Es ist ein Paukenschlag, den Amazon-Chef Jeff Bezos da unlängst verkündet hat. Der schwerreiche Oligarch, der auch der Besitzer der „Washington Post" ist, hat in einem Schreiben an seine Angestellten verkündet, dass zukünftig im Meinungsressort primär über freie Märkte und persönliche Freiheit geschrieben werden darf. Gegensätzliche Positionen seien nicht mehr zugelassen. Es scheint, als wolle Bezos damit seine Zeitung – ein Flaggschiff des amerikanischen Journalismus – in ein libertäres Kampfblatt verwandeln.
Einmal mehr zeigt in diesen Tagen ein amerikanischer Konzernchef, welche Macht er hat. Mit seinem Vorgehen hat Bezos nicht nur die journalistische Unabhängigkeit der Redaktion zu Grabe getragen, sondern es ist ihm auch gelungen, seinem Oligarchen-Kollegen Musk für einen Tag bei dessen Vorhaben, die amerikanische Demokratie zu unterminieren, die Schau zu stehlen. Der hat Bezos durch sein Medium X immerhin brav Beifall gespendet.
Schon lange wird in Amerika die Frage diskutiert, wie sehr die amerikanische Demokratie durch die Macht der Milliardäre und Konzernchefs oligarchische Züge angenommen hat. Lange Zeit war das primär eine Diskussion im linken politischen Lager sowie unter Wissenschaftlern und Intellektuellen. Das Vorgehen von Trump, Bezos und Musk aber hat vielen Menschen auch im bürgerlichen Lager vor Augen geführt, wie gefährlich es ist, wenn sich Macht und Reichtum in den Händen von wenigen Menschen ballen, die Werte wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität mit Füßen treten und die Freiheit vor allem als das Recht des stärkeren interpretieren.
Dominierte in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Ländern der westlichen Welt ein demokratisch regulierter Kapitalismus, der durch unabhängige staatliche Institutionen und sozialstaatliche Maßnahmen eingehegt wurde und dadurch ein menschliches Antlitz erhielt, so trat ab den 1970er Jahren mehr und mehr ein neoliberaler Kapitalismus an dessen Stelle. Damit einher gingen die Deregulierung der Märkte, die Absenkung der Steuern primär für die oberen Schichten, die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die ökonomische Durchdringung des gesellschaftlichen Lebens, wachsende Armut und Ungleichheit in den westlichen Ländern und anderswo. Ab den 1980er Jahren gewannen rechtspopulistische Parteien in diesen von wirtschaftlichen Krisen und zunehmenden Verteilungskämpfen geplagten Ländern mit ausländerfeindlichen Parolen an Macht. Auch der Diskurs gegenüber armen Menschen verschärfte sich, angefacht durch die Parteien von rechts bis zur (grün-sozialdemokratischen) Mitte sowie deren Stichwortgebern in der Wirtschaft und den Medien.
Mit Donald Trumps zweiter Amtszeit als Präsident der USA scheint der neoliberal-technokratische Kapitalismus der westlichen Welt in eine offen-autoritäre Phase übergegangen zu sein. Hinter der populistischen Stimmungsmache des rechten Lagers gegen Staat, Bürokratie und Steuern steht nichts anderes, als der Wunsch lästige Institutionen sowie Gesetze zum Schutz der Arbeitenden, der Armen, der Frauen und Minderheiten sowie der Umwelt aufzuheben und zu zerstören. Der libertäre Minimal-Staat, der vielen Bossen und Milliardären vorschwebt, bringt den Menschen keine Freiheit, er ist der autoritäre Erfüllungsgehilfe einer reichen Elite, die glaubt, sich des demokratischen Staates entledigen zu können. Noch sind es vor allem amerikanische Milliardäre, die solche Überzeugungen offen vertreten, aber die Gefahr ist groß, dass auch in anderen westlichen Ländern ihr Beispiel Schule macht. Dass das bereits der Fall ist, zeigt der Fall des deutschstämmigen Milliardärs und Trump-Fans Peter Thiel, der offen erklärt hat, dass Freiheit und Demokratie nicht miteinander vereinbar seien.
Bei aller Empörung über das Vorgehen Trumps und seiner schwerreichen Paladine sollte aber eines nicht vergessen werden: der Kapitalismus wird durch ihr Vorgehen nicht in ein falsches Licht gerückt, es ist vielmehr eine Rückkehr zu seinen dunklen Wurzeln. Ohne die Maske der demokratischen Regulierung zeigt der Kapitalismus seine hässliche Fratze. Dass rechte und rechtsextreme Bewegungen in der westlichen Welt zurzeit immer stärker werden und in einigen Ländern bereits die Macht übernommen haben, passt in dieses Bild.
Der Philosoph Max Horkheimer prägte einst den Satz „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen". Im Zeitalter von Trump, Musk und Co. wird den Menschen wieder bewusst, wie eng diese Verbindung ist. Im Kampf um Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Gerechtigkeit, müssen sich die Menschen daher auch die Frage stellen, welches Wirtschaftssystem, wieviel Konzentration von Macht und Reichtum und wieviel Ungleichheit sie wollen. Der neoliberale Kapitalismus der vergangenen Jahrzehnte hat bewiesen, dass er nicht zu blühenden Landschaften, sondern in die finstere Sackgasse des Autoritarismus führt.