Rolf Intschviethel (1619-1682)

Satire zum Thema Wirtschaft

von  Jack

Dieser Text ist Teil der Serie  Ceachelle

Aus einer langen Tradition von Naturpositivisten kam dieser Praxistheoretiker des Wirtschaftswachstums. Er sah sich selbst als „realistischer Naturalist“, und die Wirtschaft als die Weiterentwicklung des natürlichen Lebens. Das Leben war für ihn etwas konkret Fassbares: Stoffwechsel auf der höchsten hedonischen Qualitätsstufe. Je erfolgreicher ein Lebewesen, umso besser schmeckendes Essen usw. kann es sich leisten. In einer langen Ableitung von dieser „Selbstevidenz“ stellte Intschviethel das BSP-Wachstum pro Kopf als das höchste Ziel einer Gesellschaft hin.


Er unterschied reales BSP vom fiktiven: ein Mars ist nicht mehr wert, wenn für 3 Mark anstatt 80 Pfennig das Stück ge- oder verkauft. Aber ein Uranus, ein hedonisch neunmal so wertvoller Schokoriegel, sei auch tatsächlich neunmal mehr wert. Und das war für ihn in ausnahmslos allen Lebensbereichen gültig. 


Das Ziel des Individuums sollte nach Intschviethel sein, zu jedem Zeitpunkt des Lebens die wertvollere Option zu konsumieren, vorausgesetzt, dass es selbst erwirtschaftet wird. Ein Billiglöhner, der zur Pause drei Mars snackt, lebt nur ein Drittel so gut wie ein Vielverdiener, der ohne Hast und Eile, auf bequemerem Stuhl und mit besserem Tee einen Uranus vernascht. Und nein, nicht bloß dreimal: Komfort und Gesundheit kommen noch dazu. Es sei also wichtig für eine Gesellschaft, Billigarbeit und Billigkonsum outzusourcen.


Das objektiv sauber berechnete BSP pro Kopf sei das Wertzeugnis einer Gesellschaft, wurde er nicht müde. Das individuelle Problem in schlechten Gesellschaften sei das „Grübeln“, die wirtschaftlich sinnlose Tätigkeit. Wissenschaft sollte schnellstens zur Technologie führen und sei an sich selbst wertlos, aber Kunst und Philosophie seien sogar als Mittel zum Zweck wertlos, und oft sogar vom negativen Wert. Das perfekte Individuum sollte täglich danach streben, eine höhere persönliche Bilanz zu erreichen: Wenn das BSP pro eigenen Kopf höher ist als das durchschnittliche, ist das ein Grund, stolz zu sein, im umgekehrten Fall sollte man sich schämen.


Das klingt alles nahe an der Karikatur, ist aber „common sense“, nur explizit und ausdrücklich gesagt: so argumentierte Intschviethel selbst. Das Ziel der Gesellschaftswissenschaft sei, die ungeschriebenen Regeln und die unausgesprochenen Gesetze des Zusammenlebens offenzulegen, um kommunikative Leerläufe und Diskussionen im Allgemeinen zu vermeiden. Eine perfekte Gesellschaft ist ein wachsendes wirtschaftliches Uhrwerk im „harmonischen Flow“, und jeder Einzelne genau dasselbe im Kleinen.



Anmerkung von Jack:

Diine Yiihhi, 7.2.1915.


 
„Das war das Gegenteil des Anspruchshedonismus: das wirtschaftliche Verhalten als weltimmanente Selbstdisziplin, die konkrete Welttätigkeit als klar evaluierbare Selbstkontrolle. Der Konsum war nur das Zeichen nach Außen, dass exzellent gewirtschaftet wurde, und ohne das vorherige Erwirtschaften als nahezu kriminell betrachtet. Der Geltungskonsum des 19. Jahrhunderts war eine direkte Folge eines so gearteten „common sense“, und wäre ohne diesen Zusammenhang nicht zu verstehen. Intschviethel sprach nicht aus, was alle dachten, aber er schrieb auf, was alle taten“.

Eric Bernard, 25.3.1915.


„Es ist viel über die inhumane Absurdität Intschviethels gesagt worden, aber suchtkranke Kriegsveteranen lesen keine stimmungsaufhellende Erbauungsliteratur, sie lesen Intschviethel“.

Kiite Aurele, 31.3.1915.

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„Nach dem devastatorischen Crash vom Ende Januar / Anfang Februar 1679 fasste Intschviethel seine Praxistheorie so zusammen: 1. Was kannst du ändern? 2. Welche Veränderungen kannst du messen? 11 Jahre Wirtschaftskrise, und am Ende waren die, die sich diese minimale Selbstwirksamkeit nahmen, bereit für den Aufschwung. Die Grübler und Sinnsucher waren tot oder äquivalierten dem in ihrer psychischen Verfassung. 1713 wurde von Xetter der Begriff „Weltfremde Autisten“ für Intschviethels „Jünger“ geprägt, aber während die Welterklärer wirtschaftlich und sozial abgehängt wurden, haben diese „Autisten“ so viel Wert akkumuliert, dass sie 1716 eine Whisky-Kultur in der Finisterre begründeten, und an der Börse in Ceachelle und Lxiour mehr Luxus als am Hof von Preteria zur Verfügung hatten. Das waren zweifelsohne alles herzlose Menschen, die nichts von Werten, Kultur und dem Sinn des Lebens verstanden. Ich habe gerade ein Fass aus dem November 1716 erworben, das damals völlig sinnlos für eine unsichere und sicherlich nicht lebenswerte Zukunft mit feinstem Port Eleine befüllt wurde. Dafür musste ich zwanzig Jahre lang Bücher verkaufen; was für eine Fehlinvestition!“

Wolf Irr, 1.4.1915

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