Gestern ist der Vater meines besten Freundes gestorben. Er telefonierte mit mir noch vorgestern, dass der Papa in der Intensiv sei. Der Freund war verzweifelt, plötzlich, es begann vor ein paar Monaten, ging der Vater, der täglich 8-10 km spazieren ging, nicht mehr aus dem Haus, aß nur noch, wenn man ihn nötigte, nahm 20 kg ab und wurde schwächer und schwächer. Er wurde zu sämtlichen Ärzten geschleppt, die ihn auf Herz, Lunge, Nieren, Darm, Gefäße, einfach alles, untersuchten, sie fanden nichts Lebensbedrohliches.
Ich sagte: "Das klingt nach einer waschechten Depression." Das bejahte mein Freund. Der Vater weigerte sich, zur Therapie zu gehen. Der Sohn nahm den Vater zu sich.
Vorgestern brach er zusammen und lag am Boden, war zu schwach, wieder aufzustehen. Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Dort bekam er wieder ein CT und alle Untersuchungen. Nichts, die Werte waren in Ordnung. Gestern Abend verstarb er. Und das Schlimme: Der Sohn weiß nicht warum und wird an dem Nichtwissen verzweifeln. Ich dachte, sagte es nicht, weil es in dem Moment unpassend ist: "Wenn die Seele nicht mehr will, nützt gar nichts mehr."
Der Vater war 82. Er fühlte sich nicht mehr gebraucht. Der Sohn gab die Buchhaltung für das Geschäft dem Steuerberater, das machte sonst immer der Vater, das war auch richtig so, denn der Sohn fand, dass der Vater nun endlich seine Rente genießen soll. Er hat immerhin 68 Jahre gearbeitet. 68 Jahre durch! Zuerst ging das gut, aber nur ein halbes Jahr, dann begann das Zerbrechen.
Unsere Gesellschaft legt stets das Hauptaugenmerk auf die Erwerbstätigkeit. Schaffe, Schaffe, Häusle baue! Und dann, wenn es nicht mehr geht, schiebt man ab oder die Alten fühlen sich abgeschoben. Das hat unser Bild vom Leben geschaffen: Bist du alt, bist du nichts mehr wert.
Der Vater war Opfer dieses Bildes und hat sich das selbst eingeredet, denn er hatte genug finanzielle Mittel, um noch zu reisen, schöne Dinge zu tun. Aber, er war alleine und im Alter alleinesein ist fatal. Geld allein macht nicht glücklich, der Mensch braucht Aufgaben, die hat er sich nicht mehr gefunden.
Ich sagte: "Mein allerherzlichstes Beileid." Traurig. Wirklich traurig. Ich mochte seinen Vater gerne.