Wer`s glaubt ... !??

Satire zum Thema Abhängigkeit

von  tastifix

Manchmal und eigentlich immer öfter finde ich die Errungenschaften der modernen Technik gar nicht so schlecht. Um ehrlich zu sein, bin ich heilsfroh, dass es sie gibt, denn andernfalls ...

Orientierungssinn ist wahrlich etwas Feines. Falls man ihn hat! Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass meiner in den Babyschuhen steckengeblieben ist. Immerhin aber weiß ich mittlerweile den Namen der Stadt, in der ich bereits seit zwanzig Jahren wohne. In der ersten Zeit hier hat mich oftmals diesbezügliche Verunsicherung beherrscht, die ich zum Glück per scheu-verschämter Blicke auf Schilder und Autokennzeichen überwunden habe.

"Du lebst in Düsseldorf, in Düsseldorf!", habe ich mir eingehämmert.
Gegen diese Holzhammermethode ist selbst mein trotziges Gedächtnis nicht angekommen, hat resigniert und speichert infolge alles zunehmend fast beängstigend rasch und auch richtig. - Solange ich zu Fuß unterwegs bin!!

Im Bus darf es sich ausruhen. Da lastet die Verantwortung für unbeabsichtigte Schleichwege auf dem jeweiligen Fahrer, der mein neues Selbstbewusstsein wegen seiner Gedächtnishöchstleistungen regelrecht zerfetzt. Er verfährt sich nämlich garantiert nie. Der kennt die Strecke wie seine eigene Westentasche jede Ecke und düst noch nicht einmal bei "Rot" über die Ampel, denn er vergisst auch nicht ein einziges Mal, dass dort eine steht. Seeuufz.

Der Himmel hat letztendlich Mitleid mit mir und sorgt für die große Wende.
"So geht` s nicht länger!", meint der Herrgott. "Sie ist ja deswegen total fix und alle mit den Nerven!"
Flugs gibt er ein paar klugen Köpfen die optimale Idee ein, die sich dann in der Gestalt eines Mini-Fast-Fernsehers fürs Auto materialisiert. Natürlich laufen da nicht etwa ´Denver-Clan` und/oder ´Nur-die-Liebe-Zählt`, so dass manche dann vor lauten roten Herzchen und Schmalz im Sinne völlig weggetreten gegen den nächsten Laternenpfahl brummen, sondern es ist etwas viel Anspruchvolleres einprogrammiert. Selbst Günter Jauch`s ´Wer wird Millionär?` kann damit nicht konkurrieren.

In diese Mini-Kästchen haben sie doch tatsächlich riesengroße Straßenkarten gequetscht, die sich erstaunlicherweise, ruft man sie auf, völlig glatt und ohne Knick und Tadel (noch glaubte ich letzteres!) präsentieren. Die Kästchen, Navigationsgeräte genannt, bringen sogar noch mehr, wie ich dann perplex feststelle. Sie quasseln zeitweise wie ein Buch, nein, nicht etwa auf unangenehme Weise, sondern stets freundlich, höflich und wiederholen zur Sicherheit jeden Satz mindestens zweimal. Und das wahlweise mit zarter, weiblicher oder charmant-männlicher Stimme. Einfach toll!!
„Vielleicht halten die uns menschliche ´Gesprächs`- partner für ´nen bisschen doof?“, frage ich mich.

Meine Tochter Martina hat vor kurzem ihr erstes Auto erstanden und es ´Knautschi` getauft. Knautschi ist ein wahres Schätzchen von einem Auto, blitzt schelmisch aus seinen Scheinwerfern und strahlte in Orange mit der Sonne um die Wette. Er ist ein Micra von Nissan.

Verliebt bis über beide Ohren, verwöhnt Martina ihren Kleinen von hinten bis vorne, spendiert ihm Waschanlagenbesuche ohne Ende und fährt ihn sofort, zeigt sich eine mikro-winzige Regenwolke am Himmel, in die Garage. Klar, dass Knautschi auch noch viel wichtigere Dinge geschenkt bekommt. An seinem Schlüssel hängt schon länger einer der von meiner Tochter so sehr geliebten Papageientaucher, aber jetzt folgt der Clou:

Sie zeigt mir eben solch ein Mini-Kästdchen und erklärt stolz:
„Das ist für Knautschi! Mama, hast du Lust zu einem Ausflug?“
Natürlich habe ich.

Knautschi guckt ein wenig zweifelnd auf das Navi in Martinas Hand. Schließlich hat er bisher seinen Weg auch ohne so etwas fast immer gefunden. Meine Tochter tippt per Stift unser Ziel ein: Mac Donalds. Nur, dass Sie Bescheid wissen: Diese nicht ganz so unbekannte Futterkrippe steht etwa zwei Kilometer von unserem Haus entfernt.

Martina hängt das Navi, Tusnelda mit Namen, in dessen Schale an der Fensterscheibe und startet den Wagen. Schon geht es los:
„Nach 2oo Metern biegen Sie auf die ... „
Zwei Sekunden später:
„Nach zweihundert Metern ...“
Meine Tochter und ich tauschen einen Blick. Zum Glück war`s die Frauenstimme, sonst wäre Martina jetzt schon schwer sauer.

Die nachfolgende Strecke bis zur Umgehungsstraße dürfen wir uns dann sogar ungestört unterhalten. Doch dann entdecke ich in der Ferne die nächste Ampel und es schwant mir Böses. Prompt meldet Tusnelda sich:
„Nach dreihundert Metern bleiben Sie links und biegen dann ... Bleiben Sie links!“
Meine Tochter fährt bereits links, linker geht’s nicht, es sei denn, rauf auf den Bordstein und quer über die Gänseblumen. Wir lieben Blumen und ignorieren Tusneldas Vorschlag.

Kurz darauf biegen ... wir dann. Eigentlich haben wir wirklich ein Navi-Lob verdient, meinen wir. Stattdessen:
„Fahren Sie geradeaus ... beachten Sie bitte die Geschwindigkeitsbegrenzung!“
Hier dürfen wir „70 km/h“, schleichen aber mit „65 km/h“ dahin.
„Halten Sie sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung!“, tönt es daraufhin schon ein wenig vorwurfsvoller. Wie konnten wir aber auch nur ... !

Martina ist bereits sichtlich nervös wegen Tusneldas andauernder Quasselei. Schließlich benimmt die sich gar nicht gut erzogen und unterbricht jedes Gespräch und das in den dafür unpassendsten Momenten.
„Mama, der Typ kann mir gestohlen bleiben!“
Tusneldas Antwort darauf:
„Biegen Sie jetzt rechts ab. Beachten sie die Geschwindigkeit!“
Upps!! Ist sie vielleicht noch schlauer als wir es dachten? Rät sie gerade vielleicht meiner Tochter, den besagten Typen ein wenig in seinem Engagement ihr gegenüber zu bremsen oder besser sogar Abstand zu halten?“

Martina scheint ähnliches zu überlegen. Jedenfalls sieht sie recht nachdenklich drein. Oder bilde ich mir das nur ein, konzentriert sie sich in Wirklichkeit nur aufs einzuhaltende Tempo?
„Bezähme jetzt besser deine Neugierde und frag` nicht nach!“, halte ich mich zurück.
Denn ich bin ja eine erfahrene Mama.

Martina seufzt:
„Mama, Sandra reist jetzt durch die USA!“
„Wie? Das ist ja klasse, dann kriegst du bestimmt bald ´ne Karte!“
Dieses neue Thema interessiert auch unsere Tusnelda. Mit eindringlicher Stimme mischt sie sich ein, gibt aufdringlich ihren Senf dazu:
„Fahren Sie acht Kilometer immer geradeaus ... !“
Ausnahmsweise regt sie uns nicht auf. Wie recht sie doch hat.
„Das macht Sandra bestimmt!“, stimmen wir zu.

Inzwischen ist uns etwas klar geworden: Wir brauchen nur auf unsere Gesprächsführung zu achten, dann ergibt sich keinerlei Grund mehr, sich über Tusnelda keckes Dazwischenreden noch länger aufzuregen. Dann werden ihre Anmerkungen sogar zu wahren Lebensweisheiten.

So verstehen wir Drei uns eine ganze Zeitlang, mindestens fünfhundert Meter lang, wunderbar. Tusnelda dirigiert und links, nach rechts, geradeaus und das dann noch in der vorgeschriebenen Geschwindigkeit und uns stört es nicht mehr. Es ist Harmonie pur.

Doch dann endet dieser Frieden. Wir reagieren total verstört. Tusnelda fordert uns doch tatsächlich auf, mitten auf der Straße mit durchgezogener Mittellinie zu wenden, einfach so.
„Nach fünfzig Metern wenden Sie bitte und nehmen an der nächsten Kreuzung die zweite Abfahrt ... !“

„Martiinaa, jetzt spinnt die. Wir dürfen doch nicht ... ?“
Martina schielt mit einem schnellen Blick seitlich auf die Straße und mustert ratlos die durchgezogene Linie, die sich nicht etwa verdünnisiert hat, sondern weiterhin nachdrücklichst darauf besteht, nicht überfahren zu werden.

Meine Tochter macht sich schwere Gedanken:
„Aber, wenn sie es vorschlägt ...? Ich meine, die kennt sich eindeutig besser aus als wir?!“
Kennt sie ... ??
„Anders kann Martina ja jetzt nicht argumentieren. Sonst zweifelt sie Tusneldas Kompetenz an, die reagiert beleidigt, führt uns zur Strafe nach Pusemuckel und wir merken das vielleicht noch nicht einmal!“

„Pass auf. Irgendwann ist diese Linie zu ende. Dann drehen wir!“, schlage ich vor und denke: „Fragt sich nur, wann ... !!
Weil sie nicht willentlich zur Verkehrssünderin werden möchte, ist Martina einverstanden. Mit dieser Reaktion ist Tusnelda hoch zufrieden und schwiegt sich erst mal aus. Nach einigen Metern endet die durchgezogene Linie. Wir atmen auf, wenden und vertrauen uns dem schnurgeraden Straßenverlauf an. Tusnelda scheint einverstanden und bleibt stumm.

Die ungewohnte Stille wird schnell zur Belastung. Das empfindet anscheinend auch unsere Navi-Freundin und meldet sich zurück:
„Bleiben Sie rechts ... Fahren Sie bis zur nächsten Kreuzung und nehmen Sie ... !“
Den Rest wissen Sie schon.

Gottlob finden wir sofort die besagte, zweite Abfahrt. Die Straße wird deutlich schmaler.
„Bestimmt sind wir bald da!“, muntern wir uns gegenseitig auf.
Im selben Moment kündigt Tusnelda an:
„Nach hundert Metern haben Sie ihr Ziel erreicht ... Sie haben ihr Ziel erreicht!“
Erleichtert widmen wir uns dem Pommesmord.

„Die Rückfahrt wird einfacher!“, trösten wir uns.
Zunächst klappt alles ohne Probleme. Knautschi startet, Knautschi läuft brav und übersieht auch keine der Ampeln. Über Martinas Gesicht geht ein Strahlen. Zwischen Tusnelda und uns ist alles in Butter und wir sind mit ihrer Führung ausnahmslos einverstanden.
„Vielleicht war das Theater bloß Navi`s Eingewöhnungsphase im neuen Zuhause?“, überlege ich.

Eigentlich könnten wir inzwischen ruhig das Gerät ausschalten, denn wir befinden uns mittlerweile bereits gegenüber unseres Einkaufszentrums. Doch das mögen wir Tusnelda nicht antun, nicht unsere noch sehr frische Freundschaft aufs Spiel setzen.

„Biegen Sie in die zweite Nebenstraße links ein, fahren immer weiter gerade aus und biegen dann in die letzte Straße links ein ... Biegen Sie jetzt ab!“
Wir grinsen uns an. Gehorsam folgen wir ihren Anweisungen und landen auf der Straße zu unserem Haus. Mit ´50 km/h` sehnen wir uns dorthin.

Eine Minute später sehen wir direkt vor uns unsere Doppelgarage. Ein letztes Mal für heute kommandiert Tusnelda:
„Fahren Sie sieben Kilometer immer weiter geradeaus ... halten Sie sich links ... beachten Sie die Geschwindigkeitsbegrenzung ... !!!

Entsetzt starren wir auf das Gerät. Martina macht in letzter Sekunde eine Vollbremsung.

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Kommentare zu diesem Text


 BrigitteG (08.05.07)
Tusnelda - soso. Viola hatte mal eine Sybille und ist jetzt bei Huber Max. Ob sie das mit ihrem Mann abgeklärt hat, weiß ich nicht *ggg*.
Es ist amüsant zu lesen, Gaby, aber ich halte es eventuell für ein klitzekleines bisschen zu lang. Liebe Grüße, Brigitte.

 tastifix meinte dazu am 09.05.07:
Hallo Brigitte!

Ich werd`mir überlegen, ob ich es vielleicht etwas kürze!
´Huber Max`, auch nicht schlecht!!*g*

Liebe Grüße Gaby
Minotaurus (53)
(09.05.07)
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 tastifix antwortete darauf am 09.05.07:
Hallo Minotaurus!

Den ´Navigator`werde ich mir natürlich durchlesen, hihi!!

Lieben Gruß tastifix
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