Der Besuch

Sonett

von  Janna

Der alte Friedhof ist fast unsichtbar.
Nur hier und da ein paar vermooste Steine
erinnern und am Wegesrand die kleine
Kapelle, die einst Leichenschauhaus war.

Es ist die Ruhestätte der Verwirrten,
die anders dachten, fühlten und auch lebten,
in unbekannten Dimensionen schwebten
und hilflos durch uns fremde Reiche irrten.

Doch manchmal, aus den Kronen alter Rüstern
ertönen Stimmen und ihr leises Raunen
dringt in mein Ohr. Ich horche voller Staunen,

wie sie mit einem frechen Kichern flüstern:
Wir leben fort! In Wind und Baum und Strauch.
Verrückt! Du Menschlein, bist es sicher auch!



Anmerkung von Janna:

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Kommentare zu diesem Text


 willemswelt (31.10.25, 08:05)
hallo,janna,sehr feinfühlig die  Atmosphäre  beschrieben.ich mag auch die Ruhe eines Friedhofs-einen Morgengruß,Willem

 S4SCH4 meinte dazu am 31.10.25 um 10:46:
da schließe ich mich an, die Atmosphäre ist sehr gut gelungen.

 Janna antwortete darauf am 31.10.25 um 11:08:
Vielen Dank euch beiden, ich freue mich über das pos. Feddback.

Liebe Grüße

Janna

 plotzn (31.10.25, 10:26)
Servus Janna,

ist das ein spezieller Friedhof, in dem so viele Verwirrte ihre letzte Ruhestätte fanden? Erst dachte ich an ein Gleichnis, aber das foto ist ja sehr konkret.

Liebe Grüße
Stefan

 Janna schrieb daraufhin am 31.10.25 um 11:07:
Hallo Stefan, es ist ein stillgelegter Friedhof, der jetzt "Park der Andersdenkenden" heißt. Bis Mitte der 70er Jahre wurden dort die Patienten des Landeskrankenhauses (vorher Landesnervenanstalt) bestattet. Meine Heimatstadt Merzig war lange sehr bekannt wegen der "Anstalt". 
Ich hab in diesem Park viele Stunden mit meinen Hunden verbracht, bzw. bin ich mehrmals wöchentlich dort durch, denn der Park liegt direkt am Wald. 
Das hat mich zu einigen Gedichten angeregt.

Liebe Grüße

Janna

 EkkehartMittelberg (31.10.25, 12:56)
Hallo Janna,

dein Sonett mit den zahlreichen Enjambements fließt rfhythmisch wunderbar und verdichtet so den eindringlichen Inhalt.

LG
Ekki
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