Zeitbomben

Kurzprosa zum Thema Zeitgeist

von  Ravna

Wir sind laut. Wir haben auch nichts Besseres zu tun. Wir haben nichts vor, nichts hinter uns. Wir wissen viel mehr über käufliche Liebe als über Perspektiven. „Warum?“ fragen wir nicht, wir können keine Fragen stellen.

Die Welt ist uns fremd, ist übermächtig. Sie erschlägt uns.
Aber wir schlagen vorher.

Da gibt es Bilder, die Krieg zeigen. Wir spielen sie munter nach, etwas erleben, irgendwo dabei sein, Krieg ist eine herrliche Fiktion.
Wir haben volle Körper, aber die kann man aushungern. Dann sieht jeder unsere Armut. Essen ist etwas interessantes, lebensnotwendig ist es nicht. Hunger hatten wir nie.
Unsere kleinen Probleme lassen wir groß und mächtig werden. Irgendwie können wir nicht glücklich sein. Uns fehlt das Unglück. Um vom Leiden zu kosten, kosten zu dürfen, schaffen wir es selbst. Wir definieren das Unglück einfach neu, dann muss doch auch das Glück folgen. Wir verstümmeln unsere Körper, die nie ideal werden. Mit dem Blut zeichnen wir die Zeichen der Zeit auf Betonwände.

Die Welt ist uns fremd, sie erschlägt uns.
Aber wir schlagen vorher schon.

Unsere Gesichter sind meist ausdruckslos, dafür haben wir trainierte Bauchmuskeln. In Zimmern voller Spiegel sehen wir uns nirgendwo. Unsere Identität ist unser merkwürdiger Körper, dieses Ding da außen. Identität muss schön sein. Oder hässlich. Hässlich ist so schön. Immer weiter in die Extreme. Kleine Friedhofspuppen mit kauffreudigen Hosentaschen. „Ich bin anders“ skandieren wir im Chor.
Wir kennen lauter Wahrheiten, zu Wahrheiten kann man gut marschieren. Wir sind Herdenindividuen. Jeder von uns ist tausendfach.

Die Welt erschlägt uns.
Aber wir schlagen vorher schon zu.

Wir sind Kinder. Wir stammen aus Ländern in denen unsere Großeltern noch Leiden kannten, aber unsere Eltern waren sich da schon nicht mehr ganz so sicher. Wir sind die Kinder der Achtziger, der Neunziger.

Wir ticken sehr laut. Irgendwann übertönen wir das große Uhrwerk.
Wir haben furchtbar starke Fäuste.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (23.12.06)
Was? Ich höre nichts.

 Ravna meinte dazu am 23.12.06:
tja, in deinem alter. hörgerät anschalten, lieber bergmann.

 Bergmann antwortete darauf am 23.12.06:
Mir war klar, dass du in deiner 'Antwort' zum Naheliegendsten und Niedrigsten greifen würdest, du bist in die sichtbarste Falle gelaufen. Du scheiterst schon in der Analyse.

 Ravna schrieb daraufhin am 23.12.06:
es gibt menschen um die bemühe ich mich. und es gibt dich.

 Dieter_Rotmund (06.09.18)
Ich habe keine Ahnung, um was es in "Zeitbomben" geht.
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