Iglu
Erzählung
von minze
Auf einmal höre ich sein Schreien nicht als Schreien, als er im Iglu ist. Er ruft aus ganzer Leibeskraft, begeistert, das Licht reflektiert hell auf dem Schnee und ich bin auch froh, froh, dass er laut sein kann und es nur gefiltert zu mir kommt, so angenehm gedämpft. In seinem Gesicht sehe ich alle Stärke, die raus kommt.
Ich habe Yann noch nicht gesagt, dass ich mein Herz bald kontrollieren lasse. Ich beobachte noch, wann ich was dort spüre, wann Enge, Stiche und dieses Untertunken, ist es Druck? Wenn ich oben in der Hütte meiner Großeltern bin, ist mein System weit unten, ich weiß nicht, ob auch der Puls sinkt. Ich bin in einem grundtiefen Niveau, auch ohne den Schnee gluckt der Pegel von Einflüssen ganz unten, nur in Bässen kommt das Blut ein bisschen in Bewegung. Ich krieg keine Peaks. Als ich mit Yann zusammengekommen bin, habe ich es als gutes Zeichen gewertet, dass ich nicht mehr so falle, dass es mit ihm konstant leicht ist.
Wenn ich mich jetzt hinlege, ist mein ganzer Körper schwer. Wenn wir liegen, würde ich kaum in Kontakt kommen können zu Yann. Wenn wir miteinander schlafen wollen, geht es nur auf dem Sofa oder dem Boden. Es geht auch, nachdem wir gestritten haben, weil ich, schon als ich danach aufstehe und Wasser und Wein hole, wieder beruhigt bin. Ich will einige Sachen erneut ansprechen, ich weine, sie werden aber schon bald verschluckt, als sie ausgesprochen sind. Ich weiß nicht genau, was ich möchte, eigentlich einfach seinen ganzen Körper umarmen und die Leichtigkeit nehmen, mich vergewissern, dass er sich einfach anschmiegt. Der Zugang liegt uns frei, ich werde nicht fordern, aber es mir machen lassen nach dem Streicheln. Als ich mich mehr löse, weine ich richtig. Ich habe solche Sehnsucht. Ich will es dir erzählen.
Gestern habe ich ausprobiert, was Paul am Telefon meinte. Wenn Joscha wütend ist, lasse ich ihn meist so sein. Als müsse es raus, ich gebe ihm Kissen, wir bewerfen uns. Oder ich halte ihn, manchmal finde ich es reicht, ich meine, ich könne es begrenzen. Er knurrt und schreit jetzt aber so sehr dabei, dass all das sein Spielfeld erweitert, das Spielfeld der Wut bereitet, so hab ich es gestern gesehen und habe gelitten, mit dem, was hinter der Wut ist. Mit Joscha, der geritten wird. Ich erinnere mich an Pauls Vorschlag. Ich frage Joscha, was machst du in der Wut? Ich haue um mich. Was machen die Füße? Treten. Was machen die Arme? Schlagen. Was machen die Hände? Fäuste, die schlagen. Welche Farbe hat die Wut? Rot. Was macht die Stimme? Was sagt die Sprache. Er antwortet sofort, er hat auf alles eine klare Antwort und geht in der Beobachtung, instantly, mit, ich versuche viele Fragen aus, als mir keine zur Wut mehr einfallen, frage ich, welche Farbe die Entspannung hat, was die Arme in Beruhigung machen und wie das Herz wird in Entspannung, oder wenn die Wut weg ist. Seine Antwort ist die Stimme wird süß, das Herz wird süß, ich erinnere nicht alles, aber diese Süße geht gleich in mich durch sein weiches Gesicht und hier fängt eine volle Vergewisserung an, dass das Joscha ist, dass Joscha das meint und wieder in sich steht. Ich bin gerührt von diesem Versuch. Vom davon ausgehen, dass das Feld der Wut nicht ausgelebt werden muss, dass der Wüterich überhand nimmt, aber Joscha ihn beschreiben und beseitigen kann.
Als ich es Yann sage, schmiegt sich Joscha an mich und sagt, dass es so schön war, nach der Wut zu fragen mit meinen Fragen. Dass er sich das zurückwünscht, weil das Beruhigen so schön war. Er lächelt frei.
Yann bringt ihm an dem Abend ein bisschen Belote bei, Joscha notiert die Punkte auf einem Zettel. Ich versuche mit Mara Memory auf dem Sofa zu spielen, sie setzt sich auf die Lehne nach meinem Wunsch, auf dem Sofa zu bleiben, damit alle Karten Platz haben. Wie ein Kätzchen sucht sie sich ihren Platz, auch wenn er klein ist.