Nonsens 22
Skizze zum Thema Begegnung
von Augustus
Es ist eine Weile her als ich das letzte Mal schrieb. Ich habe zwischendurch keine Aktivitäten gezeigt. Was heißt Aktivitäten? Ich lungerte gut drei Monate täglich in den Cafés der Stadt und kenne nun jeden, kenne die besten Orte, weiß wo man den besten Kaffee trinkt. Mein Hypnose-Praxis habe ich urlaubsbedingt für diesen Zeitraum geschlossen. Baronesse ist sowieso in der Welt unterwegs und schickt mir Postkarten: aus China, aus Indien, aus Japan und letztens bekam ich eine aus Nepal, eine Postkarte mit einem roten Lippenabdruck von ihr und Tulpenduft, sowie ein Foto, wo sie mit einem glatzköpfigen Mönch vor dem Hintergrund einer gewaltigen Berglandschaft posiert.
Ich schlürfe an meinem Cappuccino.
Langeweile ist das Schönste was existiert, dachte ich und gähnte vor mich hin. Ich merke aber, dass es dem Grunde nach keine Langweile war, sondern eine tiefe Entspannung, die meinen Zustand ausmachte. Langeweile ist, so wie mir die Baronesse einmal sagte, wenn man mit dem Ehegatten in dieselbe Erlebnisgastronomie gut essen geht und man sich nichts zu sagen hat und man das gute Essen auch nicht als Erlebnis (mehr) empfindet. Ihr Humor amüsierte mich immer köstlich. Ihren Ehegatten dürfte ich einmal bei einem Event kennenlernen. Ein Jahrzehnt älter als sie, groß gewachsen und schlank, Adlernase und Augen wie Habicht. Juristisch geschult und sogar vom alten Adelsgeschlecht. Insgesamt eine überaus imposante Erscheinung schüttelte mir die Hand, mir – dem Teilzeithypnotiseur, der in 3 Tagen seine Ausbildung zum Hypnotiseur absolvierte und mit einer Bescheinigung über das Bestehen dieses Kurses, gleich dann mit Hilfe des Arbeitsamtes seine Praxis eröffnete. Der Mitarbeiter im Arbeitsamt tat alles – um mich nur wieder so schnell wie möglich loszuwerden.
Ich wohnte in einer Drei-Zimmer-Wohnung und richtete in einem der Zimmer meine Praxis ein. Stellte hilfsweise ein paar Blumen und einen Buddhastatue (die ich beim örtlichen Chinesen gekauft hatte) in den Raum. Installierte Jalousien ans Fenster, kaufte eine Couch bei IKEA im Sonderangebot und zwei Stühle und einen Tisch. Ja, mehr brauchte es nicht. Eine Musikbox noch, für das imitieren von plätschernden Bächen oder Wellen am Meer.
Wer von den Lesern meinen Werdegang von Anfang an verfolgt hat, weiß mittlerweile, wie ich die Bekanntschaft mit der Baronesse gemacht hatte. Heute jedoch, stand ich vor ihrem Ehegatten, der mich von oben bemusterte und verzweifelt versuchte in seiner Welt der Vernunft und Logik herauszufinden, wie um Himmels willen ich es geschafft habe, seine Ehegattin wieder glücklich zu machen, was ein Vermögen von etwa paar Milliarden, die er besaß, nicht vermochten.
Er nahm ich für ein paar Minuten zur Seite und fragte mich: „Wie zum Teufel haben sie das angestellt?“ fragte er. „Sind sie sowas wie ein Hütchenspieler oder Zauberer oder vielleicht bloß ein Scharlatan.“
„Weder noch.“ Antwortete ich. „So wie sie eine oder gar mehrere Gaben haben, hat mir die Demiurgin wohl auch eine gegeben, Menschen ihr eigentliches Wesen zu offenbaren und sie zu sich selbst zu führen.“
„Junger Mann,“ sagte er“, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht an sie. Welche wollen sie zuerst hören.“
„Die gute Nachricht zuerst, weil es könnte ja zwischenzeitlich etwas passieren, so dass sie die Gelegenheit gar nicht mehr haben werden, mir die schlechte Nachricht zu sagen.“
Er fand das sehr amüsant. „Nun, ich bin ihnen dankbar, dass sie meine Ehegattin wieder seelisch hergestellt haben. Wir haben es mit dutzenden Therapeuten und Psychologen versucht – vergebens. Bei ihnen fand sie den Schlüssel, den sie für ihr Schloss gebraucht hat.“
Ich nahm die Worte wohlwollend zur Kenntnis.
Und tatsächlich rief seine Ehegattin und Freunde von ihm, sowie Geschäftspartner ihn in dem Moment zu sich, so dass er sich dem Ziehen und Zerren der geforderten Blicke der anderen über seine Anwesenheit sich nicht entziehen konnte und begab sich zu ihnen, ohne dass er mir die schlechte Nachricht noch sagen konnte. Er ging aber von mir in dem er seinen Zeigefinger gegen mich zwei oder drei Mal richtete, so als eine Art denkwürdiger Geste, die zwar nun für meinen Vorteil ausging, aber nicht vergessen wird.
Er kam später – als ich das Event verlassen wollte – schnell noch zu mir und sagte mir die schlechte Nachricht doch noch: „Die schlechte Nachricht ist, dass sie meine geliebte Ehegattin nun weiterhin – auch in meinem Namen – betreuen müssen. Das Geld, was sie ihnen zahlt, zahle ich ihnen ebenfalls. Das bleibt aber unter uns. Keine Widerrede bitte.“
„Keine Widerrede“ entgegnete ich.
Nun hatte ich in den wenigen Monaten – nach dem Besuch des Events - bereits 70.000 Euro verdient mit etwa 10 Stunden Arbeit im Monat. Was für mich als Berufsanfänger sehr viel war, waren es für den Milliardär natürlich nur Peanuts.
Es sprach sich aber bald rum, dass ich der Baronesse für ihr seelisches Befinden so gute Dienste geleistet hatte, dass die Gattinnen weiterer Milliardäre regelrecht mich anflehten, sie bei mich zu nehmen und zu behandeln; denn sie gehen an dem Überfluss und der Künstlichkeit gänzlich zugrunde, die sie täglich um sich haben.
„Oh,“ suchen sie das Seelenheil in der transzendenten Welt, lassen sie es sich von der äußeren Welt nicht vorschreiben, wie ihre innere Welt auszusehen hat. Lassen sie ihre innere Welt der äußeren Welt vorschreiben, wie sie sein soll.“ Sagte ich.
„Helfen sie mir, es so machen zu können, wie sie es so leicht sagen.“flehte eine Millardärsgattin mich an.
Ich staunte nicht schlecht an der Höhe der Geldüberweisung (4 Jahreslöhne eines Durchschnittsarbeiters), was ein heiteres, gutes und übrigens frisch und nicht verbrauchtes Lebensgefühl – und das ohne religiöse Indoktrination – den reichen Menschen wert ist.
Nun, wie habe ich das geschafft? Ganz einfach. Ich einte die beiden Milliardärsgattinnen als beste Freundinnen fürs Leben. Sie unternehmen seit sich bei mir in den Sitzungen sind, immer gemeinsam alles. Sie teilen ihre furchtbar lange und freie Zeit zusammen und bereisen zudem als Samaritianer den Kontinent Afrika, um dort gegen das Elend den Menschen zu helfen.
Die bloßen Millionärsgattinnen habe ich dagegen abgelehnt. Die sind zu geizig. Sie glauben immer, mit ihrem Wohlstand gehe es immer abwärts als aufwärts und darum sind sie knauserig.
Als die junge Kellnerin kommt, bestelle ich bei ihr einen weiteren Kaffee und lasse meinen Blick über die Terrasse und den blauen Himmel schweifen, in eine Ferne, wo die hiesige Wirtschaft kollabiert und das politische Pulverfass explodiert, und mich dabei frage; ob ich auf einer Yacht oder einer Insel fernab des sozialkulturellen, politischen und wirtschaftlichen Desasters der Nation meine besseren Tage verbringen soll oder nicht.