Geschäft ist Geschäft. Soviel kann man konstatieren, ohne den näheren Geschäftszweck zu kennen. Der Satz sagt ja lediglich, dass Geldverdienen eine Sache ist, auf die man sich besser konzentrieren sollte, sofern man das vorhat.
Es begab sich aber zu jenem letzten Wochenende im Juni - wie jedes Jahr - dass ich mit meiner Frau im Ruhrgebiet zum Besuch der „Nacht der Industriekultur“ oder kurz, zu „Extraschicht“ weilte.
Ein tolles Programm, von Theater über Tanz, Akrobatik, Zauberei, Musik jeglicher Couleur, Rave, Fotografie, Skulptur oder Führungen durch alte Industrieanlagen. 52 Orte zwischen Unna und Duisburg. Die Veranstaltungen sind immer eine Symbiose aus Aufbruch, geradliniger Mentalität und Melancholie, bei der die Künstler perfekt die Gemütslage von mindestens drei Generationen wiederspiegeln.
Oft hat eine Familie hier die Generation der Bergleute und Stahler, die Generation der ‚Umschuler‘ weil Industrien schließen und der ‚Aufbrecher‘ die neue Chancen sehen und wahrnehmen. Bei vielen Acts bekommt man Pipi in die Augen, echt jetzt!
Alles hängt jedoch von zwei Faktoren ab. Der Nahverkehr muss funktionieren und die Versorgung mit Getränken und Speisen muss klappen.
Unser Zweitwohnsitz liegt in Hattingen, ganz im Süden des Ruhrgebiets an der Grenze zum Bergischen Land. Es ist superschade, dass es nicht gelingt, die Verkehrsströme zu bewältigen. Wenn mehrfach S-Bahnen uns Straßenbahnen ausfallen, schadet das allgemein der Akzeptanz dieser großartigen Idee!
Schlimmer hat es uns getroffen, als uns der kleine oder größere Hunger plagte. In einer Lokation hat die Feuerwehr versucht, auf einem Elektrogrill den Ansturm an Bratwurstanfragen zu bewältigen. Die Würste hatten alle ein weiches Saunatuch untergelegt und als ich bestellte, rief ein besonders vorlautes Exemplar, wo denn der Aufguss bliebe. Nach 20 Minuten hatte ich die Wurst, die sich ergeben hatte. Da waren die Semmeln alle. Der E-Grill wurde vermutlich eingesetzt getreu dem Motto „Vermeiden statt Löschen“.
Umzug in die nächste Stahlhütte. Am Grillstand wurde Nummer 387 ausgerufen und mittlerweile Nummer 448 verkauft. Es blieb mir ein Rätsel, wie 5 Beschäftigte so eine Schlange erzeugen konnten.
Dann allerdings wurde es offenbar. Just im Moment, als ich anhub zu bestellen, verkündete der Wagenkapo „10 Minuten Pinkelpause für alle Mitarbeiter“. Nach ca. 25 Minuten, die Uhrzeiger näherten sich endlich einige Mitarbeiter und schon 23:35 setzte der Betrieb wieder ein - endlich Bestellung.
Die Frau vor mir - eine Wurst. Bezahlen, Bon, Ausruf an die Brater und Warmhalter, Rückversicherung, ob auch keiner was dagegen hätte, Aufruf der Nummer (wohlgemerkt die erste nach der Pause!), Suche der Kundin, Auslieferung der warmgehaltenen Wurst - 7 Minuten. Gleiches Spiel mit meinem Steak. Fast. 11 Minuten. Inzwischen war der letzte Feueract zu Ende aber ich hatte was zwischen den Kiemen. Das Steak schmeckte, als wäre es bei der Hochsommertemperatur auf dem Vorbereitungstisch im Zuge des Liegenlassens Sous Vide gegart worden.
Geschäft ist Geschäft!
Man muss zusammenfassend sagen, tolles Event. Aber! Hätte beim Brater, beim Bier oder im Nahverkehr ein Unternehmer in Beteiligung gestanden, wäre er heut kahlköpfig, da er sich die Haare ausgerauft hätte. Personalmangel, unfähige Mitarbeiter und Bezahlung nach Arbeitszeit können so ein megatolles Event echt verderben.
Trotzdem: Nächstes Jahr will Euch Euch alle da sehen - wenigstens zum Rave im Pavillon auf dem Ruhrmuseum in der Zeche Zollverein in Essen. Echt jetzt! Ehrlich!