Fremd im eigenen Land

Gedanke zum Thema Andere Kulturen

von  dubdidu

Fußball, Bier, Autos: drei Dinge, die in Deutschland mit Heimatpathos beschworen werden und mich zum Fremden im eigenen Land machen, genauer: zum gelangweilten Fremden.




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Kommentare zu diesem Text


 Teo (06.09.25, 14:20)
Ach...sei nicht traurig. Irgendwann ist auch die längste Haftstrafe mal zuende.

 dubdidu meinte dazu am 06.09.25 um 17:05:
Ich habe ja die Freiheit, nichts davon mitmachen zu müssen, Teo.

Antwort geändert am 06.09.2025 um 17:40 Uhr

 Saudade (06.09.25, 14:23)
Dann ... bald ist die Frankfurter Buchmesse. Ach, ... das und Bayreuth... mein Traum. Irgendwann...

 dubdidu antwortete darauf am 06.09.25 um 17:03:
Naja. Warst du schon mal da? Ich war ein paar Mal auf der Frankfurter Buchmesse und habe die Verleger an ihren Ständen beim Werben belauscht, ich sage dir: schlimmer als es Bernhard hätte beschreiben können, aber die Tendenz hat er natürlich treffend erkannt und benannt. Vor ein paar Jahren habe ich einen experimentellen Zyklus bei Ostragehege veröffentlicht, in dem ich mich darüber lustig mache. Aber auf der Buchmesse kann man sich immer noch rausziehen und: Bücher querlesen. So verbringe ich dort in der Regel die meiste Zeit, schaue was international so rausgekommen ist, ob was Inspirierendes dabei ist, mache mir Notizen. Ballere mich sozusagen drei Tage zu, gehe nur nach Intuition und schaue, was hängen bleibt.

Aber die Geschäftswelt Literatur ist nichts für mich. Zum Glück ist sie für Schreibende nicht so verpflichtend wie die Geschäftswelt Kunst für die Kunstschaffenden.

Ich vermute, in Bayreuth wird es auch nicht anders sein, ein Auflauf derer, die es sich leisten können, Konsumenten des Hochkulturellen, die ihre Klamotten ausführen, also die Klientel über die sich Haydn in der Symphonie mit dem Paukenschlag lustig gemacht hat. Dazu der Wagner-Clan..

Dieses Brimborium lenkt nur vom Kontakt zum Werk ab, ob es jetzt Musik ist oder Text oder Bild/Skulptur, es verzerrt Richtung Performance und Ritual.

 Saudade schrieb daraufhin am 06.09.25 um 17:49:
Lass mir doch meine Träume...

 dubdidu äußerte darauf am 06.09.25 um 19:14:
Es war nicht meine Absicht, dir Träume wegzunehmen. Ich glaube halt, die größte Befriedigung liegt im Umgang mit der Kunst selbst: also entweder selber machen oder an der bereits bestehenden teilnehmen. Und schau, das ist nicht mal ein Traum, das ist eine ganz reale Möglichkeit :)

 Saudade ergänzte dazu am 07.09.25 um 00:22:
Ja, ich kann sowieso nicht nach Bayreuth... mein Rücken ist kaputt, dort sind Holzstühle. Und mit Kissen, wie die Ex-Kanzlerin gehe ich sicher nicht. 😂

 Graeculus (06.09.25, 15:05)
Das scheint mir nicht spezifisch deutsch, sondern eine Männersache zu sein, d.h. es könnte Dir in anderen Ländern ebenso begegnen. Wobei die Frauen im Fußball aufholen und die Sache ja nicht grundsätzlich anders steht, wenn der Fußball durch Football und Baseball ersetzt wird.

 LotharAtzert meinte dazu am 06.09.25 um 16:06:
Da steh ich wieder kurz an Graeculussens Seite, muß aber als Erden-Fremdling flugs weiter. Ciao.

 dubdidu meinte dazu am 06.09.25 um 16:43:
Zum Glück haben sich in den letzten Jahrzehnten viele Männer aus den Ketten dieser einseitigen kulturellen Praktiken emanzipieren können. So wie viele Frauen sich von Schminke, Adelsklatsch und Handarbeiten. Frauensache/Männersache basiert auf genauso inhaltsleeren Mythen wie Heimatgedöns. Es gibt Franzosen, die nicht kochen können und Engländer, die es können, pünktliche Spanier und unpünktliche Deutsche, geschickte Handwerkerinnen und Männer mit zwei linken Händen. 

Und das war natürlich alles schon immer so. Könnt ihr euch Kant oder Gautama Fanlieder grölend vorstellen. Ich nicht.
Kultur hat sich schon immer im Wandel befunden, seit ihren Anfängen. Nicht nur die ethnisch-biologische Behauptungskette der alten Nazis auch die ethnisch-kulturelle Behauptungskette der zeitgenössischen Nazis ist Humbug oder Lothar, für dich: ein Ausdruck von allmenschlicher Ursprungslosigkeit.

Natürlich Graeculus, ist es egal, ob es sich um Fußball oder sonst was handelt. Ich finde wettbewerberische Praktiken grundsätzlich unattraktiv, da sie dazu neigen, den eigentlichen Sinn zu entleeren und die Tatsache, dass es intrinsische Motivation und Befriedigung gibt, zu verdunkeln. Aber schlimmer geht immer. Nämlich wenn Nationalismus dazu kommt. Insofern ist mir Tour de France immer noch lieber als WM.

Es ist auch egal, welcher Alkohol konsumiert wird und in vielen anderen Staaten werden Autos produziert. Einzigartig ist in Deutschland natürlich, dass ein krimineller Familienclan wie die Quants zum Leistungsträger erklärt wird.

 Saudade meinte dazu am 06.09.25 um 16:46:
Na ja, da bin ich nicht ganz bei dir... Wettbewerbe sind schon teilweise sehr spannend und/oder lustig. Zumeist ist die Fan-Kultur fragwürdig.

 Graeculus meinte dazu am 06.09.25 um 17:04:
Der Wettkampf ist tief verankert im Mannsein. Und falls Du Dir da bei Philosophen irgendwelche Illusionen machst - befreie Dich davon. 
Selbstverständlich können wir uns Kant nicht bei einem MMA-Kampf vorstellen, wie er gröhlt: "Hau drauf! Er zuckt noch!"
Da geht es unter Geistesmenschen nicht ganz so ordinär zu. Aber wenn Du Dich über Kants Kontroverse mit J. G. Fichte informierst ...
All die Konflikte unter philosophischen Schulen, schon in der Antike (alles galt den Griechen als Agon), ähnlich im Mittelalter (Realisten vs. Nominalisten), im 20. Jhdt. Carnap vs. Heidegger (Sprachanalyse vs. Seinsmystik) ...
Und erst in den Berufungskommissionen an den Universitäten, wo es um Stellen geht!
Da merkt man oft, wie man auch mit Worten töten kann.

Neu ist für mich nur, wie auch Frauen sich zum Wettkampf bekennen. Wie Frauensport populärer wird, wie Frauen boxen, selbst kickboxen usw.

 dubdidu meinte dazu am 06.09.25 um 17:40:
Quatsch, Graeculus. Wir sind zufällig in eine Zivilisation hineingeboren, in der es diese Männlichkeitserzählung dominant ist. Darin liegt keine Zwangsläufigkeit.
Eltern, die ihre Söhne so nicht erziehen, machen die Erfahrung, dass ihre Erziehung so lange fruchtet, bis die Kinder in die Institutionen kommen, wo ein derartiges soziales Verhalten gefördert wird. Es gab andere Zivilisationen, innerhalb derer Sieg/Unterwerfung kein Leitprinzip ist.

Ich kenne den universitären Betrieb und habe ihn verlassen, weil ich darauf keine Lust hatte. Siegen ist aus meiner Sicht fürchterlich langweilig und sinnentleerend, die Performance über den Inhalt stellen eben. Ich bin als Mensch (nicht als biologisches Geschlecht) von intrinsischer Motivation angetrieben und befriedigt, Wettkämpfe machen mich müde, bevor ich mich überhaupt angestrengt habe. Mein Beitrag bezog sich auf die Fankultur. Übrigens fällt mir in der Literatur immer wieder auf, dass die Werke, die mich am wenigsten überzeugen, aus Wettbewerberei mit anderen Schriftstellern entstanden.

Dass Frauen sich zum Wettkampf bekennen, ist nur eine logische Konsequenz der Teilhabe an den gültigen Machtverhältnissen. Wenn diese Unterwerfungslogik einst überwunden ist, könnte auch mal wieder ein kulturell-sozialer Entwicklungsschritt kraft bereits vorhandener menschlicher Anlagen getan werden, ganz ohne MINT. Denn es gibt ja Hoffnung. Männer, die heute die Möglichkeit haben, sich der Wettbewerberei zu entziehen und sich um Haushalt und Kinder kümmern zum Beispiel.

 dubdidu meinte dazu am 06.09.25 um 17:46:
Ach so und PS: kenne ich z.B. von professionellen Musikern auch eine ganz andere Geisteshaltung.

 Graeculus meinte dazu am 06.09.25 um 17:50:
Es gab andere Zivilisationen, innerhalb derer Sieg/Unterwerfung kein Leitprinzip ist.

Abgesehen davon, daß es sich dabei um eine kleine Zahl handeln dürfte, wäre ich Dir für die Angabe von drei oder vier Beispielen dankbar.

Vielleicht (man weiß es nicht genau) gab es dieses solidarische Menschsein vor der Neolithischen Revolution. Diese hat etwas mit der condicio humana geändert, und zwar etwas, das - so meine Prognose - kaum rückgängig zu machen sein wird.
Als auffallend empfinde ich, daß selbst Gruppen, die sich alternativ konstutuieren wollen (die frühen Christen, die Sozialisten, die Anarchisten usw.), rasch wieder in die alten Muster verfallen sind.

Daß einzelne Individuen sich aus diesem rat race zurückziehen, gebe ich zu; ich selbst bin kein Freund davon - aber wir reden ja hier über die Menschheit, oder?

P.S.: Die Meinung eines anderen als Quatsch zu bezeichnen, halte ich nicht für alternativ.

 dubdidu meinte dazu am 06.09.25 um 19:09:
Ok, sorry für den Quatsch. War nicht persönlich gemeint. Es ärgert mich einfach, wenn bestimmte sozial-kulturelle Entwicklungen als zwangsläufig behauptet werden, zumal du später selbst schreibst, es gebe Individuen, die nicht mitmachen und darauf kann ich nur erwidern: ja. Und wenn es einen einzigen Menschen gibt, der die innere Möglichkeit zu einem Ausbruch hat, dann haben mehrere Menschen diese Möglichkeit. Analog zu sinngemäß Hegel: was einmal war, kann auch wieder sein. Ich bin nicht oft bei ihm, aber in diesem Punkt schon. Ein einzelner Mensch verfügt über ein Sammelsurium von in ihm angelegten sich zum Teil widerstrebenden Möglichkeiten (und damit auch verpassten Chancen), diese können in sozialen Gruppen unterschiedlich gebündelt werden und dann überliefert werden usw. Und so lange eine Möglichkeit als zwangsläufig betrachtet wird, sind einem Teil der Menschen, die abgesprochenen Möglichkeiten nicht zugänglich. Sagen wir 10% aller Menschen haben auch unter schlechten gesellschaftlichen Bedingungen Zugriff auf diese Möglichkeit, wieviele meinst du, hätten sie unter günstigeren Bedingungen?

Ich glaube also nicht, dass etwas rückgängig gemacht werden sollte, sondern dass wir (die Menschheit) mal wieder einen evolutionären Sprung machen könnten, der Fokus auf die Werkzeugoptimierung und Wettbewerb vernachlässigt andere vorhandene menschliche Möglichkeiten und durch die Werkzeugoptimierung werden viele Menschen in naher Zukunft zu reinen Objekten der Verwaltung. Sinnstiftende Tätigkeit wird dann bitter nötig.


Ach so, Beispiele: 
-ich nehme als Variable die Neigung zum Kriegerischen. Die ist schon mal bei den unterschiedlichen Gruppen der Aborigines nicht vorhanden. Tatsächlich weicht deren überliefertes Weltbild so stark von unserem ab, dass es in den Begriffen unserer Zivilisation nur bedingt fassbar ist. Ich habe vor ein paar Jahren im Humboldt Forum eine Austellung gesehen, in der unterschiedliche Varianten des Mythos der Aborigines künstlerisch bearbeitet und in Beziehung gestellt wurden, das hat mich nachhaltig beeindruckt. Gerade wegen der Abgeschiedenheit und dem Ausbleiben anderer Einflüsse ist dieser Mythos besonders interessant. 
- Die historischen (also vor Bekehrung zum Islam) Minangkabau z.B. hatten zumindest kein Militär und waren dezentral organisiert
- Die karibischen Taíno (leider hauptsächlich von europäischen Krankheiten dahingerafft) waren nicht kriegerisch

Antwort geändert am 06.09.2025 um 19:15 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 06.09.25 um 23:45:
Selbstverständlich gibt es individuelle Ausnahmen.

Möglicherweise - ich erwähnte es - waren vor der Neolithischen Revolution alle oder doch fast alle Gesellschaften vom Gedanken der Kooperation statt der Rivalität beseelt.
Die von Dir genannten Beispiele - außer den Aborigines kenne ich sie nicht - könnten sich noch in diesem Stadium befunden haben, da die Neolithische Revolution sich ja nicht auf einen Schlag global ausgebreitet hat.
Die Aborigines hat es wohl nicht gegeben; das waren unterschiedlich strukturierte Stämme, und m.W. waren nicht alle gewaltfrei.

Wie auch immer: Wie könnte man die Errungenschaften der Neolithischen Revolution (Privateigentum, Sklaverei, Patriarchat, Krieg - insgesamt: soziale Differenzierung und Konflikte - rückgängig machen.

Den von Dir zitierten Hegel-Spruch kenne ich von Hölderlin, ich meine im "Hyperion". Kannst Du mir die Hegel-Stelle angeben?

 dubdidu meinte dazu am 07.09.25 um 00:20:
Ich habe doch oben geschrieben, dass mir nicht an einem Rückgämgigmachen, sondern an einem Darüberhinaus-Entwickeln gelegen ist und, wie gesagt, was einem Individuum möglich ist, kann auch anderen möglich sein.

Auch habe ich oben von den unterschiedlichen Gruppen der Aborigines geschrieben (ich habe nur das Wort Stämme vermieden), also kann ich nicht nachvollziehen, wie du auf Grundlage meines Beitrages denken kannst, ich dächte, es gäbe die Aborigines. Das finde ich ziemlich befremdlich. Aber: Sie wären nicht alle gewaltfrei gewesen ist so oder so kein überzeugendes Argument dafür, dass eine andere soziale Organisation unmöglich sein soll.

Ich habe den Eindruck, du wiederholst noch einmal, was du vorhin geschrieben hast und ignorierst, was ich im Bezug darauf geantwortet hast und ich habe meinerseits keine Lust, mich jetzt auch noch einmal zu wiederholen.


Ich vermute es in der Phänomenologie des Geistes oder der Wissenschaft der Logik, wie es da steht, also in welchen Worten weiß ich nicht, deshalb schrieb ich ja sinngemäß, es handelt sich um einen Gedanken, nicht um einen Spruch. Müsste ich mich länger damit beschäftigen, um es rauszusuchen, wenn du mir die Zeit gibst, klar, aber zur Priorität kann ich es gerade nicht machen.

 Graeculus meinte dazu am 07.09.25 um 00:26:
Die ist schon mal bei den unterschiedlichen Gruppen der Aborigines nicht vorhanden.

Das habe ich als verallgemeinernde Aussage über die Aborigines gelesen, denn es steht da nicht: "bei einigen Gruppen der ..."

Zu dem Spruch: Es ist mir spontan eingefallen, daß ich das mal bei Hölderlin gelesen habe. Da er und Hegel einander gut kannten, schließt das nicht aus, daß es so oder ähnlich auch bei Hegel steht. Nur ist ja Hegels Geschichtsbild nicht linear, d.h. er denkt nicht an Wiederholungen, sondern an "Aufhebung".

 Saudade meinte dazu am 07.09.25 um 00:30:
Wenn ihr mich fragt, lebte die Literatur und Philosophie vom Wettkampf. Alle wollten sein wie Goethe oder Schiller, jeder knüpfte an den vorangegangenen Gedanken an. Das bemängele ich oft an Studenten, dass sie stundenlang große Leute zitieren, aber eigene Gedanken hört an selten. Dies zumeist bei der Jugend.

 dubdidu meinte dazu am 07.09.25 um 02:04:
Graeculus, ok, Missverständnis geklärt. Die Existenz von Ritualen, die Gefechte beinhalten, reicht allerdings m.E. nicht aus, um die Dachkultur der unterschiedlichen Gruppen als kriegerisch zu bezeichnen, auch nicht anteilig. Diese traditionellen Gefechte waren nicht auf Vernichtung und Gebietseroberungen ausgerichtet.

Aufhebung in welchem Sinne?

 dubdidu meinte dazu am 07.09.25 um 02:45:
Saudade, das Anknüpfen an vorherige Gedanken ist m.E. nicht dasselbe wie Wettbewerb, er kann bei manchen Personen als stärker als Antrieb vorhanden (gewesen) sein, aber wohl kaum der einzige Antrieb. Ganz banal geht es doch einfach darum, aus den Gedanken/Ideen/Techniken, die vorhanden sind, kraft seiner Eigenart etwas zu schöpfen, das exakt so noch nicht vorhanden ist. Und die Bezugnahme ist ja auch nicht immer so direkt oder chronologisch; du hast ja neulich selbst von einem Buch geschrieben, auf das du nach dem zweiten Mal lesen anders reagiert hast, als beim ersten Mal. So ging es mir schon häufig. Wenn ich ein Buch nach zehn Jahren wieder lese, merke ich z.B., dass ich mich bei meiner letzten Lektüre auf ein Thema des Buches konzentriert hatte und mich an ein anderes, das plötzlich überdeutlich vor mir auftaucht, gar nicht erinnern kann. In der Zwischenzeit habe ich viele andere Werke rezipiert und eigene Erlebnisse eingeordnet usw., die unterschiedlichen Werke brauchen keinen direkten Bezug aufeinander haben, können aus unterschiedlichen Disziplinen stammen, dennoch kann ich den Bezug herstellen. Gleichwohl kann man ja auch nicht alles rezipieren, was vorhanden ist und trotzdem über Querverbindungen bestimmte Paradigmen aufgenommen haben sowie Urteile fällen, ohne über alle Informationen zu verfügen (insofern können wir Menschen sehr froh sein, dass unsere Gehirne ganz anders funktionieren als KI). Aus meiner Sicht leben künstlerische Schaffensprozesse nicht vom Wettbewerb, sondern eher von der Auseinandersetzung.

 Graeculus meinte dazu am 07.09.25 um 12:46:
Aufhebung in welchem Sinne?

Diese berühmte dreifache Bedeutung bei Hegel: negieren, bewahren, höher heben.
Der Fortschritt überwindet das Alte, bewahrt dessen Errungenschaften und erreicht eine höhere Stufe.

 dubdidu meinte dazu am 07.09.25 um 12:58:
Naja, das krankt daran, dass er nicht alle Errungenschaften bewahrt, das Alte z.T. reproduziert und keine höhere Stufe erreicht.

Trotzdem kann ich keinen logischen Fehler in der Aussage finden: was einmal möglich war, ist auch wieder möglich bzw. was in einem Menschen als Möglichkeit angelegt ist eine Möglichkeit des Menschen (wenn auch vielleicht nicht eines jeden einzelnen). Ich werde dabei aber nicht mehr auf Hegel verweisen.

 Regina (06.09.25, 16:32)
Da fremdle ich auch und doch können wir uns unsere Hobbys leisten, weil es die gibt.

 dubdidu meinte dazu am 06.09.25 um 16:45:
Regina, wir singen doch beide gerne.

Was brauchen wir dazu Alkohol-, Auto-, und Fußballindustrie mit ihren korrupten Managern?

 niemand meinte dazu am 06.09.25 um 16:51:
@ Dubbidu
Musste mal nach Dortmund kommen, dann erlebst Du das von Dir
"angeprangerte" im verstärkten Maße. Besonders viel Blödheit [BVB]
LG niemand

 dubdidu meinte dazu am 06.09.25 um 17:20:
:D Jetzt hast du mir Dortmund nicht gerade schmackhaft gemacht, niemand. Dabei gibt es dort (allgemein im Ruhrgebiet) sehr angenehme Literaten, die experimentelle Sachen schreiben und ihr Ego kleinhalten.

 Saudade (07.09.25, 00:26)
Ich habe gerade darüber nachgedacht. Mir ist das zwar zu pauschal, um zu beschreiben, jedoch ist es schon so, dass Happy Peppi-Dinge, vorallem mit Alkohol im Spiel, selbst das Autofahren, die große Masse ausmacht. Umso Schöner, wenn es kleine Nischen gibt, die doch auch ein Land ausmachen, wie die Kunst und Kultur. Was wäre Wien ohne seine "Burg" ?

 dubdidu meinte dazu am 07.09.25 um 01:55:
Naja, aber mich inspiriert Kunst, Literatur und Musik aus ganz vielen unterschiedlichen Ländern, auch aus solchen, in denen ich noch nie war; und es entsteht ja nichts in einem Vakuum, sondern durch Austausch, Einfluss, Bezugnahme Weiterentwicklung usw. Man tritt mit den Werken selbst in ein Kommunikationsverhältnis, nicht in ein Konsumverhältnis (wie bei den Happy Peppi-Dingen), und auf diese Weise kommuniziert man über Ort- und Zeitgrenzen hinweg. Es ist gerade diese Offenheit, die mich inspiriert und glücklich macht. Ich würde sagen, darin das ist der große Unterschied, im bloßen Konsum liegt eine Entfremdung: von sich selbst, von anderen, von der Welt (die dann aber absurderweise als Identität und Gemeinschaft betitelt wird), mit und über Kunst kann man in Kontakt treten.

 Augustus (07.09.25, 00:56)
Schade. Bedenkt man, welcher historische Rhizom den drei Dingen entspringt, so wird man verleitet darüber zu staunen, wie teilweise sehr alte Erfindungen wie etwa das Bier (Erfindung vor über 4.000 Jahren in Ägypten), Fußball (in China vor über 2.000 Jahren als Cuju bereits gespielt) die heute stark auratisiert sind und gesellscjaftstragend bedeutend sind. Ich vermute, was dir nicht gefällt, ist der maßlose Umgang mit ihnen.

Kommentar geändert am 07.09.2025 um 00:59 Uhr

 Saudade meinte dazu am 07.09.25 um 01:02:
Oder besser: Die Identifikation damit.

 dubdidu meinte dazu am 07.09.25 um 01:41:
Zuvorderst gefällt mir die Stimmung nicht und dann, genau: die Identifikation. Dann gefällt es mir nicht, das an solchen Identifikation von manchen Menschen festgehalten wird als sei sie notwendig.

Ich kann von mir persönlich sagen, dass ich den Zustand, in dem Menschen unter Alkoholeinfluss sind, noch nie mochte, zuerst bei anderen Menschen (in meiner Kindheit; meine Eltern haben stets maßvoll getrunken, aber ich fand sie auch nach einem Glas Wein schon blöd, vor richtig Betrunkenen, wie ich sie Bierzelten erlebte hatte ich Angst) und später, als ich es ausprobierte mochte ich den Zustand auch bei mir selbst nicht, er hat mir nichts gegeben, vor allem nichts, was ich mit als Freude kenne, nur genommen was ich nicht missen möchte (Sinne, Bewusstsein). Es hat an die zehn Jahre gedauert, bis meine engsten Freunde mir zugestanden haben, dass meine Abneigung Alkohol gegenüber kein Problem an mir ist, das behoben werden müsste und noch mal fünf, bis die ersten meine Perspektive nachvollziehen konnten. Die ersten Menschen, die ich getroffen habe, die meine Wahrnehmung verstanden, waren die Kinder von Alkoholikern.

Mein Bruder hat übrigens von seinem fünften Lebensjahr an aktiv im Verein Fußball gespielt, war regelmäßig im Stadium und hat sich Spiele im Fernsehen angesehen, vor ein paar Jahren hat er es komplett aufgegeben und es fehlt ihm nicht. Er ist immer noch derselbe Mensch.

 Saira (07.09.25, 10:31)
Moin Dubdidu,
 
es geht eben nicht um Äußerlichkeiten oder Symbole, sondern um die Frage, womit man sich wirklich verbunden fühlt. Für viele Menschen sind das ganz andere Dinge: Literatur, Musik, Natur oder soziales Engagement zum Beispiel. Es ist schade, dass oft nur ein paar wenige Merkmale als „typisch deutsch, englisch, arabisch etc.“ gelten und alles andere ausgeblendet wird. Das kann tatsächlich dazu führen, dass man sich im eigenen Land fremd fühlt, vor allem, wenn man mit diesen Symbolen nichts anfangen kann.
 
Dein Gedanke zur Langeweile trifft es gut: Wenn die gesellschaftlichen Identifikationsangebote so einseitig sind, entsteht schnell das Gefühl, außen vor zu sein. Und wenn dann noch der Fokus auf Wettbewerb und ständiger Optimierung liegt, wie du es beschreibst, wird es für viele Menschen noch schwieriger, einen echten Sinn oder eine Verbindung zu finden. Gerade wenn Nationalismus ins Spiel kommt, kann das schnell ins Leere laufen und sogar ausgrenzen.
 
Ich finde auch deinen Hinweis wichtig, dass gesellschaftliche Möglichkeiten oft als selbstverständlich oder zwangsläufig betrachtet werden. Dabei sind sie es gar nicht. Viele Menschen haben unter den aktuellen Bedingungen gar keinen Zugang zu diesen Möglichkeiten. „Wie viele könnten es sein, wenn die Bedingungen günstiger wären?“ Das ist eine spannende Frage, die zeigt, wie viel Potenzial eigentlich in uns allen steckt, wenn wir nicht nur auf Werkzeuge, Effizienz und Wettbewerb setzen würden.
 
Deine Beispiele aus anderen Kulturen, wie den Aborigines, den Minangkabau oder den Taíno, machen deutlich, dass es auch ganz andere Wege des Zusammenlebens gibt - ohne Kriegerisches, ohne ständigen Wettbewerb, mit anderen Werten und Mythen. Das zeigt, dass unser westliches Verständnis von Fortschritt und Gemeinschaft eben nur eine Möglichkeit unter vielen ist.
 
Danke für deine Denkanstöße!
 
LG
Saira

 dubdidu meinte dazu am 07.09.25 um 12:31:
Genau und die Frage, womit man sich verbunden fühlt beantworte ich für mich so: mit Menschen. Menschen, mit denen Verbindung möglich ist, gibt es überall auf der Welt und es gab sie zu allen Zeiten. Mit der Beschwörung von Symbolen hingegen kann ich mich nicht verbiden, die stört die Verbindung und deckelt Potentiale, ich nehme sie wie eine steife Form wahr, in die Menschen sich quetschen, um sich darin zu verbergen.
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