Der rote Drachen

Kurzgeschichte zum Thema Begegnung

von  Traumreisende

Sie stand gebannt. Der Schreck hämmert noch atemlos in ihr. Ein roter Drachen war mit zischendem Laut vor ihre Füße gestürzt und seine Fäden lagen ihr verheddert um die Schulter. Der Besitzer lief ihr Schnur wickelnd entgegen.

„Sorry!“ Es klang nicht wie eine Entschuldigung. Noch ihren Gedanken nachhängend blickte sie zu ihm. Ihre ernste Miene schien ihn zu verunsichern. Sie spürte seine Verlegenheit, als er vor ihr stand und versuchte sich mit einem Lächeln aus der Situation zu hangeln.
Seine Augen reflektierten es mit einem erlösenden Strahlen. ‚Wie ein Kind’, dachte sie: ‚so unbefangen und leicht.’

Er bückte sich gleichzeitig mit ihr zu dem bunten Papier und ihre Köpfe stießen zusammen.
Jetzt fiel auch sie klirrend in sein Lachen ein, während sie sich den Kopf rieb.

Sie fühlte sich leichter, als wäre sie aus dem Tunnel ihrer gedankenvollen Wege am Strand in die Fröhlichkeit von Sonne, Wind und Meer getaucht.

Vorsichtig sammelte sie die Fäden von ihren Schultern, während er weiter versuchte die beiden Schnüre gleichmäßig aufzuwickeln.

„Ich versuche mich heute zum ersten Mal im Drachensteigen.“ erzählt er. Jetzt klang es entschuldigend. „Weißt du, als Kind wollte ich immer einen roten Drachen fliegen lassen und als ich heute an dem Strandgeschäft vorbei gekommen bin, da lachte er mir entgegen. Schau!“ Währenddessen bückte er sich und hielt ihr den Drachen entgegen.

Sie suchte nach Worten, die in diese Leichtigkeit hineinschlüpfen konnten, aber sie spürte, wie sie einen Moment zu lange daran kaute.
Verlegenes Schweigen trat wieder zwischen sie.

„Kann ich es auch einmal probieren?“ Ein vager Versuch von ihr, die Spannung zu lösen.
Sofort antwortete ihr sein helles Lachen. Wieder so jung und ungezwungen.

Er nahm sie an die Hand und sie gingen bis zum Dünenrand. Dort gab er ihr die beiden Spulen  und lief mit dem Drachen bis Wasser. Er hielt ihn hoch und die Fäden spannten sich.
Sie warteten eine Böe ab und er gab dem Drachen einen Stoß. Sofort tanzte er wie eine rote Fahne im Wind. Doch gleich darauf brauste er wieder auf den Sand zu und landete krachend. Diesmal neben ihm.
„Sorry!“ rief sie ihm zu und genoss ihr eigenes Lachen.

Beim zweiten Versuch, bleib der bunte Schnipsel am Himmel und sauste übermütig hin und her.
Er trat hinter sie und half ihr die Arme zu führen. Die Nähe irritierte sie. Diese Fröhlichkeit, dieses Leichte jedoch war angenehm.

Sie drehte sich abrupt zu ihm um, gab ihm wortlos die beiden Spulen und murmelte etwas, das wie ein Abschiedsgruß klingen sollte.

In diesem Augenblick krachte der Drachen wieder in den Sand. Sie blickte über ihre Schulter zurück und sah, dass er beim Absturz zerbrochen ist.

Dann traf sie sein Blick , der von ihr zum Drachen wanderte, er wirkte traurig.

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Kommentare zu diesem Text


 Secretgardener (28.12.05)
Äußerst interessant geschrieben. Besonders gefallen mir die Umschreibungen uns Ausdrücke.
Ich halte auch den Drachen für keinen Drachen; es ist der Motor der Geschichte, vielleicht auch ein Bildnis/eine Metapher für etwas, vielleicht Kindheit.
Sie ist distanziert, weil er durch seine Leichtigkeit etwas tief in ihr berührt. Ihr Scheitern am "Drachen" mißfällt ihr, weil sie vielleicht dadurch merkt, daß ihr inneres Kind sich von ihr entfernt hat. Und er ist auch nicht traurig darüber, daß sein "Drachen" zerbrach, sondern über die Möglichkeit, sein Kind spielen zu lassen und vielleicht zu zweit zu spielen...
Ja, ich bin mir sicher: es gibt keinen Drachen.
Liebe Grüße, Secret.

 Traumreisende meinte dazu am 29.12.05:
ein drachen am strand war schon immer ein symbol für mich, so ist es auch in dieser geschichte , rot ist meine lieblingsfarbe und das Fliegen des drachen die leichtigkeit, die ich mir so manches mal wünsche... einem menschen zu begegnen, der dies so unbeschwert tut ist etwas besonderes...
ja du hast recht, der drachen ist ein symbol...
hab ganz lieben dank für dein hindenken
silvi
Mac (57)
(29.12.05)
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 Traumreisende antwortete darauf am 29.12.05:
danke du lieber, du hast es schön gesagt und schön empfunden... ganz liebe umarmung, silvi
vain (34)
(29.12.05)
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 Traumreisende schrieb daraufhin am 29.12.05:
unfassbar!!! MEIN HOLZKOPF, wer von uns beiden sturer ist, ist wohl noch nicht erwiesen!!!
dass du mir permanent auf die füsse getreten bist, steht hier übrigens ausserdem, oder warum ist frau gegangen??
ich stelle es mir gerade bildlich vor, du und dein... ähhh Diener?? hmmm du bestimmt in anzug...??? )) was für ein gedanke!!! da zückt es mir in den tasten... ich meine fingern )) silvi
vain (34) äußerte darauf am 29.12.05:
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 Traumreisende ergänzte dazu am 29.12.05:
das werde ich ihm alles stecken.... bin so
vain (34) meinte dazu am 29.12.05:
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TanzderSinne (30)
(30.12.05)
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 Traumreisende meinte dazu am 31.12.05:
ja die farbe rot.....
ich freu mich so, wenn meine bilder sprechen, siebedeuten mir eine schritt aus mich heras.... hab lieben dank
silvi
daniela (39)
(30.12.05)
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 Traumreisende meinte dazu am 31.12.05:
oh ja, darüber freu ich mich, dich mit zu nehmen zum drachensteigen zum kind... in uns... hab lieben dank... silvi

 apocalyptica (22.05.06)
Liebe silvi,
genau so stelle ich mir eine Kurzgeschichte vor! Manchmal kurze prägnante Sätze, die Raum für die eigene Phantasie lassen, dann die notwendigen Erläuterungen, um die Situation nachvollziehen zu können.
Inhaltlich gleichermaßen nachvollziehbar...die kindliche Unbefangenheit gegen die gedankenvolle Ernsthaftigkeit, der ewige Kampf, besonders gut zum Ausdruck gebracht im vierten und im siebten Absatz.
Und ganz obendrein noch der Anfang einer zarten Freundschaft, die man hier fortsetzen könnte...aber ich denk mal, der Sinn der Kurzgeschichte ist eben auch, dass jeder für sich den Faden selbst weiter spinnen sollte, und deine Geschichte ist in sich abgeschlossen. Was der einzelne Leser nun daraus macht....ist eben sein Ding!
Mir gefällt die Story sehr.
Liebe Grüße,
die -bea =)
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