Wenn...
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von Saudade
Kommentare zu diesem Text
Solch ein Fall ist jetzt gerade in Deutschland vom Landgericht Kaiserslautern entschieden worden; die FAZ vom 17. April 2025 berichtet darüber: „Notwehr oder Totschlag?“
Zum Hintergrund:
Die junge Frau stammt aus schwierigen Familienverhältnissen, muß wegen ADHS Medikamente nehmen, wurde wegen Depressionen und Angststörungen behandelt, nimmt Drogen.
Der Mann ist Anfang der 80er Jahre aus Eritrea nach Deutschland gekommen und mehrfach wegen sexueller Belästigung, Körperverletzung und Beleidigung vorbestraft.
Das Urteil:
Während die Staatsanwaltschaft auf Körperverletzung mit Todesfolge plädiert hatte, erkannte das Gericht auf Totschlag. Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung, Verpflichtung zur Teilnahme an einer Drogenberatung, 500 Sozialstunden (gemäß dem Wunsch der jungen Frau in einem Tierheim).
Die Tat, die das Leben von Fallyn B., der Angeklagten, grundlegend verändert, trägt sich an einem warmen Junitag im Sommer vergangenen Jahres zu. B. ist auf dem Weg ins Schwimmbad. Kurt bevor sie die Rolltreppe im Kaiserslauterner Hauptbahnhof verlässt, greift ihr ein Mann Anfang 60 an den Hintern. Die vielen Kameras der Deutschen Bahn, die erst wenige Wochen zuvor montiert wurden, zeigen die sexuelle Belästigung deutlich. Sie sagt mehrmals „Don’t touch me“ [die junge Frau stammt aus den USA], er solle sie nicht anfassen. Sie zückt ein Messer, er weicht deutlich zurück, sie sticht in die Luft, er will ihr das Messer abnehmen, fasst sie an den Arm. Sie ändert die Messerhaltung: Nachdem sie es erst vor sich hielt, sticht sie von oben auf den Mann ein und trifft ihn ins Herz. Für das spätere Urteil ist es ein entscheidender Moment. Sie geht weiter, er stirbt. Am nächsten Tag meldet sich die junge Frau auf einer Polizeidienststelle.
Zum Hintergrund:
Die junge Frau stammt aus schwierigen Familienverhältnissen, muß wegen ADHS Medikamente nehmen, wurde wegen Depressionen und Angststörungen behandelt, nimmt Drogen.
Der Mann ist Anfang der 80er Jahre aus Eritrea nach Deutschland gekommen und mehrfach wegen sexueller Belästigung, Körperverletzung und Beleidigung vorbestraft.
Das Urteil:
Während die Staatsanwaltschaft auf Körperverletzung mit Todesfolge plädiert hatte, erkannte das Gericht auf Totschlag. Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung, Verpflichtung zur Teilnahme an einer Drogenberatung, 500 Sozialstunden (gemäß dem Wunsch der jungen Frau in einem Tierheim).
Ja, Mord ist ein Vorsatzdelikt. Der fehlt hier. Totschlag ... ja. Aber, heftig eskaliert, von "Notwehr" keine Spur, eher ein Notwehrexzess.
Notwehrexzeß, ja. Aber muß nicht auch bei Totschlag eine Tötungsabsicht vorliegen? Die Staatsanwaltschaft hat diese verneint (wozu auch ich neige, weil die junge Frau anscheinend instabil tickt, irrational), während das Gericht bei einem mit großer Kraft in die Brust geführten Stich davon ausgegangen ist; die Folge eines solchen Stiches habe ihr klar sein müssen.
Mord: geplant, heimtückisch, niedere Motive. Das liegt hier nicht vor.
Mord: geplant, heimtückisch, niedere Motive. Das liegt hier nicht vor.
Antwort geändert am 18.04.2025 um 16:45 Uhr
Nein, eben nicht. Das ist der Unterschied zum Mord, der IMMER, ein Vorsatzdelikt ist. Hier, Totschlag: asthenischer Affekt: Wut, Zorn, Hass, ...
Mich irritiert hier nur die Schuldebene: ihre Drogenabhängigkeit. Sehr schwieriger Fall.
Mich irritiert hier nur die Schuldebene: ihre Drogenabhängigkeit. Sehr schwieriger Fall.
Aha.
Ich kann's natürlich nur für Deutschland sagen und habe zu diesem Zweck Thomas Fischers StGB-Kommentar befragt.
Das ist der Gesetztestext, und der kann zu Deinem Standpunkt passen. In Fischers Kommentar heißt es nun aber:
(Hervorhebungen im Original)
Andernfalls könnte ich das nicht von der Körperverletzung mit Todesfolge - im vorliegenden Fall das Plädoyer der Staatsanwaltschaft - unterscheiden.
Das Gericht aber hat die Tötungsabsicht unterstellt, und deswegen sei es Totschlag.
Ich kann's natürlich nur für Deutschland sagen und habe zu diesem Zweck Thomas Fischers StGB-Kommentar befragt.
§ 212
Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
Das ist der Gesetztestext, und der kann zu Deinem Standpunkt passen. In Fischers Kommentar heißt es nun aber:
Subjektiver Tatbestand. § 212 setzt Vorsatz voraus; bedingter Vorsatz genügt.
Andernfalls könnte ich das nicht von der Körperverletzung mit Todesfolge - im vorliegenden Fall das Plädoyer der Staatsanwaltschaft - unterscheiden.
Das Gericht aber hat die Tötungsabsicht unterstellt, und deswegen sei es Totschlag.
Es kann sein, daß psychische Probleme und Drogenabhängigkeit in die zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung eingeflossen sind - was ja am unteren Ende der Skala liegt; aber mir stellt sich auch die Frage, ob sie nicht zusätzlich den Vorsatz fragwürdig machen.
Vergleich mit Deutschland. Auch bei uns Vorsatz. Ich korrigiere mich!!! Das ist total schwer.
Antwort geändert am 18.04.2025 um 19:08 Uhr
O.k.
Ich verstehe das so: Wenn in mir spontan der Wunsch entsteht, jemanden zu töten, weil der mich soeben den Sohn einer blutpissenden chinesischen Waldhure genannt hat, und ich mich dazu eines zufällig da liegenden Küchenmessers bediene, das ich ihm nicht hinterrücks, sondern von vorn in ein lebenswichtiges Organ stoße, dann ist das Totschlag, nicht Mord.
Aber was heißt das nun für Tosca und Fallyn?
Ich verstehe das so: Wenn in mir spontan der Wunsch entsteht, jemanden zu töten, weil der mich soeben den Sohn einer blutpissenden chinesischen Waldhure genannt hat, und ich mich dazu eines zufällig da liegenden Küchenmessers bediene, das ich ihm nicht hinterrücks, sondern von vorn in ein lebenswichtiges Organ stoße, dann ist das Totschlag, nicht Mord.
Aber was heißt das nun für Tosca und Fallyn?
Hier die Lösung:
(Lewisch, Casebook Strafrecht⁷, Seite 62)
Tosca hat §75 (allenfalls §76) verwirklicht. Objektiv liegt ein Angriff auf ihre Freiheit und körperliche Unversehrtheit vor, dieser wäre aber nach tatsächlicher Sachlage (objektiv ex ante) mit einem weniger einschneidenden Mittel (Bedrohung mit Pistole) verlässlich abzuwehren. Tosca ist daher nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Doch nimmt sie einen Sachverhalt an (einzig verfügbares, verlässliches Abwehrmittel: Brieföffner), bei dessen Vorliegen auch eine Messerattacke gegen Scarpia die notwendige Abwehr darstellt. Deshalb entfällt wegen §8 die Vorsatzhaftung der Tosca (für dich: §8 wird auf der Schuldebene geprüft!) §8 =Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt.
(Lewisch, Casebook Strafrecht⁷, Seite 62)
Tosca hat §75 (allenfalls §76) verwirklicht. Objektiv liegt ein Angriff auf ihre Freiheit und körperliche Unversehrtheit vor, dieser wäre aber nach tatsächlicher Sachlage (objektiv ex ante) mit einem weniger einschneidenden Mittel (Bedrohung mit Pistole) verlässlich abzuwehren. Tosca ist daher nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Doch nimmt sie einen Sachverhalt an (einzig verfügbares, verlässliches Abwehrmittel: Brieföffner), bei dessen Vorliegen auch eine Messerattacke gegen Scarpia die notwendige Abwehr darstellt. Deshalb entfällt wegen §8 die Vorsatzhaftung der Tosca (für dich: §8 wird auf der Schuldebene geprüft!) §8 =Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt.
Bleibt nur noch die Frage offen, wie man auf
kommt?
😂
den Sohn einer blutpissenden chinesischen Waldhure genannt hat,
😂
Willst Du einen Mann beleidigen, dann beleidige seine Mutter. Das szenentypische "Motherfucker" ist mir zu unpoetisch.
😂😂😂
Was mir mal wirklich jemand gesagt hat: "Weimer, bei dir haben sie wohl die Nachgeburt großgezogen!" Leider lag da gerade kein Küchenmesser herum.
Sicher hätte ich einen gnädigen Richter gefunden: zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung oder so. Auf Sizilien, wo Mannesehre noch gilt, ein Jahr plus Augenzwinkern des Richters.
Sicher hätte ich einen gnädigen Richter gefunden: zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung oder so. Auf Sizilien, wo Mannesehre noch gilt, ein Jahr plus Augenzwinkern des Richters.