Seestück

Ballade zum Thema Meer

von  Möllerkies

Dieser Text ist Teil der Serie  Deutschkurs
Es war einmal ein junges Paar,
das fuhr von Homburg an der Saar
per Intercity über Leer
nach Norddeich Mole bis ans Meer.
 
Genießt des Zugabteils Komfort!
Es geht durch Heide, Wald und Moor,
durch fette Marschen, trock’ne Geest,
derweil ihr eine Zeitschrift lest.
 
Ihr fahrt durch Wiesen voller Klee,
vorbei an einem blauen See,
der gleicht der Eifel rundem Maar.
»Krieg ich jetzt mal die Zeitschrift?« »Klar!«
 
Ein starker Deich umgibt den Koog,
und Kühe drängen sich am Trog.
Der Zug bleibt stehen: »Bitte sehr,
hier Endstation – wir sind am Meer!«
 
So einsam liegt der Strand und leer,
man sieht nur Treibholz, Tang und Teer
und Fischernetze voller Moos.
»Hier ist ja überhaupt nichts los.«
 
Im Strandhotel im Speisesaal
verzehrt man Kabeljau und Aal,
und dann serviert der Ober Tee.
»Entschuldigung, gibt’s auch Kaffee?«
 
Am Deiche eine Brise weht;
dort dümpelt auf verlass’nem Fleet
ein ramponiertes Fischerboot,
das Segel weiß, die Planken rot.
 
Ein Haus mit einem Dach aus Reet,
daneben ein Gemüsebeet,
bestellt von einem wack’ren Maat,
der erntet seiner Hände Saat.
 
»Taugt dieses Boot für hohe See?«
Der Maat sticht eine Rübe: »Nee.
Mit diesem Boote ist kein Staat
zu machen.« Man verlacht den Maat:
 
»Egal, wir mieten dieses Boot.«
Er nimmt die Pinne, sie das Schot.
»Wenn ich Befehl zum Wenden geb,
dann ziehst du einfach an dem Reep.«
 
Der Wind weht steif von Luv nach Lee,
und fröhlich stechen sie in See.
Am Ufer in der Möwen Schar,
da kauert ein zerzauster Aar,
 
und in der Vogelschar Krakeel
wirft er zum Boote Blicke scheel;
er freut sich heimlich auf den Fraß,
der ihn erwartet: Menschenaas.
 
Das Boot, es gleitet wie ein Speer
auf Wellen weit hinaus aufs Meer.
Es bläst der Wind, es tost die See;
Schaum krönt die Wellen, weiß wie Schnee.
 
»So lang schon sind wir auf dem Meer!
Verschließt die Fugen wohl der Teer?«
»Ich bin«, spricht er, »kein Philosoph,
doch für die Einsicht nicht zu doof,
 
dass es im Boote vor ein paar
Minuten deutlich trock’ner war.
Ich glaube, Wasser dringt ins Boot.
Ach Liebste, uns droht nasser Tod!«
 
Vorbei der Eitelkeiten Zoo:
»Jetzt tu doch was, ich fürcht mich so!«
Denn riesengroß ist die Gefahr –
ihr Leben hängt an einem Haar!
 
Doch sieh! doch sieh! auf hoher See
naht sich auf einmal eine Fee,
getragen von der Möwen Heer
besänftigt sie das wilde Meer.
 
Und sicher führt sie heim das Boot,
erlöst das Paar aus seiner Not,
errettet es mit Haut und Haar –
nur einer ist enttäuscht: der Aar.
 
Entronnen ist es der Gefahr,
und eilig fährt das junge Paar
zurück nach Homburg an der Saar.
»Wie war’s im Urlaub?« »Wunderbar!«


Anmerkung von Möllerkies:

Die Antwort auf die uralte Frage: Gibt es ein Gedicht, das alle einsilbigen deutschen Wörter mit Vokalverdopplung* als Reimwörter verwendet?

Jetzt (wenn auch drastisch gekürzt) auch als  Schulbuch-Text.

* abgesehen von Eigennamen (wie Peer, Baal oder Spree) und Fremdwörtern (wie Geek oder cool)

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Kommentare zu diesem Text

janna (66)
(11.10.13)
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 Möllerkies meinte dazu am 11.10.13:
Danke für die Rückmeldung. Das "einsam, öd und leer" war mir auch schon aufgefallen – ich habe es jetzt geändert.

 Irma (11.10.13)
Witzige Idee, das mit den Doppelvokal-Reimwörtern! LG Irma

 Möllerkies antwortete darauf am 11.10.13:
Danke sehr, Irma!

 Didi.Costaire (11.10.13)
Eine spannende Geschichte, kernig beschrieben. Dass noch einer schwierigen formalen Aufgabenstellung nachgegangen wurde, merkt man bei den locker gereimten Versen gar nicht. Sehr gut!
Schöne Grüße, Dirk

 Möllerkies schrieb daraufhin am 11.10.13:
Danke für das Lob, Dirk!

 plotzn (16.10.13)
Ein Gedicht in so engem Korsett (bzgl. der Endreime) so flüssig und schlüssig zu reimen, dass das Korsett überhaupt nicht auffällt, ist große Klasse. Chapeau, Möllerkies!

lg Stefan

 Möllerkies äußerte darauf am 16.10.13:
Vielen Dank, Stefan, das ist genau das, um was ich mich in dem Gedicht (und in anderen Gedichten) bemüht habe.
Graeculus (69)
(01.10.14)
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 Möllerkies ergänzte dazu am 06.10.14:
Danke für Stöbern und Lob, Graeculus.
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