Der Wachhund

Dialog zum Thema Unverständnis

von  LotharAtzert

Das war ein Fauxpass erster Güte, als ich das Zitat nicht als Zitat erkannte (was wohl vom Autor beabsichtigt war?) und es für die Meinung des Mitbewerbers hielt. Hier das Zitat:

 

„Ich bin sehr gerne wurzelloser Kosmopolit und fühle mich überall wohl, wo aufgeschlossene Menschen sind, einen Landstrich habe ich mir nie zu eigen machen wollen,  

Klemm – „ Neid“.

 

Meine Antwort aufs Zitat lautete:

„Viele Bäume sind ein Wald, jeder einzelne Baum hat seine Wurzel und weiß nichts von "zueigen" machen wollen, speichert aber Wasser und produziert den für uns lebensnotwendigen Sauerstoff.

Ein Mensch, der keine Wurzeln hat, mag sich Kosmopolit nennen, aber zugleich mit der Ermangelung einer Wurzel hat er kein eigenes Schicksal mehr, existiert quasi nur noch im Kollektiv. Und wo dieses untergeht, geht auch der Mensch unter.

Wie sagte doch Seneca:

„Den Folgsamen führt das Schicksal, den Nichtfolgsamen reißt es mit sich fort.“

 

Erst später wurde mir beschieden, das Eingangszitat (Etwa die Hälfte des Textes) seien vom Diktator Joseph Stalin. Da hatte ich aber bereits den nächsten Kommentar geschrieben:

Was für ein Unsinn. Ich habe vom Baum und seiner Wurzel gesprochen. Die drei Teile des Bäumens: Wurzel, Stamm und Krone sind eine Einheit. Wollt ihr schon wieder meine Worte ignorieren, um ... wie machen das die Hunde mit dem Revier … drüberzupinkeln?

Die Wurzel ist die Basis, der Stamm trägt es himmelwärts und die Krone bringt Früchte - aber wenn schon die Basis fehlt, was soll da noch rauskommen.

Graeculus, ich bin Dir zu grob, also was willst Du schon wieder unter meinem Kommentar uminterpretieren?

Vom Baum der Erkenntnis will ich garnicht erst reden, aber -

Theravada ist die Wurzel,

Mahayana ist der Stamm und

Vajrayana ist die Krone.

 

„Falsche Popularität

O der Menschenkenner! er stellt sich kindisch mit Kindern

Aber der Baum und das Kind suchet, was über ihm ist.“

Friedrich Hölderlin“

 

Als man dann verbal über mich herfiel (nach meinem Empfinden) und sich über die „Metaphern“ lustig machte, geistig verkleinern wollte, ließ ich mich zum nächsten Kommentar hinreißen:

„Wer hört schon gern die Wahrheit. Ich "verschone" G. und Dich und eure kantischen Mitläufer aber gern damit, wenn ihr unsereins nicht mehr mit Eurem unsäglichen Kategorien aus dem 18. Jh. belästigt.

Bis dahin: Wurzel bedeutet auch Herkunft. Woher kommt, wer seine Herkunft verleugnet? - Das sind keine Metaphern, sondern Analogien, oder "Entsprechungen".

 

War klar, daß jetzt Graeculus kam:

Lothar kann weiterhin über die Wichtigkeit von Wurzeln reden und damit an seinem eigenen Denkfehler vorbei (auf den er jetzt gar nicht mehr zu sprechen kommt): daß er Kosmopoliten die Wurzel abgesprochen hat.

Ein Fehler! Daran ändern auch Grobheit und Hölderlin-Zitate nichts.

Die Wichtigkeit von Wurzeln haben weder Klemm noch ich in irgendeiner Weise bestritten!

 

Machen keine Freude, solche Gespräche.

 

Das ist mir schon oft bei Lothar als Gesprächstaktik aufgefallen: Wenn man ihn auf einen Fehler aufmerksam macht, weicht er auf einen ganz anderen Aspekt seiner Aussage aus, den niemand bestritten hat, und wird grob. Und zitiert irgendwen.

 

Es ist ihm also aufgefallen, der Denkfehler, und jetzt hab ich ihn zitiert.

Egal, auf die „Gesprächstaktik“ kann ich hier nicht eingehen, aber auf  etwas anderes: Mir war inzwischen klar, daß ich aufgrund fehlender Kenntlichmachung,  übersehen hatte, was ich mir damit erkläre, daß mich das Zitat von Stalin so entsetzte, daß ich … „am eigenen Denkfehler vorbei“ das empfand ich nachgerade hundsfottig, – ich bleibe beim Thema, Ehrenwort. Durch Euch Kommentatoren fällt mir eine Begebenheit ein: Als meine zweite Ehe zu scheitern drohte und ich durch den „Bank-Rott“ des Teegeschäftes über 60 000 DM Schulden hatte, da arbeitete ich aus purer Verzweiflung am Wochenende für einen Wachdienst in der Druckerei der FRANKFURTER RUNDSCHAU in Neu Jsenburg. Und eines Abends bei Dienstantritt brachte man mir einen Schäferhund, mit dem ich zusammen wachsam sein solle, wenn draußen die Händler vor den Toren warteten, auf die Erstdrucke des Sperrmüll“s, einer Wochenzeitung die nur aus privaten Annoncen besteht. Und Woche für Woche boten die Händler, für die das eine Goldgrube war, mehr für die ersten Zeitungen. Da ging es um viele Tausende Mark und irgenwann wurde es den Mitarbeitern strengsten untersagt, den „Sperrmüll“ den Händlern zu verkaufen, es drohte jedem sofortige fristlose Entlassung,  wer dabei erwischt wurde und so kam ich auf den Hund im doppelten Sinne, wir „liefen dann da Streife“.

Fünf Minuten Einweisung in Hundeführung und los gings. Donna war eine Hündin und gehorchte sogar aufs leise gesprochene Wort augenblicklich, so daß ich erschrak und ins Grübeln kam – Donna wartete angespannt auf jeglichen Befehl. Ich flüsterte das Wort, das sie verinnerlicht hatte: „Sitz“ – ohne jeden Befehlston, und sie saß trotzdem sofort, denn ich war schon voller Mitleid, das des Befehlens Ton aufhebt: die arme Donna würde vielleicht jeden für mich töten, wenn ich das Wort flüsterte. Die arme Donna und ich, wir kamen uns nur marginal näher in dieser einen Nacht. In der Woche drauf brauchte man sie nicht mehr.

 

Meine Art verdanke ich dem Mars in der Jungfrau, direkt am Descendent, der Euch zu grob ist. Seit dessen gewiß: ich übe an einer Arie, aber viel Staat ist mit meiner Stimme nicht zu machen.

Ja der Stalin – die unvorstellbaren Gräuel kann man sich nicht vorstellen, aber mein Augenmerk ist auf die Gegenwart gerichtet, hier und das Umfeld. Und da ist so ein Mars in der Jungfrau, die ja die ganze Zeit auf die Fische blickt, der Warner. Im Wald ist es der Eichelhäher und hier an meinem Wohnort bin ichs.

 

Und jetzt zum Kosmopoliten: der Kosmos ist der Funktionsbegriff der Wissenschaft. Da ist sich der G. nicht zu schad, die Stoiker in diese Richtung zu zerren,  zu „instrumentalisieren“ – ja pfuideiwel. Keiner darf mehr sein, wie er von Natur aus ist, davor warne ich, aber ach, wie hieß die Trojanische Seherin doch gleich wieder … ach Neptun, du hasts gegeben, du hast es genommen …

Kosmopolitan. Solange das sanftere Begriff Weltall nicht wieder zum offenen Raum wird, gerinnt mir der Kosmopolit zum Tecnoscheiß. Kosmopoliten können keine Poeten sein. Alle Welt belohnt Verflechtung des ewig selben.

Bis auf die Eichelhäher, bald folgen wir Donna.

 

Aber weiter, von der Wurzel der Bäume zum Wald. Dieser ist seit alters her das Unbewußte. Jeder Baum steht, jeder nach seiner Art mit der Wurzel zur Erdmitte. Das ist die Basis, der Körper, den man durch die Eltern hat.

Der Stamm wächst von der Erde weg in den Himmel, ihr Lieben, nicht in den Kosmos. Der Stamm, ich stamme aus dem Zweig der Dodona, hätt ich fast gesagt. Das Wort Kosmos und Dichtung, das geht nicht, ohne daß mich ein Frösteln überfällt ob der Leblosigkeit. Funktionalisiert, instrumentalisiert durch und durch, von Kosmos über die Stoiker bis zur Donna.

Der dunkle Wald des Unbewußten Aller. Fließen, knacken, Magenknurren.

Falsch gedacht, ei was?

Ja die Krone, die Frucht, damit die Kinder des Stammes satt werden. Stammt von mir, Lothar dem Baumstammler.

Darum geht’s nicht, ich weiß, es geht um den Haß am Beispiel Stalins. Für alle, die es schon immer wissen, den andern ist es sowieso egal. Für Buddha (und nur für ihn, nicht etwa für Kant) bestand die Nabe des Lebensrades aus der Dreiheit Gier, Haß und Verblendung. Ob nun also Haß, oder Gier, oder Eigendünkel, erkennt der Geist sich selbst im Spiegel, staunt er oder bricht zusammen. Man kann seine Geistesgifte zwar verdrängen, aber dann kommen sie zur Unzeit zurück.  Nur umwandeln. Erst dann darf man über andere richten. Jaja, das macht es mit mir so unangenehm, daß ich nicht erst vom Josef red‘.

 

Kassandra, jetzt aber …

 




Anmerkung von LotharAtzert:

  Klemm: Neid (auf keinverlag.de)

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