Bewusstsein und Logos

Gedanke zum Thema Idee(n)

von  Jack

Dieser Text ist Teil der Serie  Versuche und Irrtümer

Das Schöne, Wahre und Gute bilden einen ontologischen Kreis und bedingen sich gegenseitig. Obgleich sie in ihrer Totalität als das Göttliche nicht voneinander zu trennen sind, sind sie im endlichen Sein getrennt, und zeigen sich dem Bewusstsein als drei eigenständige Potenzen.

Das rationale Bewusstsein (L3 - Logistik) lebt unter dem Primat des Wahren. L3 ist ein Skeptiker, weil ihm das Wahre nicht sicher ist, sondern erst zu beweisen. Die Mathematik ist seine Metaphysik, die Logik seine Religion (er befolgt stur und unreflektiert Gebote, deren Inhalt beliebig sein kann, solange sie sich nicht gegenseitig widersprechen).

Das transrationale Bewusstsein (L2 - Logik) lebt unter dem Primat des Guten (Kants Primat des Praktischen in der Philosophie). Die Logik ist als sichere Grundlage gegeben, die Moralität ist problematisch, und muss entdeckt und begründet werden. Die Religion ist auf dieser Bewusstseinsstufe romantisch-ästhetisch (Glückseligkeit als Folge der moralischen Pflichterfüllung).

Das vollkommene Bewusstsein (L1 - Logos) lebt unter dem Primat des Schönen. Logik und Moralität sind seine sichere Grundlage, Ästhetik sein weltanschauliches Paradigma. Insofern geht der Ästhetiker Nietzsche über die Ethiker Kant und Hegel hinaus, und zeigt, dass das antike Paradigma des Logos dem neuzeitlichen Paradigma der Logik überlegen ist.

Ein Bewusstsein, dessen sichere Grundlage das Schöne ist, ist das göttliche Bewusstsein, oder das Bewusstsein im paradiesischen Zustand der vollkommenen Glückseligkeit. Das prärationale Bewusstsein (L4 - Logem) kann nicht einmal das Wahre fassen, und lebt im Reich der Vorstellungen (weil es unfähig ist, Begriffe zu bilden). Die Abwesenheit des Schönen, Guten und Wahren im Bewusstsein ist die Verdammnis, die Gottesferne.




Ontologische Opferkunde



Logos. Das Opfer ist positiv-sakrifiziell, es wird mit Lust und Stolz (Eros und Thymos) gebracht. Die Mythen kennen solche Opfer nur noch aus vorchristlicher Zeit.

Logik (erste Ableitung des Logos). Das Opfer ist negativ-sakrifiziell, es wird leidvoll aber stolz dargeboten (mit Thymos, gegen den Eros). Das geläufigste Beispiel für die abendländische Zivilisation ist der Tod Jesu am Kreuz.

Logistik (zweite Ableitung des Logos). Das Opfer ist negativ-victim, es wird bei Vollzug als Unglück betrachtet, die bloße Bereitschaft ohne Vollzug wird Risiko genannt. Ein Arbeitsunfall ist ein solches unerotisches und stolzfernes Opfer.

Logem (dritte Ableitung des Logos). Das Opfer ist positiv-victim; der Opfernde riskiert und opfert nichts, sondern wird geopfert. Den Status als potenzielles Opfer schreibt er sich aber als Selbstwert zu (Erotik der Selbstwahrnehmung als Objekt).

Ein historisches Beispiel:

Während die Engländer bereits von der Logik zur Logistik fortgeschritten waren, entstand das neugegründete Deutsche Reich im Paradigma der Logik, und schloss aufgrund des höheren geistigen Paradigmas schnell zu den Engländern auf. Im Ersten Weltkrieg waren die Deutschen militärisch erfolgreicher als die Alliierten, weil sie aus einer geistig höheren Position kämpften (Herfried Münkler unterscheidet zwischen victimen und sakrifiziellen Opfern des Grabenkrieges - die deutschen Soldaten haben ihre militärische Pflicht eher sakrifiziell, die Alliierten eher victim erfüllt).

Deutschland wurde nicht militärisch, sondern logistisch besiegt (durch die logistische Übermacht der USA, die im letzten Kriegsjahr für eine erdrückende materielle Überlegenheit der Alliierten sorgten).


Der legendäre Dolchstoß wird von der Novemberrevolution nur symbolisiert, der eigentliche Dolchstoß gegen den Kampfgeist der Deutschen war die Zeitenwende, die das sakrifizielle Opfer der Deutschen revictimisierte. Während in England (und Frankreich) das Zeitalter der Logistik sich allmählich entwickelte, brach es nach dem Ersten Weltkrieg brachial über Deutschland herein, so dass die Entwicklung nach 1933 als romantische Reaktion gegen zu schnelle Dekadenz verstanden werden kann (eine einzige Generation kann den kompletten Übergang des Zeitgeistes von einer Stufe zur Nächsten nicht aushalten; in der Regel vollzieht sich eine solche Entwicklung über drei oder vier Generationen).


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