10 von 24 - eine adventsgeschichte

Kurzgeschichte zum Thema Absurdes

von  jds

10 von 24 - eine adventsgeschichte


Ich hasse adventskalender, sie sind mir zuwider. Zuwider, seit damals meine mutter den selbst gemachten adventskalender mit seinen 24 kleinen schubladen gerade immer so hoch an die wand hängte, dass ich keine davon erreichen konnte, seitdem hasse ich adventskalender.

Und nun, ausgerechnet hier im südflügel, diesem noch nicht modernisierten teil des hauses mit all den nischen, winkeln und ecken in denen sich türen, kästen und eingebaute schränke verbergen. Türen, die schon seit ewigen zeiten nicht mehr geöffnet wurden und schränke, von denen niemand mehr weiß, was je darin aufbewahrt wurde oder was sie heute noch verbergen.

Und nun schreibst du mit weißer kreide oder roter farbe seit dem 30 november die zahl für den nachfolgenden tag an eine dieser vielen türen. Die  eins und die zwei waren nicht zu übersehen aber danach, als ich wissen musste, dass dies nun kein zufall mehr sein konnte, danach hatte ich oft mühe die tür zu finden, die ich als nächstes öffnen sollte.

Den südflügel betrat ich nur, um aus dem ersten zimmer im vorderen flur, welches ich im winter als speisekammmer benutzte, etwas gemüse für das mittagessen zu holen. Hier fand ich dann auch die eins. Die eins auf einem wandschrank, der neben der türe eingelassen war. In dem  schrank stand ein kleines fläschchen, ansonsten war er leer.

Ich erinnere mich noch genau, wie ich dich nach unserer ersten nacht in der morgensonne am offenen fenster stehen sah. Ich sehe dich noch mit deiner zarten hand über die scheibe wischen und wie du sie über dem fläschchen abgestreift hast. Ich sammle den ersten morgentau hast du auf meine frage geantwortet.

Als ich das fläschchen gegen das licht hielt waren immer noch einige tropfen darin. Ich habe sie in das wasser, das ich zum gemüsewaschen verwende, geleert.

Am nächsten tag fand ich an der türe gegenüber meiner speisekammer mit roter farbe die zwei. Mitten in dem raum stand eine flasche chateau les ormes de pez, der wein und der jahrgang, den wir tranken, als wir uns das erste mal sahen.

Die drei fand ich nach längerer suche an der türe eines kasten der im flur oben an der decke in die wand eingelassen war. Am dritten dezember fand ich in diesem kasten dein taschentuch, ich hatte es nicht vergessen, das taschentuch mit den kleinen stickereien in den ecken. Du hattest dir damit die tränen aus den augen gewischt, es auf den boden falle lassen und dann bist du gegangen. Ich habe das taschentuch nicht vom boden aufgehoben, ich drehte mich um und lies es liegen.

Ich weiß nicht wie du in das haus gelangst, alle schlösser sind ausgewechselt. Auch habe ich schon mehrmals die nacht mit wachen verbracht ohne etwas zu bemerken, um dann am nächsten morgen wieder eine zahl an einer der türen vorzufinden wo ich schwören kann, dass diese am tag zuvor noch nicht vorhanden war.

Hinter der schranktüre mit der vier lag eine blechschachtel. Darin verkohlt und völlig zerfallen, mein tagebuch. Ich erkannte den einband der nicht vollständig verbrannt war.
Ich weiß nicht wie es hierher gelangen konnte, nachdem du gegangen warst hatte ich aufgehört darin zu schreiben, es seitdem auch nie wieder in der hand gehalten. Mein tagebuch, die erinnerung vergangener jahre, nun eine blechschachtel voller asche. Ich öffnete das fenster und leerte die schachtel über dem frischen weißen schnee aus.

Am nächsten morgen war bereits neuer schnee, neues weiß, über die asche, den dunklen fleck, gefallen. Im zweiten stock fand ich mit roter farbe über die ganze breite der zweiflügeligen zimmertüre gemalt, die fünf. Das zimmer dahinter war nach langer abwesenheit wieder hergerichtet, die dunklen schweren vorhänge vor den fenstern verschwunden und die fenster zum lüften geöffnet. Die tücher, die die möbel vor staub schützten abgenommen und das breite himmelbett war frisch bezogen. Die kissen aufgeschüttelt und die zudecke einladend auf einer seite aufgeschlagen. Das himmelbett in das ich dich legte, nachdem ich dich über die schwelle diese hauses getragen habe.

Ich schloss die fenster, schlug die decke vollständig zurück und legte mich in das bett um den rest des tages auf den dunklen samthimmel zu blicken, auf dem ein stern des glücks nach dem anderen verglühte. Die weiteren nächte verbrachte ich nun unter dem erloschenen licht dieses himmels.

Die sechs war wiederum unscheinbar auf den kleinen kasten gemalt, der neben der türe zu der alten küchen hängt. In diesen kasten legten damals die köche ihre einkaufsliste für den nächsten tag. Ich fand darin eine fahrkarte für die bahn. Eine fahrkarte für eine bahnfahrt die wir zusammen unzähligen male unternommen hatten, eine fahrt bei der mir in dem zugfenster tausende erinnerungen ins gesicht blicken würden. Eine fahrkarte ohne rückfahrschein. Ich öffnete die türe zu der küche und verbrannte den fahrschein in dem alten gusseisernen herd.

Am siebten dezember  fand ich hinter der türe der bibliothek das alte sofa. Es  stand schon immer vor dem kamin und  hatte, seit ich es kannte einen verschlissenen bezug. Ein sofa, aus dem bereits die füllung und eingeweide aus dem inneren hervorquollen. Das sofa von dem du immer behauptet hattest, es hätte platz für drei und eigentlich müsste man zu dritt darauf liegen. Die wunden dieses sofas waren geheilt. Es war neu gepolstert und bezogen und stand einladen vor dem kamin. Dieses sofa auf dem wir dann doch immer nur zu zweit gelegen hatten.

Ich schloss die türe, lies diese geheilte sofa mit platz für drei hinter mir und ging nach draußen um im schnee nach spuren zu suchen. Ich fand keine. Rund um das haus war der schnee unberührt und vor zwei tagen hatte es das letztemal geschneit.

Am achten dezember fand ich erst nach langem suchen am späten abend hinter einer türe, die in einem dunklen winkel versteckt lag, einen teller auf dem sich ein gefüllter schweinebraten befand. Zwei scheiben waren bereits abgeschnitten und lagen vor dem großen bratenstück. In diesem großen bratenstück konnte man die füllung deutlich erkennen. Ich nahm den teller und stellte ihn auf den nachttisch neben dem himmelbett. In dieser nacht konnte ich keine ruhe finden. Der duft des bratens stieg in meine nase und ein  ungezügelter appetit versuchte mich zu überwältigen.

Den nächste tag verbrachte ich hinter dem telephon sitzend. Die neun war ein kleiner zettel mit einer telephonnummer. Es war eine dieser geheimnummern, ein besitzer war nicht zu ermitteln, meine nachforschungen blieben erfolglos, so dauerte es bis zum abend ehe ich mich überwinden konnte die nummer zu wählen. Es meldete sich eine frauenstimme und fragte nach meinem namen, ich nannte ihn, sie gab zur antwort, in einer stunde wären sie da, dann wurde der hörer aufgelegt. Diese stunde verbrachte ich voller unruhe mit auf und abgehen, den flur entlang und zurück bis es endlich an der türe klingelte. Es standen zwei junge mädchen, vielleicht anfang zwanzig davor, die mich ohne ein wort zu sagen an der hand nahmen und in  die bibliothek führten. Sie fanden den weg ohne zu fragen und gingen auch ohne zu zögern direkt auf das sofa zu, fingen an sich zu entkleiden und zogen mich zu sich auf das sofa. Ich weiss nicht mehr wie lange wir auf dem sofa lagen, als es zu kalt wurde machte ich feuer im kamin und als wir hunger bekamen ging ich in das schlafzimmer, holte den schweinebraten, ein messer aus der küche und die flasche wein. Den braten schnitt ich in dünne scheiben, die wir uns gegenseitig in den mund schoben. Den wein flößte ich den mädchen mit meinem mund ein. Gierig saugten sie ihn aus meinen lippen. So verbrachten wir die nacht, und irgendwann schlief ich ein. Als ich im dämmerlicht vor dem kalten kamin erwachte wusste ich nicht ob es ein traum war. Ich wählte nochmals die nummer auf dem zettel, bekam aber nur die ansage zu hören, dass diese nummer nicht vergeben sei.

Ich kleidete mich an und machte mich durchgefroren und verwirrt von dieser nacht auf die suche nach der zehn. Ich fand sie an der türe des ehemaligen ankleidezimmers. Früher ging ich gerne in dieses zimmer. Es ist an allen wänden mit großen spiegeln verkleidet. Mit spiegeln, in denen man sich hundertfach wiederspiegelte und hundertfach wieder sehen konnte. Als ich die türe öffnete kam mir ein flackernder lichtschein entgegen. Der boden und all die kommoden an den wänden waren über und über mit brennenden kerzen bedeckt, die den raum in ein angenehm helles und warmes licht tauchten. An dem großen spiegeln auf der eine seite des raumes war ein photo angebracht. Ein photo, das sich in den anderen spiegel immer wieder brach und vervielfältigte. Ich erinnere mich noch genau wann ich diese photo gemacht hatte, ein photo von dir, nur dass auf diesem photo dein gesicht herausgeschnitten war.

Als ich mich in die mitte des raumes stellte erschien mein gesicht anstatt deinem immer wieder in den spiegeln. Ich schaute mich selber aus dir heraus an, hundertfach, tausendfach. Als ich dieses bild immer mehr zur qual wurde, begann ich das licht einer kerze nach der anderen zu löschen.

Der nächste tag wäre die elf und ich weiß nicht, ob ich es ertragen kann was noch kommt.

jens schreblowsky – alletagekunst - 12.12.2004

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Kommentare zu diesem Text

KeinB (25)
(27.11.05)
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 jds meinte dazu am 27.11.05:
hallo KeinB,
(warum eigentlich kein B?), kann leider nicht löschen, mir haben die 10 türen gereicht, uff.
denn ich weiß nicht....
danke fuer den daumen
grueszle
jds

 Bergmann (02.01.06)
talent.

 jds antwortete darauf am 03.01.06:
hallo bergmann,
danke
grueszle
jds
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