Zwischen Tag und Nacht ringt Morgenmann nach Worten

Monolog zum Thema Innenwelt

von  S4SCH4

Morgenmann liegt auf dem Fußboden seines Wohnzimmers und starrt zur Decke. Seine weit aufgerissen Augen scheinen durch das Dach und in einen dahinterliegenden Himmel zu schauen. Erst ist es still, dann nähert sich ein Lastwagen, der Steine für ein Haus in der Nachbarschaft ablädt.

 

Ich brauche deine Augen nicht, das ewige süße Versprechen eines Reichs aus Ruhm und nur vorgeschobener Gleichheit.

Ich brauche deine Ohren nicht, etwas, das dich und deine Zartheit singen hörte.

Blind und taub hänge ich an Ideen, etwas das mich von dir befreite, bevor du dieses nahmst und aus dem Plus ein Minus vollführtest. Doch Fehler, die meine Sinne nun tun, sind nur zur Hälfte dein läuterndes Korrektorat und zur Hälfte das Terrain unseres sich fortführenden Krieges.

In fehlenden Sinnen sei dein Heim und die Richtigstellung eines Tages mag dein Credo sein, doch die Überflüssigkeit, mit der du die Sabotage vorantriebest ist ein Schatten… und der Schein, es so aussehen zu lassen, als könntest du nun helfen!

Hah, helfen, die Hand des Todes wird zum Bestatter und zu Mutter Erde. Schmutzig trägst du Blut und Leichengeruch an deinen bleichen, doch geschwärzten Händen, die sich mir nun reichen.

Ich habe keine Zeit, denn Blatt wie Zeiger heucheln mir deine Gegenwart vor.
Was einst mit dir war, brannte.
Was einst brannte ist leer und leblos.
Mit dir und in deinem Namen starb das wir.   



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Kommentare zu diesem Text


 Saira (03.11.25, 11:27)
Dieser Monolog öffnet den Zyklus noch einmal von innen her: Der Morgenmann verweigert den Sinnen („Ich brauche deine Augen/Ohren nicht“) und gerät genau dadurch tiefer in ihre Logik. Stark ist, wie du Außen und Innen kurzschließt: Der Lastwagen, der Steine ablädt, wirkt wie ein akustischer Widerhall der inneren Versteinerung – während nebenan „gebaut“ wird, wird hier das „Wir“ beerdigt („die Hand des Todes wird zum Bestatter“).
Formal arbeiten Antithesen und Umkehrfiguren („Plus“ wird „Minus“, „was einst brannte“ ist „leer und leblos“) als poetische Korrekturvermerke: Sprache versucht zu richten, was nicht mehr zu richten ist. „Blatt wie Zeiger heucheln mir deine Gegenwart vor“ bindet Text und Zeit klug zusammen – Schreiben und Takt schlagen dieselbe falsche Nähe vor. Am Ende stirbt nicht nur die Beziehung, sondern auch das „Wir“ als Wort. Der Text nimmt sich selbst den Plural und bleibt im nackten Ich zurück.
Für mich ist dies der Knotenpunkt deines Mehrteilers: Sinnesentzug, Zeitmisstrauen, Bestattungsmetaphorik und der Übergang von Pathos zu Kälte verdichten sich zu einer klaren Diagnose: nicht Wahnsinn, sondern Erkenntnis ohne Trost. Sehr stark.
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