"Peter", rief die Mutter, "wasch dir die Hände, bevor du ins Bett gehst,
und vergiss nicht zu beten!" Mit einem gleichgültigen "jaja" sprang Peter ungewaschen ins Bett und verdrehte genervt die Augen. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und dachte: "Wieso nur muss man immer beten?" Es nervte ihn schon, so lange er denken konnte.
Darüber hinaus musste er kurz eingedöst sein, denn plötzlich wurde er von einem hellen Lichtschein geweckt. Er öffnete die Augen und schaute ungläubig auf die Gestalt neben seinem Bett. Dort stand ein wunderschönes Kind. Ihm war, als strahlte es heller als die Sonne. Und er wußte nicht, was ihn mehr blendete: Das Licht oder die Schönheit dieses Wesens.
"Sag, wer bist du?", fragte Peter, als er sich verstohlen die Augen rieb. Es könnte ja sein, dass er träumte. Aber nein, die Gestalt blieb auch nach mehrmaligem Augenreiben dort wo sie stand und sah ihn mit großen blauen Augen an. "Ich bin der Engel des Gebets," sprach es. "Ich wurde von Gott gesandt, und habe die Aufgabe, allen Kindern zu helfen, die das Beten verlernt haben."
Peter fühlte sich irgendwie peinlich ertappt. Trotz der Schönheit fiel ihm auf, dass der Engel ein trauriges Gesichtchen hatte, und auf seltsame Weise schnitt ihm dies tief ins Herz. Er wollte gern den Grund dafür wissen und fragte: "Aber sag, du bist so schön, warum bist du so traurig?" "Nun", sprach der Engel, "Gott ist noch um so vieles schöner als ich. Niemand könnte seine Schönheit ertragen.
Aber es macht ihn traurig, dass es kaum noch Menschen gibt, die zu ihm beten und Gott für seine Wunder danken, die er tagtäglich für die Menschen geschehen lässt. Die meisten von ihnen beten immer nur dann, wenn sie in Not sind, oder wenn sie Wünsche haben, so wie du dir zu Weihnachten ein Fahrrad gewünscht hast. Erinnerst du dich? Oder wenn du dir schönes Wetter wünscht, weil du mit deinen Freunden zum Spielen verabredet bist. Vieles wird dir auch ohne Wunsch erfüllt, einfach nur so, und du nimmst es als selbstverständlich hin.
Zum Beispiel hast du deine Kette wiedergefunden, die du verloren hattest. Du warst ziemlich traurig darüber. Es gibt viele Engel, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind. Damals half dir der Heilige Antonius dabei, denn er wird oft gerufen, um verlorene Dinge wieder zu finden. Und abends ist es dir auch noch lästig, Gott in einem Gebet zu danken. Wie oft hast du dein Gebet einfach nur schnell heruntergeplappert ohne mit den Gedanken bei der Sache zu sein? Dabei ist ein Gebet doch ein Gespräch, und du könntest auch wie zu einem guten Freund mit ihm sprechen. Schau Peter", sagte der Engel, "dem Herrgott ist es egal, wie du zu ihm sprichst, so lange es aus tiefstem Herzen kommt."
Peter schämte sich entsetzlich. "Ja, ich verstehe", sagte Peter, "ich werde mich bessern. Das verspreche ich." Da lächelte der kleine Engel, und das ließ ihn gleich noch um vieles schöner erscheinen als er eh schon war.
Seit diesem Tage betete Peter gern, denn er sah in Gott kein Überwesen mehr, für den er bedeutungslos war. Nein, Gott war jetzt sein bester Freund! Und mit Freunden spricht man gern.