lilienweiß

Kurzgeschichte

von  jds

lilienweiß


Lilien, der duft von lilien umtäubt mich, verwirrt und ertränkt meine gedanken. Lilien, dieser duft, erhellend grell, blendet mich. Lilienlicht tropft weiß in meine augen. Lilien, weiße lilien.

Sie schläft jetzt haben sie gesagt, schläft jetzt lange. Wie lange habe ich gefragt. Lange haben sie gesagt, ich soll nicht mehr fragen haben sie gesagt. Und zum ersten mal wurde mir da dieser betörende geruch bewusst. Dieser duft. Ich habe gefragt was duftet da, was riecht da so gut? Lilien haben sie gesagt, weiße lilien, ihre lieblingsblume.Und ich sei noch zu klein, habenm sie gesagt, später, später würde ich das verstehen, später wenn ich größer sei haben sie gesagt.

Manchmal höre ich stimmen, stimmen aus der ferne, stimmen von weit her. Ich verstehe nicht was sie sagen, das lilienweiß rinnt in meine ohren, dieser duft füllt meine gehörgänge, weißer lilienklang. Ich höre wie durch watte. Lilienweiße watte. Sie kommen mir bekannt vor die stimmen, ich kenne sie, doch die gesichter dringen nicht durch. Die gesichter dringen nicht durch dieses weiß, werden von der lilienhelligkeit überstrahlt.

Und dann stehe ich wieder im garten. Der garten hinter dem haus, johann ist auch da, johann der junge aus dem haus gegenüber. Johann und seine schwester minna, meine schwester greta steht bei der schaukel, steht hinter minna, gibt ihr jedesmal, als sie wieder nach unten kommt, einen stoß. Minnas zöpfe fliegen dabei immer mit einem schwung nach hinten. Minna konnte schaukeln, sie war mutig. Als sie genügend schwung hat stellte sich greta auf die seite um nicht umgeworfen zu werden. Wir standen daneben und schauten zu, neidisch und ängstlich. Sahen zu, wie minna immer höher schaukelte, höher, immer höher. Wir hielten die luft an als die seile waagrecht von der schaukel wegstanden und minna für einen augenblick bewegungslos in der luft hing um im nächsten moment auf die andere seite zu schwingen. Jedesmal als es nach unten ging sties sie einen kleine schrei aus, greta schrie mit, wir jungs hielten die luft an. Morgen schaukle ich rundherum sagte minna jedesmal, morgen schaukle ich rundherum.

Auch ich schaukelte mit, schaukelte mit, auf den lilien im wind. Ein sanftes und weiches schwingen und wiegen auf den weißen blättern der lilienblüten. Ein sanftes wiegen auf einem lilienbett und hinter dem weißen liliennebel winkt mir minna zu, minna. Kurz war ihr gesicht zu erkennen, ihr schrei zu hören als die schaukel wieder zurückschwang.

Ich sitze am tisch in der eßstube mir gegenüber meine mutter, neben meiner mutter, meine schwester greta. Neben mir mein vater. Auf dem tisch steht eine große schüssel mit kartoffelstampf. Kartoffelstampf aus den dicken gelben kartoffeln die wir letzte woche eingesammelt hatten. In die nase steigt mir der duft von gebratenem speck, zwiebeln und äpfel die in viel butter auf dem kartoffelstampf schwimmen. Dazu mischt sich die kräftige würze des bratens auf der platte daneben, herz und leber und das fleisch des gestern geschlachteten schafes. Am kopfende des tisches ist ebenfalls gedeckt. Der platz bleibt leer. Auf der anrichte steht eine Vase mit weißen lilien. Wir feiern geburtstag sagte meine mutter.

Die süße des lilieduftes mischt sich mit dem duft der butter, des specks und der zwiebeln. Die vase schwank, wasser schwappt über, bildet eine pfütze. Die vase schwankt weiter, kippt um, zerschellt mit einem knall auf dem fußboden. Lilien schweben mit den blüten voraus auf mich zu. Ich öffne meinen mund und ich esse weiße lilienblüten, schlucke die süße des lilienduftes, werde satt von dem betäubenden schweren geruch, der sich wieder als weiße decke über mich legt.

Am strahlend blauen himmel blinkt die sonne und ruft den beginn des sommers aus. Klara eilt mir entgegen, so schnell ihr kleid es zuläßt. Der weiße schleier flattert lustig hinterher. In der hand winkt sie mit einem kleinen strauss aus roten rosen und weißen lilien. Auch der eingang der kirche und das kirchenschiff ist mit roten rosen und den weißen lilien geschmückt. Ich öffne die große türe, du hakst dich bei mir ein. Die leute in den bänken stehen auf und wir gehen langsam nach vorne. Wir gehen nach vorn, langsam und mit jedem schritt wird es heller. Es wird heller, wir gehen auf das licht zu. Ich drehe meinen kopf, um dich anzuschauen, ich halte einen strauss weißer lilien in meinem arm.

Wir liegen im park. Wir liegen im park auf einer decke im gras und lassen uns von abendsonne bescheinen. Es ist einer der letzten schönen sommertage. Wir liegen da und trinken wein. Eine flasche ist bereits geleert. Ich trinke den letzten schluck aus meinem glas, um dann eine neue flasche zu öffnen. Ich fülle unsere gläser und wir schauen der untergehende sonne zu, wie sie langsam als fetter roter ball hinter den hügeln verschwindet. Ein sanfter wind kommt auf, einzelne regentropfen verirren sich in unseren haaren. Ich leere mein glas erneut. Der regen wird dichter, wird weißer. Hinter einer milchglasscheibe ist der letzte rest der sonne als greller weißer fleck zu sehen. Ich hebe die flasche um dein glas zu füllen. Es regnet, es regnet weiß. Es regnet lilienblüten, weiße lilienblüten. Um mich herum ein teppich aus weißen blüten. Ein teppich der alles bedeckt, alles verschluckt. Der rote wein schreibt meine tränen auf das weiß.

Ich liege im warmen sand, lasse ihn weich durch meine finger rieseln. Die wellen rauschen heran und lecken an meinen zehen. Du stehst im wasser und winkst, rufst mir zu, lachst mich aus. Ich soll kommen rufst du. Es ist  nicht kalt und die sonne scheint doch. Ich stehe langsam auf und gehe vorsichtig bis zu den knöcheln ins wasser. Es ist kalt. Ich gehe langsam weiter. Die wellen schlagen gegen meine knie, ich sehe nur noch deinen kopf und dich mit einem arm winken, höre dich lachen und über mich lustig machen. Ich gehe weiter, das wasser geht mir über die hüften, es ist sehr kalt. Ich tauche unter um mich an die kälte zu gewöhnen, tauche wieder auf, stoße mich vom boden ab. Stoße mich ab und auf dich zu, auf dein lachen. Stoße mich ab in etwas schwarzes, schwimme in die dunkelheit. Dein lachen ist verstummt. Es ist still. Ich öffne die augen um dich zu suchen. Ich hebe den kopf um luft zu holen und atme den duft von lilien ein. In der ferne tropft dein lachen auf das blütenmeer in dem ich schwimme und läßt es als kleine wellen über mein gesicht rollen.

Der vorhang aus weißer blendender lilienmilch erblasst, gesichter zeichen sich als schatten auf ihm ab, ich kenne sie, ich erkenne sie, freue mich sie zu sehen. Bunt, es wird bunt, farben drücken sich durch das weiß. Näher, kommt näher, ich möchte euch gerne begrüßen, euch und den tag, dieser tag so wunderschön warm und bunt, kommt mit mir in den tag. Ich höre nun auch ihre stimmen,  ich höre mein herz schlagen vor freude. Das lilienweiß in meinen ohren hat sich verflüchtigt, ich höre eine stimme.

In ordnung schwester, schalten sie ab.


jens schreblowsky - alletagekunst - 29.01.2006

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Kommentare zu diesem Text

Sez (36)
(29.01.06)
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 jds meinte dazu am 29.01.06:
hi sez,
am anfang geht es ja auch um jeman anders, das ist der aufhaenger fuer die lilien. der fragende ist der erzaehler um den es in dem weiteren text geht.
grueszle
jds
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