An(ge)dacht
Anspruch und Zuspruch für die Woche
Eine archivierte Kolumne von SimpleSteffi
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Der zuckende Beat der Angst (von gimme_shelter)
{Da ich im Moment vor lauter Abschlussarbeitsschreiberei und anderen Dingen nicht weiß, wo mir der Kopf steht und fast schon befürchtet hatte, heute auf die Kolumne verzichten zu müssen und mein Gewissen mich ganz madig zu machen begann - genau da bot mir gimme_shelter an, etwas zu Losung und Lehrtext von Freitag zu schreiben. Liebster, hab Dank!}
Die Angst meines Herzens ist groß; führe mich aus meinen Nöten! (Psalm 25,17)[/i]
Wenn ich diese Losung lese, muss ich an die Situation von vor ein paar Tagen denken, Liebste, als wir beisammen lagen und uns die neue Platte jener befindlichkeitsfixierten Band anhörten. "Ein Platz ist noch frei in der hintersten Bank/ In der vollbesetzten Kirche der Angst", lässt der Sänger an einer Stelle verlauten. Mich brachte es zum Grinsen. Doch ich fürchte, es lag nichts Warmes in diesem Grinsen. Zu sehr wurde hier zum Ausdruck gebracht, was ich die letzten Wochen und Monate empfunden habe und auch jetzt immer noch häufig empfinde. Die Kirche der Angst. Vollbesetzt ist sie und doch ist dort jeder allein. Sie ist wohl das Gegenteil jener Kirche, die so ein wichtiger Teil deines Lebens und mir schon so lange so fremd und fern geworden ist. Ich jedoch kann darüber nichts erzählen. Mir fällt soviel mehr zum Thema Angst ein als zum Thema Erlösung.
Gestern beispielsweise, als ich sinnlos durch die Fußgängerzone lief, wurden urplötzlich die Menschen um mich herum zu einer wabernden Masse, die mich niederzuwalzen drohte. Im billigen Imbiss-Lokal, in das ich mich geflüchtet hatte, war ich dann sicher, dass ich mich auf der Stelle in meine Bestandteile auflösen muss. Wieder zu Hause angekommen, schlug mir das Herz bis zum Hals und Adrenalin brannte in meinen Adern. Es dauerte lange, bis das Gefühl völliger Verlassenheit wieder verschwunden war.
Alles ist so diffus, so wenig greifbar geworden heutzutage. Wenn die Menschen ihr "De Profundis" aus den Häuserschluchten sprechen, können sicher viele von ihnen nicht mehr auf all die konkreten Gefahren biblischer Tage verweisen. Die Bedrohungen sind subtiler geworden und perfider. Und Glaube kann hier als Gegengift wirken, bietet er doch dem Menschen, der sich nicht mehr zurechtfindet, Orientierung. All das begreife ich natürlich und will als dein pflichtbewusster Vertreter, Liebling, auf das Neue Testament verweisen, das all den Verängstigten folgenden Trost anbietet:
Christus spricht: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. (Johannes 16,33)[/i]
Ich kann mir jedoch nicht verkneifen, auch noch die große Patti Smith zu zitieren: "Jesus died for somebody's sins but not mine / meltin' in a pot of thieves / wild card up my sleeve /thick heart of stone /my sins my own / they belong to me, me". Vielleicht lässt sich dies auch auf die Angst übertragen. "Meine Angst gehört mir." Oder besser: "meine Angst gehört zu mir". Wenn sie ein Song wäre, hätte sie einen pluckernden, zuckenden Beat. Vielleicht wäre dies gar kein so unguter Sound. Man könnte sicher gut dazu tanzen.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
später entpuppt sich der liebe gott als ziemlich unbeweglich und wird sogar richtig sauer, weil diese "letzten menschen" in diesem teil der galaxie auch noch einen eigenen willen haben.
ich glaube nicht, daß jesus angst hatte. wer liebe (statt haß) predigt, muß ziemlich furchtlos sein!
(27.04.08)
Ich hatte keine Angst mich hier zu Wort zu melden,denn so kann ich meinen Dank an den Verfasser der Kolumne richten. Danke für diesen Text und die damit verbundenen Gedanken. Danke auch dafür, dass hier heute eine Kolumne steht und Steffi sich in Ruhe um ihre Abschlussarbeiten kümmern kann. Toi toi toi.
Maya
(27.04.08)
Wie gut ich seine Kolumne finde, weiß mein Liebster (hoffentlich) ... schön, dass ihr das genauso seht!
Von Herzen eine gesegnete Woche!