Die spinnen, die Schweizer

Parodie zum Thema Andere Kulturen

von  dubdidu

Während der Konferenz Gegen/Moderne in Basel fahre ich täglich mit dem Bus von Weil am Rhein nach Basel. Ich mache dabei die Bekanntschaft mit drei Busfahrern. Auf meine Frage, wie weit ich mit dem Deutschlandticket fahren kann und welchen Betrag ich draufzahlen muss, erhalte ich drei unterschiedliche Reaktionen.

 

Dabei haben die drei Männer demographisch (geschätzt) einiges gemeinsam:

Altersgruppe: 50-60

Muttersprache: Schweizerdeutsch

Beruf: Busfahrer

 

Alle anderen Daten müsste ich erheben, um mich dazu äußern zu können. Ja, so ver-rückt bin ich! Da gibt es diese ganzen Genies heutzutage, die lesen den Charakter eines einzelnen Menschen an seiner Herkunft ab; die wissen mit un-ver-rück-barer Sicherheit, wie der Syrer, der Chinese, der Russe an sich ist, jedem Zweifel erhaben! Und jetzt kommt ich daher und behaupte einfach so, ich könne über einen einzelnen Schweizer Busfahrer nicht mehr wissen als das Offensichtliche! Ver-rückt sowas! Fast so ver-rückt, wie vor Nazis Angst zu haben, wo doch jedes erleuchtete Genie weiß, dass Nazis ganz liebe, gerechte, fleißige, gewaltfreie Menschen sind, die für alle nur das Beste wollen!


Basel ist sauber und pittoresk. Die Universität ist die älteste der Schweiz und eine der ältesten Europas. Es hat einen hohen Anteil an Ausländern (40%) und einen noch höheren Anteil Menschen mit Migrationshintergrund (55,8). 90% der Basler fühlen sich in ihrer Stadt sicher - ver-ückt! Diese Zahl hat sich seit 2003 nicht geändert - ver-rückter! Die haben sich das Sicherheitsempfinden in ihren Emmentalerhirnen wohl von der bankengesponserten Antifa waschen lassen!


Aber zurück zu den Busfahrern. Der erste Busfahrer weiß genau Bescheid und hat große Lust, sein gesammeltes Wissen in den Bus hineinzurufen, auch nachdem die für mich relevanten Fragen (s.o.) bereits geklärt sind. Nur bis zur Grenze (Otterbach)! Die Weiterfahrt koste 4 Euro! Ja, das dächten sich manche so, dass sie bis zum Badischen Bahnhof mit dem Deutschlandticket fahren könnten! Aber das gehe nur mit einem Zug der DB, da der Badische Bahnhof allein von der Deutschen Bahn betrieben werde, obwohl er in der Schweiz liege. Aber nicht mit ihm! Mit keinem Bus und keiner Straßenbahn! Als eine Mutter mit zwei Kindern, die je eine Eiswaffel in der Hand halten, einsteigen will, verbietet er es: Eis wegwerfen oder auf den nächsten Bus warten!

 

Der zweite Busfahrer ist der Meinung, dass ich mit dem Deutschlandticket bis zum Badischen Bahnhof fahren kann. Aber wie viel ich draufzahlen muss? Da wird es schwer! Bis zur Grenze sind es fünf Stationen; vier Stationen lang blättert er in einem Ordner mit Informationen für Busfahrer und tippt Nummern in seinen Automaten ein. Schließlich zahle ich 3,20 Euro. Auf dem Ticket allerdings stehen die falschen Haltestellen.

 

Der dritte Busfahrer winkt ab: setzten Sie sich einfach! Ist doch lächerlich für die zwei Stationen und kontrolliert wird eh nicht werden.

 

Was diese Schweizer sich rausnehmen? Diese Verhaltensvielfalt, wo sie doch alle Schweizer Busfahrer zwischen 50 und 60 sind! Jetzt fangen die Schweizer aus i-deo-lo-gischen Gründen schon an, so zu tun, als wären sie unterschiedlich, obwohl doch klar ist, dass sie alle gleich sind: gewissenhaft wie ihre Uhren, geizig wie ihre Banken, standhaft wie ihre Berge. Die Welt ist wirklich aus den Fugen!

 

Eine Gemeinsamkeit habe ich unterschlagen: alle Busse kamen ein paar Minuten zu spät!

Wer hat diese Ver-rücktheit denn nun wieder erfunden?



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Kommentare zu diesem Text


 niemand (11.10.25, 17:38)
Fast so ver-rückt, wie vor Nazis Angst zu haben, wo doch jedes erleuchtete Genie weiß, dass Nazis ganz liebe, gerechte, fleißige, gewaltfreie Menschen sind, die für alle nur das Beste wollen!

Fast so ver-rückt, wie vor Linksradikalen Angst zu haben, wo doch jedes erleuchtete Genie weiß, dass Linksradikale ganz liebe, gerechte, fleißige, gewaltfreie Menschen sind, die für alle nur das Beste wollen!     

LG niemand

Obiges nur zum Ausgleich. Musste mal sein.

 dubdidu meinte dazu am 11.10.25 um 17:44:
niemand, vergleich doch gerne mal wie viele Morde auf das Konto von Rechtsradikalen und wie viele auf das Konto von Linksradikalen gehen. Nenn mich ver-rückt, aber das ist nicht mal annähernd vergleichbar. Und ver-rückterweise sind es nicht die Linksradikalen, die mehr Menschen ermodern. Hm.. Diese gemeinen empirisch belegbaren Wahrheiten.

 niemand antwortete darauf am 11.10.25 um 17:58:
So macht man sich die Welt wie es einem gefällt, gelle?  

 dubdidu schrieb daraufhin am 11.10.25 um 18:01:
Nein, niemand, wenn man Empirie ignoriert, auf Vorurteilen beharrt und behauptet, Äpfel und Tomaten wären dasselbe, macht man sich die Welt, wie sie einem gefällt.

 Augustus äußerte darauf am 11.10.25 um 20:36:
Ich sehe Dein Aufenthalt in Basal gefällt und Du beobachtest genau. 

Fraglich, ob die Rechtsradikalen mehr Morde verübt haben, blickt man in das Stalin-Regime zurück, kann (auch) angenommen werden, dass die Links-Ideologe Stalins zur Spitze getrieben, ebenfalls fähig ist etliche Morde zu verüben durch Verfolgung von Staatsfeinden. Die Säuberung in Stalin-Russland angeblicher links-feindlicher Personen kostetet Millionen das Leben…

Antwort geändert am 11.10.2025 um 20:37 Uhr

 Jericho ergänzte dazu am 11.10.25 um 20:40:
Keine Sympathie für Nazis aber die Anzahl der Morde der sozialistischen Regimes sind doch um einiges höher... schön übrigens das die Busse da auch nicht pünktlich sind.

 dubdidu meinte dazu am 11.10.25 um 20:40:
Augustus, es geht hier nicht um Hitler vs. Stalin, sondern um gegenwärtige Links- bzw. Rechtsextremisten in Deutschland.

 dubdidu meinte dazu am 11.10.25 um 20:47:
Jericho, siehe Antwort an Augustus. 

Abgesehen sage ich hier mit dem Riesen Gulliver aus Der Verdacht von Dürrenmatt, sinngemäß zitiert: "die Gräueltaten der Sowjets gleichen die der Nazis nicht aus. Sie kommen oben drauf." Ich halte weder etwas von Gleichsetzungen noch von Aufrechnungen. Fakt ist, deutsche Linksradikale der Gegenwart morden so viel weniger als deutsche Rechtsradikale, dass der Vergleich hilflos oder lächerlich wirkt.

Ich habe mich tatsächlich sehr über die Unpünktlichkeit der Busse gefreut, da ich selber auch spät dran war!

 dubdidu meinte dazu am 11.10.25 um 20:49:
Ach so, Augustus: schau mal unten bei Saira. Sylvia Sasse hat einen sehr interessanten Vortrag zur Disinterpretation im Sowjetregime geschrieben.

 Jericho meinte dazu am 11.10.25 um 21:02:
Schönes Zitat. Bestätigt mich in meiner Aversion gegen Ideologien ob links oder rechts oder sonstige.

 dubdidu meinte dazu am 12.10.25 um 12:05:
Nun, dem Marxismus ist die Menschenverachtung nicht inhärent, ganz im Gegensatz zum Nationalsozialismus. Die marxistische Ideologie ist ungleich Sowjetunion, allein schon die maßgebliche Abweichung vom von Marx unmissverständlich vertretenen Internationalismus. Ohne den Marxismus hier näher beurteilen zu wollen (ich bin kein Marxist, aber auch kein Anhänger der Hufeisentheorie, die mit Verlaub selbst ideologisch ist) halte ich den Vergleich für einen Kategorienfehler. Ideologie kann sinnvoll mit Ideologie verglichen werden und reale Verhältnisse in einem Staat sinnvoll mit realen Verhältnissen in einem anderen Staat.

 Jericho meinte dazu am 12.10.25 um 12:46:
Ich vergleiche sie nicht, ich mag sie nur beide nicht. Von der Hufeisentheorie halte ich auch nichts und ich gebe dir in puncto Menschenverachtung recht. Ich befürchte nur das jeglicher weg zu einer kommunistischen/sozialistischen Gesellschaft unweigerlich in der Katastrophe endet. Der Nationalsozialismus startet gleich mit dieser.

 Saira (11.10.25, 18:53)
Moin dubdidu,
 
deine Parodie seziert präzise, was heute oft verwechselt wird: Meinung mit Maßstab, Anekdote mit Argument, Behauptung mit Beleg. Du entlarvst die Absurdität pauschaler Zuschreibungen, indem du sie konsequent ad absurdum führst, bis selbst der „Schweizer an sich“ an seiner eigenen Stereotypie zerbricht.
 
Dass sich manche in Kommentaren bemüßigt fühlen, deinen ironischen Spiegel mit Gegenironie zu übermalen, bestätigt im Grunde nur deine These: Es ist leichter, Parität zu behaupten, als Verantwortung zu erkennen. Oder, um es mit deinem Stil zu sagen:
Manche ver-rücken lieber die Perspektive, als sie zu erweitern.

 
Kluger, treffender Text – mit angenehm scharfem Nachhall.
 
LG
Saira

 dubdidu meinte dazu am 11.10.25 um 20:24:
Ja, Saira! Ein sehr interessanter Vortrag stammte von der Slawistin Sylvia Sasse; sie spannte einen Bogen von der sowjetischen Praxis der strategischen Disinterpretation bis zur heutigen der Autoritären und Reaktionären und hat 2023 auch ein Buch dazu veröffentlicht: Verkehrungen ins Gegenteil. Über Subversion als Machttechnik. Da dachte ich öfter an einige User hier, die diese Strategie von ihren Vorbildern übernommen haben.

Antwort geändert am 11.10.2025 um 20:30 Uhr

 Saira meinte dazu am 12.10.25 um 09:19:
Danke für den Hinweis auf Sylvia Sasse, klingt nach einer spannenden Lektüre. „Disinterpretation“ als Machttechnik:  je weniger man versteht, desto lauter wird behauptet, man hätte recht.

 Jack (12.10.25, 12:53)
Ich war Ende Februar 2024 zwei Tage in Basel. Die Stadt ist gemütlich, überfremdet und sicher. Und alles Dreie trifft zu. Wenn der Deutsche klug, ehrlich und Nazi ist, trifft nicht Dreides, sondern nur Beides zu. 

Da kann man mehr Zeit verbringen, durchaus. Ich könnte dir das Café empfehlen, in dem ich Scheibes Philosophie der Physiker las, aber das Café blieb mir vor allem in Erinnerung, weil die Chefin so aussah, als könnte sie die Mutter des Mädchens aus Ketsch, das nicht existiert, sein.

 dubdidu meinte dazu am 12.10.25 um 13:03:
Aus Ketsch stammt dann wahrscheinlich auch die Dichtomie Überfremdung und Unterfremdung, die ich im Kaleidoskop der Wirklichkeit nur als Wort, jedoch nicht als Phänomen antreffe.

 Jack meinte dazu am 12.10.25 um 14:01:
Aus Ketsch stammt zum Glück gar nichts. Mir kamen zwar fast die Tränen, als ich vor 13 Monaten durch Ketsch spazieren ging, aber sie hat nicht auf dieser Welt existieren können, weil diese Welt zu kontingent und entropisch für so ein Wesen ist. 

Die wichtigsten Dinge im Leben haben nichts mit kleinkarierten politischen Streitereien zu tun. Die Deutschen haben nach 1945 gelernt, auf Ersatzspielfeldern des Lebens zu spielen. Besonders in Deutschland aufgewachsene INFPs hat die Gehirnwäsche hart getroffen. Ja, es gibt verschiedenste Arten des Ausdrucks politischer „Haltung“ (eigentlich Meinung). Aber was hat es mit dir zu tun? Du wirst nicht glücklich, indem du dich an Ciemand und Nitronella abarbeitest. Du lebst! Du bist in Basel. Ist das nicht Geilenkirchen? Ich spreche direkt und offen, das ist kein rhetorischer Ketsch. Das Leben wird nicht abgeurteilt, es wird gelebt.
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