In ihr versammeln sich die gefährlichsten Gedanken, die zuvor je gedacht wurden. Die Menschen, die sich mit Literatur beschäftigen, merken gar nicht, wie sehr sie unter den vielen Worten und bösen Gedanken leiden, die in ihren Geist eingedrungen sind, nachdem sie sich leichtfertig einem Buch ausgeliefert haben. Es gibt keinen Geist, der mehr Wunden in seinem Ich hat als der Leser - der Leser von Büchern, bei denen unverantwortlicherweise ein Warnschild auf dem Buchdeckel fehlt, so dass der Leser gar nicht merkt, in welche Falle er da hineintappt. Noch schlimmer ergeht es dem Schriftsteller, der nicht einmal ahnt, was er sich selbst antut, wenn er ein Buch schreibt. Gutgläubig glaubt er, etwas Gutes zu schaffen, von dem nicht nur er profitiert, sondern auch seine Leser, die ihm treu ergeben sind, sobald sie den verhängnisvollen Worten seiner Bücher erlegen sind.
Ist erst einmal ein Buch geschrieben, folgen wie bei der Hausschweingeburt Ferkel auf Ferkel, d.h. weitere Bücher des Autors. Und das erbarmungslose Netz gefährlicher Gedanken, die aus den Worten des ahnungslosen Schriftstellers wie übelriechende Maden in den Geist des ahnungslosen Lesers kriechen, breitet sich heimlich über jene verlorenen Seelen unglücklicher Menschen aus, die in die schrecklichste Falle getappt sind, die man sich für den Menschen ausdenken konnte.
Als Gegenprobe eignet sich ein Test mit den Betroffenen, bei dem festgestellt werden soll, ob die 'Literaturvergifteten' noch in der Lage sind, mit anderen Menschen auf Augenhöhe zu kommunizieren bzw. einen Dialog zu führen. Sobald jemand bei diesem Test anfängt, Monologe von sich zu geben, ohne darauf zu achten, dass sein Dialogpartner genügend Raum bekommt, um sich auch äußern zu können, ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Denn Schriftsteller sind ebenso wie leidenschaftliche Leser von Büchern in der Regel nicht in der Lage, ein für beide Seiten befriedigendes und faires Gespräch mit jemand anderem zu führen. Sie wurden der Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Kommunikation durch die Literaturvergiftung beraubt.
Glücklicherweise schießen in letzter Zeit immer mehr Kliniken für Literaturgeschädigte wie Pilze aus dem Boden, in denen Schriftsteller lernen, sich vom täglichen stundenlangen Schreiben zu lösen, nur noch für kurze Zeit, wenn überhaupt, ein paar Worte hervorzubringen, und auch das stundenlange Lesen bei passionierten Lesern auf ein vernünftiges Maß von wenigen Minuten pro Tag zu reduzieren. Statt der Beschäftigung mit dem geschriebenen Wort werden dann Spaziergänge, Schwimmen und Radfahren gewählt. In fachkundig geleiteten Gruppen wird der verbale Dialog, der durch die intensive Beschäftigung mit der Geisel Literatur verlernt wurde, wieder erlernt.