Ludwig der II., bayerische König und heutiges Vorbild - Essay

Essay zum Thema Allzu Menschliches

von  pentz

(Grundlage ist das Buch „Ludwig II von Bayern“ von Herre, Franz, Weltbild Verlag Augsburg 1995)


Die bayerischen Schlösser, Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Linderhof sowie das Königshaus am Berg Schachen wurden zum Weltkulturerbe erklärt. Das ist doch ein Anlass über den Erbauer zu reflektieren.

Solche ein bayerischer König ist das Produkt seiner Umwelt, zunächst mal der seiner Familie. Die eine Hälfte ist preußisch, die andere genuin bayerisch. Inzucht und ihre Folgen zeigten sich nicht nur bei Ludwig und seinem Bruder Otto, sondern auch bei der Kusine Sissi, der österreichischen Kaiserin (S. 61).

Man muss das so sehen: Die europäischen Adligen haben sich nur unter sich vermählt, so dass beispielsweise der ungarische König „sein“ ungarisches Volk nicht verstand, weil er deren Sprache nicht verstand, stattdessen Französisch und Deutsch. [Was sie allerdings verstanden, die Adligen, das war, ihremVolk Fron leisten zu lassen, noch bis in die Vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts hinein. Meines Vaters Familie musste für den Herren Adligen etliche Monate im Jahr arbeiten und einen Anteil seines erwirtschafteten Ertrages abliefern.]

Was berichtet man über die Bayern zu Ludwigs Zeit? Träge, gefräßig, versoffen, streit- und rauflustig, kurzum Schläger und Stenzen waren sie. Im Vergleich dazu die Schwaben: geizig, fleißig, grantelnd, zurückgezogen, nicht gerade weltoffen. (S. 27 – 28.) Die Preußen: militaristisch, untertänig, strebsam und kriegerisch. Der Preußische Deutsche König zeigte sich entsetzt, als er den Bayern in München ansichtig wurde: übergewichtig, fett und behäbig wie Dampfwalzen seien sie.

Unter dem Blickwinkel von heute ist dieser preußische Blick sympathisch, so empfinden wir Fitness-besessenen und Körper-gestylten neumodischen Menschen doch. Noch aber, das könnte sich leider gerade ändern, kommt uns der Preußische Militarismus abstoßend an: Es war ein Volk von Bürgern, die wie aufgezogene mechanistische Puppen herumliefen und sich nimmermüde zackig mit militärischen Ehrenbezeigungen begrüßten. Man weiß nur zu gut, welch großes Unheil diese Junker, Altadligen und preußischen Monarchisten in der deutschen Geschichte gespielt haben, hoffentlich noch! Dieses Wissen scheint zu verblassen, wenn man den nunmehr anziehenden Bundeswehr-Fetischismus, Kriegstüchtigkeit à la Boris Pretorius (der derzeitige Bundeswehr-Minister) auf Schritt und Tritt begegnen muss. [Der Mörder Carl Liebknechts war ein Junker, der niemals zur Verantwortung gezogen worden war, im Gegenteil, er machte anschließend Karriere bei der Deutschen Lufthansa.]

Die Bayern, da sind sie sympathisch, sind wenngleich rüde und gegenüber Fremden wenig umgänglich und freundlich, alles andere als kriegswütig. Zwar haben sie auch gegen die Franzosen im Krieg Deutschland/Frankreich 1870/71 gekämpft, aber im Großen und Ganzen widerwillig. Der bayerische König Ludwig der II. verabscheute nichts mehr als das Säbelrasseln der Hohenzollern.


Nicht der Verrückte, sondern seine Umwelt ist verrückt.

Das trifft zu bei Carla Schumanns Sohn, der in die Psychiatrie gesteckt wird und dem Löcher in den Kopf gebohrt werden, damit der giftige Qualm, den das kranke Hirn des vermeintlich Verrückten produziert, ungehindert abdampfen kann – so die Theorie der Psychiater. („Carla Schumann, Klavier.“ Kühn, Dieter.)

Ver-rückt erscheint mir Ludwig der II. in seiner Liebe zu Wagner. Er schreibt Liebesbriefe, in dem er seine Existenz von ihm abhängig macht. Ansonsten zeichnet sich Ludwig durch Marotten aus, die in seiner exorbitanten Stellung verursacht sind, hauptsächlich Gängelung seiner Mitlebenden. Sein extremer Isolationsdrang – wie viele Menschen können den nicht nachvollziehen? Dumm nur, dass er König geworden ist und die Rollenerwartungen entgegen diesen seinen Neigungen stehen.

Ludwig der Zweite ist ein wahrer Segen für die Bayern, für Deutschland, mittlerweile für die ganze Welt. Er gibt seinen Königsanspruch zugunsten einer preußischen geheimen Monats-Zahlung ab, die es ihm ermöglicht, solch phantastische Baukunstwerke zu schaffen, die die Menschen heutzutage in Verzückung versetzen und in Massen anziehen. Das ist die Lehre für die Menschen: König Ludwigs Pazifismus hat nicht Tod und Zerstörung, sondern gigantische, atemberaubende Kunstwerke ermöglicht. Er hat stets das Militär abgelehnt und verabscheut. Dumm, dass er als „verrückt“ erklärt und behandelt worden ist, was seinen Selbstmord nach sich gezogen hat, als ihm die Einsperrung und Verwahrung drohte. Seine Verrücktheit wurde vom Psychiater aufgrund von „Aktenstudium“ erkannt. Seine übermäßige Hingezogenheit zu Wagner, seine Freiheitsliebe (Alleinseinwollen) und seine Bauwütigkeit erscheinen mitnichten als „psychische“ denn mehr als „historische“ oder „gesellschaftliche“ oder „klassenmäßige“ Erkrankung.



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Kommentare zu diesem Text


 Hannes (18.08.25, 20:42)
„ich möchte nicht das Leben eines meiner Bürger für einen selbstsüchtigen Zweck zu verantworten haben. Ich wünsche von meinem Schöpfer nicht das Glück eines Eroberers, dieses Fürstenwahnwitzes, sondern jenes Glück, daß man nach meinem Tode sage: Ludwig hat nur darnach gestrebt, seinem Volke der wahrhaft treueste Freund zu sein und es ist ihm gelungen, sein Volk zu beglücken.“ 
Für diese Zitat gibt es leider keine Quellenangabe.
Aber so war er - und wenn er es auch nur gedacht hat.
Danke für deine wunderbaren Zeilen.
Der
Hannes

 Regina (19.08.25, 06:38)
Da wird es wohl Für und Wider gegeben haben in Bezug auf Ludwigs Haltung. Aber der extreme Militarismus preußischen Stils ist den Bayern zugunsten Kunst und Architektur damals erspart geblieben.
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