Zwischen zwei hochtrabenden Seiten, einmal umblättern, die Gedanken verlieren. Ein Klick, viel scrollen. Kleider machen Leute. Ein Faible für neuwertiger Kleidungsstücke kaufwütiger Damen haben, die die Dinge nur drei Wochen tragen und dann zum Online-Secondhandshop schicken. Ich halte es ganz nach Bernhard, ich hasse Umkleidekabinen und so scrolle ich. Ein Burberrymantel um 450 Euro in den Warenkorb, dies Schnäppchen gehört mir, denke ich. Nächsten Tab öffnen, Kontrolle, statt 2200 Euro. Die Preisgestaltung gleicht einem Automobil: Fährst du mit deinem 52.000 Euro Wagen vom Händler weg, verliert er gleich einmal 15.000 an Wert. Findige kaufen bereits schon einmal kurz angemeldete Wagen, by the way, nicht blöd. Der Mantel gefällt mir. Ja, der Mantel macht mich glücklich, denke ich, Kaschmir-, Viskose-, Baumwollegemisch. Ein Mischling. Brennt gut. Ware, die nicht verkauft wurde, wurde verbrannt, um der Verramschung zu entgehen. Dies hagelte Kritik. Tausende von Euros verpufften am Scheiterhaufen.
Weiter. Kleider um 6 Euro von namhaften Designern. Ich bin inzwischen an der Grenze zum 36, muss darauf achten, ob der Reißverschluss an der Seite ist oder hinten. Ist er an der Seite, komme ich nicht in den 34. 36 ist mir zu groß, 34 fast zu eng.
Um das geht es nicht. Es geht um das "Geht das überhaupt noch mit 49?"
Es geht um das "Bin ich nicht schon zu alt für das?"
Einkaufen ist mühsam geworden. Der instinktive Griff zum "kleinen Schwarzen", knielang. Im Warenkorb: der Burberry, acht schwarze Designerblazer, vier "kleine Schwarze", drei Norwegerpullover, eine Abendrobe für den Empfang.
Ich stehe auf, gehe zu meinem Kleiderschrank, öffne ihn. Darin hängen 5 "kleine Schwarze", 22 schwarze Blazer, neun graue Blazer (grau ist das neue schwarz!), 11 Cocktailkleider, drei Ballkleider, alles in schwarz und grau. Ich schließe den Schrank wieder. Gehe zum Computer, lösche alles wieder aus dem Warenkorb bis auf den Burberry, das ist ein Schätzchen, ein Glücksgriff und drücke auf "Zahlungspflichtig bestellen". Das Burberryglück hielt genau neun Sekunden an. Wieder eine weitere Seite lesen, hochtrabend. Hochsehen, den Kopf schütteln, aufstehen, den zweiten Schrank öffnen: Zwei Burberrymäntel, neu aus der Boutique, einen Hugo Boss. Wieder schließen und wissen, dass ich die Bestellung wieder zurückschicken werde.
Wieder auf die Seite gehen und mir die Kleider nochmals ansehen. Wissen, dass ich alt geworden bin, nein, es schon länger bin.
Ich bin im Zwischenland. Dies in schwarz/grau. Alles Uniform. Wie ein Soldat. Wenigstens brauche ich mich nicht um mein Totenkleid zu sorgen.