiden und entschlossen sich dazu, den wehrlosen Mann zu überwältigen und auf einem Krankenbett zu fixieren. Das würde ihnen unnötige Diskussionen ersparen und dabei helfen, den weiteren Zeitplan einzuhalten. Als der Mann fixiert war und immer noch wehleidig versuchte, sich zu verbal zu verteidigen, beschlossen die Pfleger dem Mann ein Sedativum zu verabreichen.

      „Wir schicken sie mal für eine Weile ins Reich der Träume“,

sagte ein Pfleger, während er die Spritze in den Arm verabreichte. Der fixierte Behinderte hatte immer noch die Augen geöffnet und schien ins Leere zu blicken, war sichtlich weggetreten und sprach nicht mehr. Erst jetzt wurde er auf die geschlossene Station geschoben.

      „Wir haben derzeit kein Zimmer frei!“

rief ihnen eine Schwester entgegen, als sie sah, dass der neue Patient durch die Schleuse auf die Station gefahren wurde.

      „Dann bringen wir ihn in den Aufenthaltsraum mit dem Kickertisch.“

      „Da riecht es aber nach Rauch. Die Patienten nutzen den heimlich als Raucherraum!“

      „Dann lüften wir ein paar Minuten, dann passt das.“

Also fuhren sie den sedierten Patienten in den ungepflegten Aufenthaltsraum.

      „Jemand muss dafür sorgen, dass die anderen Patienten den Raum nicht mehr betreten.“

      „Dann wird der Raum zur Überbrückung abgeschlossen und alle 15 Minuten kontrolliert.“

   „Ich möchte dafür aber keine Verantwortung übernehmen.“

      „Das wird ja wohl nicht das Problem sein.“

Also wurde der Kickertisch zur Seite geschoben, die Aschenbecher rausgebracht und das Patientenbett mit dem fixierten Patienten in die Ecke neben dem Fenster geschoben.

      „So, jetzt lassen wir Sie mal alleine“,

sagte der eine Pfleger und tat so, als würde der Patient das hören.

      „Ich habe einen straffen Zeitplan. Ich kann mich nicht auch noch um den Patienten im Aufenthaltsraum kümmern.“

      „Dann kommen wir von der anderen Station und schauen nach dem Rechten.“

      „Ok, ihr Wort in Gottes Ohr.“

Also wurde der Raum abgeschlossen. Für den restlichen Abend schaute niemand mehr in den umfunktionierten Aufenthaltsraum. Und auch am nächsten Tag wurde der Patient vergessen, obwohl er immer noch straff auf dem Bett fixiert war. Erst nach über 24 Stunden machte sich ein anderer Patient an der Tür zu schaffen, der in dem Zimmer heimlich rauchen wollte.

      „Ach, wir haben ja den Patienten im Aufenthaltsraum vergessen.“

      „Herrgott, das darf doch nicht wahr sein. Geben Sie mir bitte mal den Schlüssel.“

Als die Schwester das Zimmer betrat und zum Patientenbett ging, ahnte sie schon, was passiert war. Sie konnte jetzt nur noch den Exitus des Behinderten feststellen. Er war schon ausgekühlt.

      „Der Mann ist tot. Funktioniert denn hier auf Station gar nichts mehr?“

Jetzt wurde ein Arzt gerufen, der den Tod bestätigte.

      „Das passt mir gar nicht, jetzt wo der neue Ministerpräsident sein Amt angetreten hat, dass wir hier gleich einen Toten durch eine Fixierung haben.

       „Und jetzt?“

      „Warten sie. Ich glaube, es ist besser, wenn wir die Fixierung lösen und als Todesursache „plötzliches Herzversagen“ eintragen.“

      „Wenn Sie meinen? Mir soll’s recht sein. Alles andere wäre sowieso nur Stress für die Stationsmitarbeiter.“

Also verheimlichte der Arzt, dass der Patient im fixierten Zustand verstorben war, dazu in einem Freizeit- und Aufenthaltsraum, ohne ständige Kontrolle und nach einer unverhältnismäßig langen Fixierung.

      „Es ist besser so“,

sagte der Arzt noch einmal zur Stationsschwester.

Doch der Vorfall sprach sich rum, und auch die Behinderteneinrichtung, die für die Betreuung des Behinderten zuständig war, bekam Wind von der Sache. Inzwischen wurde den Angehörigen die „gefakte Todesursache“ mitgeteilt. In der Behinderteneinrichtung gab es unterdessen eine Krisensitzung, und die tatsächlichen Todesumstände wurden offen diskutiert. Deshalb gab es eine Eingabe an die überregionale Leitung der Einrichtung, auch das Sozialministerium wurde informiert.    

      Da der neue Ministerpräsident erst wenige Tage im Amt war, wollte das Sozialministerium unbedingt ein Fehlstart der neugewählten Regierung vermieden. Also klemmte sich ein Staatssekretär hinters Telefon, rief bei der Klinik und in der Behinderteneinrichtung an, und erklärte die Version mit der Fixierung für nicht zutreffend.

      „Nein, das ist ein Irrtum. Der Mann war nicht fixiert. Er ist in einem Patientenzimmer an plötzlichem Herzversagen gestorben.“

Doch inzwischen wurde die lokale Zeitung eingeschaltet und eine Anzeige getätigt, die schnell der Staatsanwaltschaft vorlag. Der Redakteur der Zeitung bestätigte zunächst in einer E-Mail den Todesfall, nachdem er mit verschiedenen Stationsmitarbeitern gesprochen hatte. Als schließlich der Staatsanwalt bei der Klinik nachfragte, wurde der Todesfall vom Kaufmännischen Direktor vollständig geleugnet, als hätte es den Menschen nie gegeben. Der Staatsanwalt akzeptierte diese Version und stellte die Ermittlungen ein. Ihm war das Recht, denn auch er wollte insgeheim nicht, dass der neue Ministerpräsident schon in der ersten Woche nach Amtsantritt ins Schwanken geriet. Niemand brauchte dieses Totschlagsopfer.  

      Jetzt wandte sich jemand an die Zeitung, dem die E-Mail des Redakteurs vorlag, der den gewaltsamen Todesfall bestätigt hatte. Doch die Chefredaktion antwortete nicht. Der Pförtner der Zeitung erklärte lediglich, dass der Redakteur bereits pensioniert sei, und die Zeitung keine Verantwortung für den Wahrheitsgehalt der E-Mail übernehmen wolle. Es beschwerte sich sogar jemand direkt bei der Landesregierung mit der Bitte, alle vergleichbaren Schadensfälle bei Menschen mit Behinderungen aufzuklären und rückwirkend statistisch zu erfassen. Da begingen der neue Ministerpräsident und der Sozialminister den Fehler, dass sie das verantwortliche Gesetz für den Umgang mit Behinderten in Psychiatrien nivellierten, also umbenannten und änderten unter dem Gesichtspunkt, dass alle zurückliegenden Schadensfälle ab Inkrafttreten der Nivellierung nicht nachträglich statistisch erfasst würden, was auch für das besagte Totschlagsopfer gegolten hätte. Erst jetzt war der fixierte Tote endgültig unter den Teppich gekehrt.       

Mittlerweile hat sich der Todesfall verschleppt und der Tenor ist geblieben, dass es diesen fixierten Toten auf der Station nie gegeben hat. Man munkelt, dass jemand den Behinderten Patienten vorsätzlich umgebracht haben konnte, um die neue Regierung gleich mit diesem Todesfall zu belasten. Doch dem spricht entgegen, dass der Staatssekretär sich dermaßen ins Zeug legte, den Fall für ungeschehen zu erklären. Der Ministerpräsident wird inzwischen als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt.

 




Anmerkung von Koreapeitsche:

Die Handlung und alle Personen in dieser Story sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.

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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (12.10.23, 20:15)
Ich war fixiert mit einer angewachsenen Lungenembolie, Wunder der Medizin. In meiner Wohnung vom Hecht im Stadtpark über meine Pentri Küche gelegt. Vor dem Mietshaus die Polizei. Ich wurde abgeführt in die geschlossene Psychiatrie. Leider ist die Kopfseite vom Bett zu hoch gelegt. Mir blieben so 15 Minuten vor dem Atemstillstand. Die Kopfseite vom Bett doch ein wenig runter zu stellen.

Kommentar geändert am 12.10.2023 um 20:15 Uhr

Kommentar geändert am 12.10.2023 um 20:16 Uhr

 Dieter_Rotmund (13.10.23, 13:40)
Viel zu verplappert, du must mind. 50 % der direkten Rede transformieren und warum haben die Protagonisten keine Namen? Das mit dem Politiker wirkt übrigens sehr aufgesetzt, das würde ich weglassen.
Ansonsten: hat Potential!

 Koreapeitsche meinte dazu am 14.10.23 um 20:45:
Ich hatte den Text zunächst in den Editor hier bei Kein Verlag getippt. Als ich fertig war, habe ich leider den falschen Button gedrückt. Ich drückte oben auf Text veröffentlichen, wodurch sich ein neues Formular öffnete. Der bisherige Text war offensichtlich verloren. Da habe ich ihn in Rekordzeit aus dem Gedächtnis ein weiteres Mal getippt, was auf Kosten der Qualität ging. Dumm gelaufen.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 14.10.23 um 21:50:
Aus meiner Erfahrung wird solch eine "Verlust-Textschreiberei" immer besser als das "Original". Mühsam bleibt es natürlich trotzdem.

 Teichhüpfer schrieb daraufhin am 17.10.23 um 22:10:
Besser ist eigentlich, daß ich mehrfach im Forum gesperrt wurde, wegen Jaco Pastoriue.
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