Papa trinkt

Text zum Thema Sucht

von  IngeWrobel


Hab keine Angst, mein Kind, dem Papa geht es gut.

Ich kann dir auch nicht sagen, warum er das tut.

Er kommt bestimmt gleich wieder, glaub mir, du wirst’s sehn,

er wollte nur mal schnell ein Bierchen trinken gehn.

 

Der Weg zu seiner Kneipe, sagst du, wäre  weit.

Ja, du hast Recht, mein Kind. Was bist du doch gescheit!

Deswegen hat das Auto er geschwind genommen;

so wird er später umso schneller wiederkommen.

 

Dass du Geburtstag hast, das hat er nicht vergessen.

Den Kuchen werden wir gemeinsam später essen.

Lass uns die Kerzen auf dem Kuchen schon entzünden,

so kann der Papa gleich den Weg viel besser finden.

 

Dass Papa trinkt, mein Kind, das ist nicht deine Schuld.

Hab bitte einfach heute mit ihm noch Geduld.

Er wird’s dir später sicher irgendwann erklären;

doch es bringt nichts, wenn wir uns heut bei ihm beschweren.

 

Es wird schon dunkel draußen, ja, es ist schon spät.

Wenn mein Geburtstagsschatz jetzt brav ins Bettchen geht,

dann liest die Mama noch ein Märchen dir zur Nacht

und hört nicht auf, bis du die  Äuglein zugemacht.

 

Nein, jetzt nicht weinen, Papa kommt bestimmt zurück!

Du weißt es doch: Du bist für ihn das größte Glück!

Morgen verspricht er dir – da wette ich jetzt drauf –

ab übermorgen hört er mit dem Trinken auf.




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Kommentare zu diesem Text


 Regina (20.01.25, 02:22)
"Ein Mädchen muss trinkfest sein", sagte ein anderer Papa, den ich kenne, "sonst kommt am Ende ein Unhold, macht sie besoffen und verführt sie." sprachs und ließ die Kinder aus kleinen Gläschen immer ein bisschen mittrinken.

 IngeWrobel meinte dazu am 20.01.25 um 02:43:
Au weia! 
Aber ja, so werden Kinder bereits in frühen Jahren programmiert. Das Thema macht mich traurig und wütend zugleich. 

Danke für die Empfehlung des Textes und 
liebe Grüße an Dich 
von der Inge

 eiskimo (20.01.25, 03:00)
Dein Text beschreibt eine Art Männlichkeitsritual - ich hoffe, eins von früher, das die jungen Väter von heute nicht mehr nötig haben.
Jedenfalls sehr gut geschrieben!
LG
Eiskimo

 IngeWrobel antwortete darauf am 20.01.25 um 09:14:
Lieber Eiskimo, 
Deinen Worten kann ich nicht recht folgen – sie nicht bestätigen – da mein Text die Situation aus der Sicht der Mutter beschreibt. Ich denke, in diesem 3-Personen-Stück hat sie den schwierigsten Part, jedenfalls wollte ich das zum Ausdruck bringen. 
Danke für's Lesen und liebe Grüße zurück 
Inge
uwesch (82)
(20.01.25, 15:00)
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 IngeWrobel schrieb daraufhin am 20.01.25 um 16:16:
Lieber Uwe, 
nach meiner Erfahrung ist der beste Beistand der von der Basis, also den Selbsthilfegruppen. Wenn Du das mit "professionell" meinst, gebe ich Dir recht. Wissenschaftlich, theoretisch kommt man in der Regel an Suchtkranke nicht heran. Ein Betroffener, der alle Höhen und Tiefen der Krankheit erlebt hat und am Ende "trocken" ist, scheint mir am überzeugendsten zu sein. Aber was auch "von außen" auf den Trinker*in einwirkt: Der Entschluss aufzuhören, ist eine einsame Entscheidung des/der Betroffenen. 
Danke für Deine Worte und Empfehlung 
und liebe Grüße 
Inge

 Quoth (20.01.25, 17:05)
Die leidvollen Beschwichtigungsversuche einer Mama, die letztlich Koalkoholikerin ist, mit den Sorgen eines allzu ahnungsdvollen Kindes. Fast unerträglich der Kontrast einer wahrscheinlich von Verarmung, Gewalt und womöglich Missbrauch geprägten Zukunft mit der sich in Verniedlichung verlierenden Gegenwart.

 IngeWrobel äußerte darauf am 20.01.25 um 19:30:
Hallo Quoth, 
Dank für Deine verstehenden Worte und die Sternchen für den Text! 
Liebe Grüße 
von der Inge
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