Überquere ich die Röntgenbrücke in Berlin Charlottenburg, fliegt mir immer ein bestimmter Rabe entgegen. Ich nenne ihn den Röntgenraben. Er guckt mich eindringlich an, aber er bettelt nicht. Er möchte aber, dass ich ihm Sonnenblumenkerne hinwerfe, das weiß ich genau. Weil ich weiß, dass er weiß, dass ich die Kerne bei mir trage. In einer kleinen Blechdose mit Lämmern drauf, mit der ich normalerweise Spatzen und Meisen vorm Verhungern schütze. Sie leben alle noch, soweit ich das beurteilen kann, außer sie wurden von einer Elster oder einem Eichelhäher verspeist. Der Röntgenrabe ist anders als die anderen Vögel. Schon allein deswegen, weil er größer ist als Meisen und Spatzen. Sein schwarzes und glänzendes Gefieder hat schon so manchen Charlottenburger dazu gebracht, mehr über Raben wissen zu wollen. Dass sie hochintelligente Tiere sind zum Beispiel und dazu beitragen, die Umwelt aufzuräumen, wenn Menschen sie vermüllt haben. Beseitigung von Drogenspritzen durch promptes Werfen in die Spree oder in den Landwehrkanal. Der Röntgenrabe ist irgendwie anders, genau wie auch die Röntgenbrücke anders aussieht. Altertümlicher und frugaler. Sie ist übrigens nur eine von insgesamt 960 Berliner Brücken. Venedig hat weniger, und mein Röntgenrabe könnte das wissen.
Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.