„I’m a Loser Baby“

Text

von  Alex



Er weiß nicht, wann es angefangen hat. Vielleicht, als er zum ersten Mal begriffen hat, dass manche Menschen eben gewinnen und andere nicht. Dass es nicht immer an Talent liegt oder an Fleiß oder daran, wie sehr man sich anstrengt. Manche ziehen die richtigen Karten, andere nicht.


Er war nie ein Gewinnertyp.


Und das ist okay. Für ihn.


Aber die Leute – die Leute tun, als wäre das nicht okay.


"Du musst dich mehr lieben." "Du darfst nicht so über dich reden." "Wenn du so von dir denkst, wie sollen andere dich dann lieben?"


Immer diese Sätze. Immer dieser verdammte Versuch, ihn zu reparieren. Als wäre er ein kaputtes Projekt, das noch gerettet werden kann. Als würde es an einem einzigen Wort hängen. Als wäre das Problem nicht, dass die Welt verdammt nochmal einfach so ist, sondern dass er es wagt, es auszusprechen


Und genau das stresst ihn. Nicht, dass er ein Loser ist – sondern dass alle so verdammt viel daraus machen. Dass sie ihn ständig antreiben wollen, ihn verändern wollen, ihm dieses nagende Gefühl geben, dass er mehr aus sich machen muss.


Aber warum?


Er lügt nicht. Nicht über sich. Nicht über seine Fehler. Und wer hat eigentlich bestimmt, dass es verfickt noch mal schlimm ist, ein verdammter Loser zu sein?!


Er ist mit Anfang 30 noch nicht alt. Noch jung genug, um alles zu ändern. Theoretisch. Er denkt auch manchmal darüber nach – aber nur, weil andere ihm das Gefühl geben, er müsste es.


Er will nicht.


Und das ist der Punkt, den keiner versteht: Er hat nie gesagt, dass es schlimm ist, ein Loser zu sein. Dass er leidet. Dass er sich in seinem eigenen Leben nicht wohlfühlt. Er leidet nur daran, dass andere ihm ständig sagen, dass er es sollte. Dass er es müsste.


Aber er ist einfach nur er.


Kein schöner Mann, aber auch nicht hässlich. Sein Gesicht – es ist kein Modelgesicht, aber es gehört ihm, und das reicht. Es trägt die Spuren seiner Vergangenheit darin. Es ist ein ehrliches Gesicht. Ein Gesicht, das Dinge gesehen hat.


Aber das reicht den Leuten nicht.


Sie wollen nicht nur, dass er sich mag – sie wollen, dass er sich feiert. Dass er so tut, als wäre das Leben ein verdammter Werbespot, in dem man jeden Morgen aufsteht, und vorgibt, man würde sich für den größten Rockstar aller Zeiten halten. Dabei sind die größten Rockstars aller Zeiten vor allem eins: Überwiegend schon tot.


Er weiß, wer er ist. Er weiß, dass er sich oft selbst im Weg steht, dass er Dinge versaut, dass er zu schnell handelt, ohne nachzudenken. Aber er weiß auch, dass er ehrlich ist. Dass er loyal ist. Dass er, wenn er liebt, es mit jeder gottverdammten Faser seines Körpers tut. Er liebt zu schnell, zu tief, zu viel auf einmal. Lässt Menschen zu nah an sich ran, ohne sich abzusichern. 


Und irgendwann gehen sie. Weil sie es nicht aushalten. Nicht ihn. Nicht seine Worte. Nicht die Art, wie er sich selbst sieht. Nicht die Schonungslosigkeit seiner Wahrheit. Nicht, weil er sich nicht liebt. Sondern weil er es nicht nötig hat, sich anzulügen.


Und das Tragische ist nicht, dass sie gehen. Sondern dass kaum Einer mal auf die Idee kommt, zu sagen: "Ist mir scheißegal. Ich liebe dich trotzdem."


Aber manchmal bleiben welche. Nicht viele. Und oft nicht sehr lange. Aber manchmal bleibt jemand lange genug, um zu zeigen, dass es möglich ist. Dass es Menschen gibt, die ihn nehmen, wie er ist, ohne dass er sich verstellen muss. Vielleicht gehen auch sie irgendwann. Vielleicht bleibt am Ende trotzdem nur er selbst. Aber das ist okay.


Denn wenn das Leben schon kein Werbespot ist, dann braucht es auch kein Happy End.


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