Mein Wunschzettel

Satire zum Thema Charakterisierung/ Charakteristik

von  tastifix

Ich schreibe an meinem Wunschzettel. Es gehört sich einfach so. Grauenvoll. Diese Verpflichtung, sich auf Kommando doch ja ausschließlich möglichst teure Geschenke zu wünschen, damit das Geltungsbewusstsein des Schenkenden, der es mir dann wohlmöglich wirklich zukommen lässt, ja auch abgedeckt sei. Denn wozu schenkt man denn sonst? Man hat doch eigentlich alles. Ich habe doch eigentlich alles.
Langsam verzweifelnd zermartere ich mir den Kopf. Um Himmelswillen...in drei Wochen ist Weihnachten. Wenn ich bis dann nicht...? Das wäre dann die einfachste Methode, sich jeden der nächststehenden Menschen ausgerechnet zum hochheiligen, doch immer ach so friedlichen Weihnachtsfeste zu Feinden zu machen. Ich habe genauestens abzuwägen, welches Geschenk welcher Preislage ich wem zubillige. Ja nicht ins Fettnäpfchen treten. Sonst spielt die bzw. der Spender unter Garantie beleidigte Leberwurst bis zum nächsten Christfeste. Und ob ich das dann ertrage? Mit dieser Schuld zu leben, jemandem nicht die Gelegenheit vergönnt zu haben, mindestens 500 Euro für etwas auszugeben, das man bei Aldi für die Hälfte des Preises erstehen kann? Doch das liegt selbstverständlich deutlich unter der Weihnachtsgeschenkewürde.
Und bringt dann liebende Mitmenschen zum Nachdenken: Sollte FrauX bzw. HerrY wohlmöglich urplötzlich verarmt sein und so sich nicht mehr am Weihnachtswahnsinn in angemessener Art und Weise beteiligen können?? Man registriert es mit denn doch nicht ganz so liebevoller Genugtuung.
Nach einem prüfenden Blick auf die eigenen zukünftigen Christfestgaben lehnt man sich aufatmend zurück. Nein, mit dem Geldbetrag, den man blutenden Herzens des Prestiges wegen für all diesen entsetzlichen Kitsch verpulvert hat, beweist man enorme Großzügigkeit und Nächstenliebe, kann sich guten, aber wegen gähnender Leere im Geldtäschchen denoch gereizten Gewissens zum überwiegend ja doch, bewiesenermaßen (man denke: 500 Euro!), extrem christlich eingestellten Teil der Bevölkerung rechnen. Alles geschieht absolut selbstlos aus absolut reinster Liebe zum Mitmenschen.
Und die Geschenke übergibt man dann mit möglichst deutlich zur Schau getragenen Bescheidenheit.
Werden die lieben Mitmenschen auch wirklich der eigenen fast grenzenlosen Großherzigkeit wegen  alle bis aufs Tiefste beeindruckt sein?
Oder...ist es zu befürchten, dass der selbst errichtete Sockel aus Scheinheiligkeit innerhalb weniger Minuten zerbröckelt?
Wie denken Sie darüber?

15. Dez

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Kommentare zu diesem Text


 Bellis (22.12.04)
Oh je, ich hoffe doch sehr, daß dieser Text auch wahrhaftig eine Satire und damit maßlos übertrieben ist! ;o) An Wunschzetteln an sich finde ich nichts verkehrtes, solange wirkliche Wünsche darauf stehen!

 tastifix meinte dazu am 22.12.04:
Hallo, Bellis!

Natürlich ist das eine total überzogene Satire. Und trotzdem ist es leider in vielen Fällen die Wahrheit.
Davon abgesehen, finde auch ich Wunschzettel absolut nicht verkehrt, sondern nett und praktisch.
Dankeschön für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich habe mich sehr darüber gefreut.
Dir und Deiner Familie wünsche ich ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

LG
Gaby-tastifix
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