Ich bin so schrecklich analog

Satire zum Thema Allzu Menschliches

von  Moppel


 

Diese Welt des Digitalen ist für mich über das praktisch Nützliche hinaus wie Notfallhandy, PC zum Schreiben nichts als ein bunter Abenteuerspielplatz von gelangweilten,  intelektlosen Button-Drückern. Ich aber bin Anna, analog. Mein eigenes Gehirn ist dafür einfach überqualifiziert und schaltet sich aus Schutzgründen bei anspruchsvollerem Digitalen einfach ab.

Aber ohne Digital läuft ja nichts mehr heute. Der neue Fernseher, den wir kaufen mussten, weil auf HD umgestellt wurde, ist digital. Hat sogar Prime, wofür wir extra zahlen. Rein theoretisch könnten wir da Filme schauen, die es sonst nur im Kino gibt. Wenn es denn funktionieren würde. Doch außer einem Tagestrailer läuft da nix.

Nun kündigte Vodekeinphone schriftlich an, die Frequenzen umzustellen. Was auch immer das heißt. Mir schwante Schlimmes, doch sie schrieben: „Aber im besten Falle merken Sie gar nichts davon.“ Ok, der beste Fall trat nicht ein.

Also sitze ich eine Stunde lang am Stichtag vorm TV, tippe auf Rädchen, Buttons, on, off, Kreise und finde: Nichts. Die Sender sind alle da, aber sie lassen sich nicht anschauen. Dass man einen „Sendersuchlauf“ nicht unter „Einstellungen“ findet, sondern unter „Live TV“, da musste erst mal drauf kommen mit Abitur. So unlogisch, wie das ist. Ich rufe auf dem Handy Töchterchen an. Sie geht nicht ran.

Ich überlege, ob ich tatsächlich Fernsehen für mein Leben brauche. Und entscheide aus dem Bauch heraus: Dooch, den Barnaby hätt ich jetzt schon gern gesehen.

Nach einer weiteren halben Stunde und Opas traurigem Kommentar: „Früher konnte ich das alles  immer einrichten“, erreiche ich Töchterchen. Die in der Badewanne sitzt. Sie hat die Idee auf  „Live TV“ zu drücken, weil ich alles andere schon durch hab. Und wieder zappe ich mich durch diverse Schaltstellen. Das dauert. Aber Töchterchen bleibt mit dran. Eigentlich müsste ihre Haut schon schrumpelig sein.

Dank unseres gemeinsamen Zufallsproduktes habe ich tatsächlich jetzt meine 5 Lieblingssender. Ich schreibe mir die Zahlen auf 223, 458 usw. Die jetzt zu ordnen, Mama, ist zu kompliziert. Da muss ich mal vorbeikommen. Opa sitzt daneben und sagt: Du Anni, der Kühlschrank leckt und der Gefrierschrank zeigt digital Untertemperatur.

Meine Fresse! denke ich, früher haben meine Kühlschränke länger gehalten als meine Beziehungen zu Männern. Und heute ist der Schrott nach vier Jahren kaputt.

Angenervt werfe ich mein Handy in die Couchecke. Der Hund trampelt drauf herum. Es geht aus und Töchterchens zirpendes Stimmchen erstirbt. Ich brüll den Hund an, dass er morgen ins Tierheim kommt. Starte das Handy neu. Bei Prime, wo nur der Eingangstrailer funktioniert, schießt jemand. Der Hund springt ans Fernsehgerät, bellt. Mit zittrigen Fingern tippe ich den Pin ein. Falsch. Ich überlege kurz, ob ich in den Keller gehe, den Hammer hole und einen digitalen Rundumschlag mache. Doch Opa will helfen. Tippt. Falsch! Handy gesperrt. Ich könnte heulen. Der Hund leckt mir tröstend die Wange und ich nehme das mit dem Tierheim spontan zurück.

Nun sucht Opa fieberhaft in allen Schubladen nach dem Zettel, wo wir den Puck notiert haben. Wenigstens weiß er, was das ist. Papiere liegen auf der Erde verstreut, wichtige vielleicht. Der Hund zerfetzt sie. Ich schaue nicht hin,

 gehe einfach in die Küche, nach der Gefriertruhe sehen. Schweigend schließe ich die Tür, die Opa wahrscheinlich heute Mittag, als er die Würstchen raus nahm, nicht geschlossen hat. Trete ein Mal kräftig dagegen. Jetzt isse zu.

Und mir geht es etwas besser. Ich lese meine Pin-Nummer fürs Handy in meinem „schwarzen Buch“ nach, tippe sie ein. Es geht an. Jetzt geht es mir noch etwas besser.

Schnell öffne ich noch zwei Briefe von Versicherungen. Sie laden mich ein: „Möchten Sie nicht demnächst über unsere Website kommunizieren? Einfach, schnell, praktisch.“ In mir schreit es: NEEEEIN! Ich will telefonieren, meine Unterlagen per Post schicken ohne Pin, Passwort, Puck und digitales Gedöns.

Ich bin von gestern. Anna und ich bin analog.

In dem Kackprimetrailer, dem Einzigen, was bei Prime funktioniert, schießt einer. Ich sammle Papierfetzen auf  und denke: Nicht die schlechteste Entscheidung…

 



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Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (02.10.25, 11:38)
:)  :)
„oh du mein liebes digi-tal
nein ana log da nicht :
dein stets diskretes zahlsignal
steht dir toll zu gesicht
 
aus null und eins und h und l
schaffst du ne ganze welt
und mancher frohe web-gesell
ist längst drauf eingestellt
 
ja ohne dich geht kaum was mehr
undigitalisiert
wär weltweit viel an speichern leer
und leben schwer lädiert
 
du boolest um gunst nicht nein konstant
kennst du nur falsch und wahr
und flipflops* gehen dir zur hand
stabil und wunderbar!“
 https://keinverlag.de/396336.text
* https://de.wikipedia.org/wiki/Flipflop

lg vom harzer

 Moppel meinte dazu am 02.10.25 um 14:34:
aus Null und h und l 
schaffst du ne Welt zu schnell
für manchen, der nicht mitkommt... :(

danke Harzer und lG von M.

 Didi.Costaire (02.10.25, 11:51)
Moin Moppel, 

da wird einem in der Tat vieles aufgezwungen, was man nicht braucht, und einiges funktioniert gar nicht. Dein großes Glück ist, dass die alte Gefriertruhe es noch macht.

Beste Grüße, 
Dirk

 Moppel antwortete darauf am 02.10.25 um 14:35:
die alte >Gefriertruhe hmmmmm Didi :D :Dja, das ist mein Glück... Grins und danke von M.

 Teo (02.10.25, 12:04)
Ja Moni,
Das hast du uns realitätsnah dargeboten. So sieht es aus!
Ich werd schon fast wütend über die Welle von überflüssiger Digitalverarsche.
Aber...ich hab ne elektrische Kaffeemaschine. Da geht die Post ab!
Die macht mir viel Freude.
Gruß aus der analogen Oase
Teo

 Moppel schrieb daraufhin am 02.10.25 um 14:39:
oh ja, Teo-  ich hab jetzt so eine Superkafeemaschine, so'n Riesenteil.
Hab sie mir gekauft, weil der Kaffee, den man kauft, wir Kundekacke riecht.
Hier kommen ganze Bohnen rein. Mit Mahlwerk, digitaler Anzeige usw.- hab sie immer auf derselben Stufe stehen, den Rest noch gar nicht angeguckt. Will nur Kaffee und die Bohnen ausm Lidl schmecken sehr gut...
Ich weiß gar nicht, vielleicht kann man mit der Machine auch Geldblüten drucken GGG muss mich doch mal damit befassen :D

 Citronella (02.10.25, 15:34)
Ich kann deinen Frust sehr gut nachvollziehen. Wir sind halt Auslaufmodelle, die man nicht mehr neu programmieren kann.
Bei mir kommt noch die Sorge hinzu, dass mein 15 Jahre altes Auto nicht mehr mit mir durchhalten könnte und ich noch einmal ein neues bräuchte. Wenn ich an den ganzen Schnickschnack denke, mit dem moderne Autos heute ausgestattet sind – ich glaube, ich würde gar nicht mehr von der Stelle kommen bei all dem Gepiepse und Gebimmel …

LG Citronella

 Antagonist äußerte darauf am 02.10.25 um 17:49:
Übers Anschnallen kommen wir beide nicht mehr hinaus, liebe Citronella.

 Moppel ergänzte dazu am 02.10.25 um 21:09:
ja Citro. Ich habe mein Auto vor 5 Jahren abgeschafft und es nicht ein Mal vermisst. Für die hohen Steuern kann  man sich manche Taxe nehmen. Und die Busse fahren hier sehr gut...
Anschnallen wird auch zunehmend schwieriger GGG
Man findet den Kasten nicht... :D
lG von M.

 Antagonist (02.10.25, 17:11)
Seitdem Wolfgang Schnabelmann bei mir wohnt, liebe Agneta, kommen aus dem Kaffeeautomaten immer wieder so kleine Kurzgedichte, bei denen er mich vor Freude ins Ohrläppchen zwickt ...

 dubdidu meinte dazu am 02.10.25 um 18:58:
Aron, das könnte aus dem Sams stammen. Mal darüber nachgedacht, ein Kinderbuch zu schreiben? Bei den Frauen käme das sicher gut an..

Antwort geändert am 02.10.2025 um 19:12 Uhr

 Antagonist meinte dazu am 02.10.25 um 19:47:
Bei den Frauen bin ich untendurch, eben hat mich sogar meine Dichterfreundin Andrea gesperrt.

 Moppel meinte dazu am 02.10.25 um 21:10:
ach Dubdi Dieter, woher wusste ich, dass du heimlich DAS Sams liest? :D

 dubdidu meinte dazu am 02.10.25 um 21:25:
Moppel, als ich ein Grundschulkind war, kam Paul Maar in meine Schule und hielt dort eine Lesung des Sams ab. Ich schenkte ihm ein selbstgemaltes Bild des tätowierten Hundes (die Hauptfigur aus seinem Debut). Der Hund einige Geschichten auf seiner Haut, die ernstzunehmen auch einigen Erwachsenen ganz gut täten.

 niemand (02.10.25, 17:25)
@ Moppel
Tröste Dich, ich bin auch von gestern, was diese Dinge angeht. Das macht mein Mann und ich wundere mich, dass er es kann. Mir fehlt jegliche Begabung für so etwas.   :O     Manchmal könnte ich den Kram an die Wand schmeißen.
LG Irene

 Antagonist meinte dazu am 02.10.25 um 17:42:
Tu Deinem Mann bloß nicht weh, liebe Irene.

 niemand meinte dazu am 02.10.25 um 19:09:
Aron, richtig lesen  bringt Vorteile. Ich habe nicht geschrieben,
dass ich ihn an die Wand schmeißen könnte. Würde ich auch größenmäßig nicht schaffen  8-)

 Antagonist meinte dazu am 02.10.25 um 19:11:
Entschuldige bitte, Irene, der Wolfgang reisst mir immer die Lesebrille vom Kopf.

 niemand meinte dazu am 02.10.25 um 19:16:
Grüß mal diese verspielte Kreatur  8-)

 Antagonist meinte dazu am 02.10.25 um 19:37:
Um diesen Satansbraten noch aufzuwerten? Nee, Du.

 Moppel meinte dazu am 02.10.25 um 21:12:
ja, liebe Irene, meiner auch. Aber der ist eben nach der Corona-Impfung indisponiert und hat viel vergessen... :(
An die Wand schmeißen... GGG Ja, wenn der Kram nicht so teuer wäre und man nicht überall Verträge hätte... Lieben Dank dir und lG von M.

 Antagonist meinte dazu am 02.10.25 um 22:10:
Das ist wohl auch das Brutalste, was einem auf dieser Welt geschehen kann, das Geliebte zu verlieren.
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