1987: Die Kieler Dealer-Kartei

Kurzgeschichte zum Thema Drogen/ Alkohol

von  Koreapeitsche

Der junge Mann hatte gerade das Abitur bestanden und legte direkt danach die Führerscheinprüfung ab. Jetzt sollte das große Leben beginnen. Er spielte Schlagzeug in einer Band, bekam das erste Auto und fing mit dem Zivildienst an. Der junge Mann machte gerne Party und rauchte manchmal Joints. Eines Abends fuhr er mit ein paar Freunden mit seinem ersten Auto auf einen Parkplatz, um dort einen Joint zu rauchen. Sie parkten dort in einer Ecke, hörten laut Musik und rauchten den Joint. Als sie den Rest des aufgerauchten Joints aus dem Fenster geschnippt hatten, kam plötzlich ein Polizeiauto auf den Parkplatz gefahren und fuhr im Schritttempo zum parkenden Auto. Die Cops schöpften Verdacht, stiegen aus und befragten die jungen Leute. Da die jungen Leute unkonzentriert wirkten und obendrein glasige Augen hatten, vermuteten die Cops einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Während der eine Bulle jetzt die jungen Männer befragte, durchsuchte der andere das Auto. Schließlich konnten sie 1,3 Gramm Hasch sicherstellen, die hinten auf der Heckablage auf einem kleinen Brett lagen. Der Fahrer gab zunächst vor, von nichts zu wissen, konnte dem Druck aber nicht lange standhalten und gestand ein, dass die 1,3 Gramm ihm gehörten. Während die anderen weggehen durften, musste der Fahrer mit aufs Revier. Das Auto blieb auf dem Parkplatz stehen. Auf dem Revier wurde der junge Mann einem Drogentest unterzogen. Es wurde schließlich Blut abgenommen und der THC-Wert im Blut ermittelt. Jetzt konnte der Fahrer sich nicht mehr rausreden. Er konnte von Glück reden, dass er das Auto nicht mehr berauscht gefahren ist, denn dann wäre der Führerschein weg gewesen. Als nächstes wurde der Mann in ein Vernehmungszimmer gebeten, wo ihm Fragen gestellt wurden.

      „Wer hat Ihnen denn das Hasch verkauft?“

      „Das weiß ich nicht. Es ist mir von einem Fremden auf einem Platz angeboten worden.“

Das war natürlich eine Notlüge, denn er kannte den Dealer genau.

      „Welcher Platz war das denn?“

      „Das war der Rasmus-Remer-Platz in der Fußgängerzone!“

      „Kennen Sie den Namen des Dealers nicht?“

      „Nein, das war ein Fremder.“

      „Können Sie den Mann beschreiben?“

      „Nein, das ging sehr schnell. Da standen mehrere Leute.“

      „War das ein Ausländer?“

      „Ich weiß nicht.“

      „Hatte er lange Haare oder besondere Kleidung.“

      „Da kann ich mich nicht so erinnern.“

      „Sind Sie damit einverstanden, wenn ich Ihnen ein paar Fotos von Dealern aus der Umgebung zeige, und sie sagen mir, wenn Sie den Dealer wiedererkennen?“

      „Ich weiß nicht.“

      „Warten Sie mal. Ich hole mal die Fotos.“

Kurz darauf legte der Cop dem jungen Mann einen Ordner vor, setzte sich neben ihn und blätterte den Ordner Seite für Seite durch. Es handelte sich offensichtlich um die Kieler Dealer-Kartei. Der junge Mann kannte fast die Hälfte der Personen, die auf den Fotos abgebildet waren. Schon auf den ersten Seiten erkannte er einen alten Schulfreund, der zwar Hasch konsumierte, aber kein Dealer war. Wenn überhaupt gab der mal ein Rauchpiece im Freundeskreis weiter, dealte jedoch nicht systematisch oder erwerbsmäßig. Das wunderte den jungen Mann, dass der trotzdem in der Dealer-Kartei auftauchte. Die meisten Fotos stammten offensichtlich von ED-Behandlungen. Der Bulle fragte immer wieder, ob ihm eine der Personen bekannt vorkomme.

      „Und der? Hat der Ihnen das Hasch verkauft?“

      „Nein, der war es nicht.“

Jetzt sollte der junge Mann sich die Kartei noch einmal in Ruhe allein ansehen, bis der Scherge ihn wieder zur Rede stellte.

      „Und? Haben Sie den Dealer jetzt wiedererkannt?“

      „Nein, ich bin mir sicher, der war nicht dabei.“

Der Polizist blickte kurz aus dem Fenster und stützte die Hände in der Hüfte ab.  

      „Sind Sie damit einverstanden, dass Sie sich morgen mit einem Kollegen in zivil auf den Rasmus-Remer-Platz setzen und ihm den Dealer zeigen, sobald er sich blicken lässt?“

      „Besser nicht. Ich weiß nicht, ob ich den wiedererkenne.“

      „Doch, machen Sie das mal. Sie helfen uns damit.“

      „Ich weiß nicht.“

Der junge Mann musste bald erkennen, dass er keine Chance hatte, sich dagegen zu wehren. Schon am Folgetag musste er sich mit einem Zivilpolizisten auf den Platz setzen, um ihm den Dealer zu zeigen, sobald der auftauchte. Der Zivilbulle fragte mehrmals.

      „Der Mann da drüben, hat der Ihnen das Hasch verkauft.“

      „Nein, ganz sicher nicht.“

      „Und der in der Lederjacke? Ist das der Dealer?“

      „Nein. Der war das nicht.“

Sie saßen dort mehrere Stunden. Der junge Mann konnte keinen Dealer identifizieren. Am nächsten Tag sollte der junge Mann sich erneut mit dem Zivilpolizisten auf den Rasmus-Remer-Platz setzen. Auch an diesem Tag, konnte er ihm den Dealer nicht zeigen. Als er nach dem vierten Tag den Dealer immer noch nicht identifiziert hatte, ließen die Cops ihn in Ruhe. Der jungen Mann musste sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen. Die Cops fertigten eine Anzeige,  es gab eine Gerichtsverhandlung und der junge Mann erhielt eine Geldstrafe. Der Dealer wurde nie benannt. Inzwischen ist Gras über die Sache gewachsen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (07.10.23, 22:51)
Na ja, eins ist aber mal sicher: Auch Dein Protagonist hat nun einen Platz in der Kieler Dealer-Kartei. 🤔

Ciao, Frank

 Koreapeitsche meinte dazu am 07.10.23 um 23:06:
Nein. Die Polizei hält sich überwiegend an die Gesetze.

 Didi.Costaire (08.10.23, 00:16)
Moin Peitsche,

ich selbst habe mich seinerzeit zwar nur für die Kieler Spieler-Datei interessiert und auf dem Kilia-Platz abgehangen, wo das beste Gras der Stadt wuchs, aber auch diese Geschichte interessiert gelesen.

Schöne Grüße,
Dirk

Kommentar geändert am 08.10.2023 um 00:18 Uhr

 Dieter_Rotmund (08.10.23, 18:37)
Guter Einstieg, dann aber ein etwas sehr eigenwilliger Schreibstil. Befremdlich wirkt auch die offenbar sehr vorurteilsbehaftete Verwendung der Bezeichnung "Bulle", die überhaupt zunächst nicht im Text synonymisiert wird, was ebenfalls befremdlich wirkt. 
Guter Schlusssatz!

 Teichhüpfer (12.10.23, 17:35)
Ich bin da 1984 weg aus Kiel, wegen dem perversesten Frauenmord unter Angel Dust in den besetzen Häusern am Sophienhof. Im Stadtblättchen stand, lassen Sie die armen Leute da in Ruhe, und das war eigentlich mein Abschied aus Schleswig Holstein für immer.
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