Weimar und Schloss Kochberg - eine kurze Reise

Skizze zum Thema Reisen

von  Augustus

Gestern

Weimar 


Als aller Erstes besuchte ich das Wittumspalais, die Residenz der Herzogin Anna Amalia. Als ich wenige Monate davor Weimar schon einmal in diesem Jahr besichtigte, stand das Gebäude unter Bauarbeiten. 

Ich trat durch die Türschwelle und sah hinter der Theke ein bekanntes Gesicht hinter der Tickettheke. Es war dieselbe Frau, die mir wenige Monate zuvor das Ticket für das „Goethe-Schiller-Archiv“ verkaufte, als damals die Ausstellung um gefälschte Schiller-Briefe präsentiert wurde. 

Ich sah mich nun kurz um und kaufte ein Büchlein über Anekdoten Goethe und Schiller, im Bewusstsein, weil ich für heute Abend eine Eintrittskarte besaß im Palais Schardt, wo Anekdoten über den Dichterfürsten erzählt werden sollten nebst Begleitmusik. 

Zurück! An der Theke bat ich um das Ticket und bat gleichzeitig mir die Bücher in Rechnung zu stellen. Die Frau, in mittleren Alter, ohne Schminke, ganz natürlich, braune lange gewellte Haare, berechnete mir zuerst den Preis ohne das Ticket. Als ich zahlte, merkte sie es und korrigierte sich. Ich zahlte separat das Ticket und fragte, ob sie denn eine Kaffeekasse habe, ich wollte einige Euros spenden. „Ja. Haben wir.“ antworte sie. Ich guckte mich um nach einem Dose oder Sparschwein und sah sie an. „Wo?“ fragte ich.  Sie errötete und wusste erst nichts zu antworten. „Hier in meinen Taschen“ antwortete sie in Schamesröte, während ihre Wangen noch weiter erröteten und sie zur Hilfe ihre Hände nahm und auf die Seitentaschen ihrer Hose zeigte. „Sie haben ein schönes Lächeln, sie sollten unbedingt öfters Lächeln.“ entgegnete ich. 

„Ich war selten so in Verlegenheit, wie gerade jetzt.“ antworte sie. 

Ich staunte nicht schlecht über die natürliche Röte der Frau auf ihren Wangen, und sah lange nicht solch eine Natürlichkeit der Scham sich im Gesicht schuldig bekennen. 


Etwa eine Stunde dauerte mein Aufenthalt im Wittumspalais, dann ging’s auch schon ab in die Veranstaltung im Palais Schardt. Ein Pianist und eine edle Dame präsentierten die Anekdoten über Goethe auf sehr amüsante Art und Weise. Eine kleine Gesellschaft fand sich vor. Die Dame jedoch, gleichwohl über 60, besaß eine elegante Weise sich auszudrücken. Zur Hilfe nahm sie gern ihre Hände, um dem Sachverhalt mehr Pointe zu vergeben. Ihre Gestalt war graziös. Man bemerkte, dass sie einst eine Schauspielerin oder Balletttänzerin war. Ihr imposantes Gesicht glich einer erhabenen Gräfin. Von der Seite sah ihr Gesicht aus wie einer edlen, weisen und scharfsinnigen Frau, die stets klugen Rat zu sagen wusste. Mich beeindruckte mehr ihre Erscheinung und ihre Mimik als die Anekdoten, die sie mündlich präsentierte. Aber eine Anekdote über Goethe erzähle ich: 

Auf einem schmalen Weg treffen Goethe und einer seiner schärfsten Kritiker, der ihm entgegenkommt.  Und einer muss auf das Gras treten, um den anderen vorbeizulassen. Sie kommen sich nahe und stehen sich gegenüber. Der Kritiker sagt zu Goethe: „Ich weiche keinem Narren aus.“ Goethe geht einen Schritt zur Seite auf das Gras und antwortet: „Aber ich.“ 


Heute

Schloss Kochberg 


Ich fuhr mit Bus zuerst nach Rudolstadt, wo einst Friedrich Schiller hauste. Ich sahs mir nicht an, der Zeit wegen. Der Bus nach Kochberg kam in wenigen Minuten. Es war ein Taxi, das kam, das der Bus war. Ich stieg als einziger ein und war verwundert, dass das die Linie 121 war. Es sei gesagt, dass in diesen abgelegenen dörflichen  Gegenden der Busverkehr sogar wie gar nicht existiert. Vielleicht alle paar Stunden. Ich fuhr Vormittag gegen 10.00 Uhr von Weimar ab und war um etwa 12.00 Uhr in Kochberg. Auf den Rückweg fuhr mich die Mitarbeitern Frau Schiller - kein Witz - aus dem Museum nach Rudolstadt, weil kein Bus mehr fahren wollte und ich die 10 Kilometer zu Fuß bei Sonne und Hitze nicht auf mich nehmen wollte. Es gibt auch einen „Goethe Erlebnisweg“ von etwa 28 Kilometern von Kochberg nach Weimar, den Goethe selbst abgewandert haben soll und das in 4 Stunden. (Brieflich dokumentiert) 


Das Schloß Kochberg ist eine Attraktion. Hier lebte die Frau von Stein, ehemals Goethes Nr. 1 unter den Frauen. Ich könnte allerlei darüber erzählen, und käme nie zum Ende, also gehe ich darüber hinweg und erzähle was mir heute begegnet ist. Die Frau Schiller verkaufte mir das Ticket. Ich frag sie, ob sie denn wirklich mit dem Friedrich Schiller verwandt sei. Sie antwortete, sie ist mit Herrn Schiller verheiratet. Ihr Ehemann habe nach seinen Ahnen nachgeforscht. Dies gestalte sich aber schwierig, sie kommen einfach nicht weiter in der Forschung, denn ab dem zweiten Weltkrieg hören die Spuren auf. Davor in die Zeit bleibt alles im Dunkeln. Vielleicht ist mein Ehemann ein Nachfahre Schillers, vielleicht aber auch nicht.

Die Räume im Schloss sind hübsch und alt. Es sei aber gesagt, die Untensilien sollen einst der damaligen Mode entsprochen haben. Goethe soll hier gern verweilt haben. Wer weiss, welche süßen Worte und Zärtlichkeiten hier zwischen ihm und Frau von Stein ausgetauscht wurden. 

Interessant genug fand ich die Stelle, von welcher aus Goethe die Zeichnung vom hinteren Teil des Schlosses anfertigte. Ein durchaus besonderer Moment. 


Das Schloss besitzt ein kleines Restaurant, und wie ich vernahm, bewältigten die Arbeit die Mutter und ihre Tochter die Gastwirtschaft. Ich bestellte Tagessuppe und paar Wienerwürste. Die junge Tochter, etwa Mitte zwanzig, brachte mir die Bestellung. Ich bat freundlichst um etwas Pfeffer. Frug aber gleich, als ich die Suppe sah, ob es sich um die roten Streifen um Safran handelte. „Ja.“ antwortete sie. „Oh, wirklich,“ entgegnete ich, „diese habe ich seit Ewigkeiten nicht gegessen.“ sie ging weg und kam doch gleich zurück. „Es sind Streifen mit Chili und Safran.“ Ich nickte. 

Gestärkt vom Essen bat ich um Rechnung. Ich gab Trinkgeld und sprach der Suppe besonderen Geschmack zu und erbat dem Koch einen Gruß. 

„Die Chefin hat es gekocht.“ antwortete die junge Frau. Ich erzählte etwas über den Safran und woher dieser ursprünglich kommen sollte. Türkei. Fragte sie aber gleich, ob sie aus dieser Gegend komme. „Ich bin aus Rudolstadt und komme ab und zu hier oben helfen.“ Ich erzählte ihr, dass ich von Weimar hergekommen bin und eine erstaunliche Fahrt hinter mir habe. „Es ist heute nicht mehr so wie früher.“ sagte sie. „Heute kommen nicht mehr so viele Leute hier her,“ fuhr sie fort. „Es ist ruhiger geworden.“ „Es ist schon ein spezieller Ort hier. Man müsse schon etwas darüber wissen, um neugierig genug zu werden, es zu besuchen.“ 

Sie ließ das Gespräch auf ein anderes Thema fallen. „Hier gibt es nicht viel außer das Schloss und in Rudolstadt auch nicht viel, außer das Haus von Schiller, was die Touristen anlockt. Ich reite jedoch sehr gerne.“ 

„Sie reiten sehr gerne. Haben sie als als Kind das Reiten gelernt?“ „Als Kind ja, aber erst seit wenigen Monaten besitze ich mein eigenes Pferd.“ 

Die junge Frau war sehr natürlich. Sie trug eine Reithose. Keine Schminke. Sie band ihre Haare zum blonden Zopf. Bei ihr fand ich jenes unbekümmerte Lächeln ländlicher Gutherzigkeit. Nichts verschlagenes, analysierendes war in ihren Augen. Reine Offenheit versprühte sie. Doch  Neugier, wie ich entdeckte, leitete sie alsbald, da sie anscheinend meine Ansichten, Fragen und was ich sonst mündlich preis gab, als neues unbetretenes Terrain empfand. 

„Sie Glückliche,“sagte ich,“ in diesen naturbehafteten Gegenden muss es ein Paradies sein ausreiten zu können.“ Sie lachte und sagte: „Oh ja, ich reite gern und oft, wann ich kann. Das Pferd nimmer gut jeden Tag 3 Stunden Zeit in Anspruch.“

„Die sie gewiss nicht bereuen und als gut investiert empfinden.“ sagte ich.

Das Gespräch wollte gerade seine Flügel ausbreiten als die Mutter aus der Küche kam und uns sah. Die Tochter erinnerte sich im Anblick ihrer Mutter wieder der Pflichten und sagte zu mir: „Ich bringe das Tablett weg.“ und ging fort in die Küche. 

Ich hob mich vom Stuhl und murmelte mit ernstlosen Witz in mich hinein; „So wie du Goethes spätes Glück vergeltest, vergelt dein Geist, liebe Frau von Stein, auch nun mein kurzes Glück“ und ging noch in den Park, ihn besehen, ehe ich im Anschluss mein Dilemma Frau Schiller schilderte. 



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