berühren möchte ich und weinen

Prosagedicht

von  tulpenrot

berühren möchte ich und weinen
.
an diesem Tag
werde ich weinen
all die Tränen
die dann noch da sind
halte nicht zurück
die ungeweinten
.
vielleicht werde ich es aber auch lassen
.
ich werde es lassen
wie auch du es gelassen hast
vermutlich
.
ich werde deine Hände nehmen
wenn ich sie denn überhaupt nehmen kann
denn vielleicht werde ich gar nicht wissen
wo du bist
an diesem Tag
.
ich werde deine Hände nehmen
wie ich sie all die Jahre so gerne genommen hätte
wenn ich gewusst hätte, wo deine Hände sind
.
verzeih
.
wo deine Hände sind
da bist auch du
ich mochte deine Hände
sehr
mochte ich sie
wie sehr, das weißt du
und du weißt es auch nicht
ich habe es nie so richtig gesagt
.
verzeih
.
und als ich es sagen wollte
war es zu spät
wenn ich es dir nur heute sagen könnte
nicht erst an diesem Tag
aber auch dann wird es zu spät sein
wie du mir ja schon vor langem gesagt hattest
.
es ist zu spät
.
warum eigentlich haben wir nicht die Uhr angehalten
.
sie sollte nicht einfach weiter gehen
so wie ich
die ich gegangen bin
wie oft soll ich dir sagen
dass ich eigentlich gar nicht gehen wollte
ich wollte es nicht
ich wollte nur wissen
ob du mich liebst
ich wollte nur deine Hände spüren
die mir sagen
und deine Lippen auch
was ich eigentlich wissen sollte
aber in diesem Moment hatte ich es einfach vergessen
.
ich hab dich allerdings nicht vergessen
wirklich nicht
nie und deshalb möchte ich an diesem Tag deine Hände noch einmal berühren
und dich noch einmal sehen
.
es wird zu spät sein
.
vielleicht schon so zu spät
dass die Erde dich bedeckt
.
dann will ich auf dieser Erde ruhen
sie mit Tränen feuchten
damit du weißt
ich war da


Anmerkung von tulpenrot:

(c) tulpenrot Februar 2008

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Kommentare zu diesem Text

elvis1951 (59)
(30.10.08)
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 tulpenrot meinte dazu am 30.10.08:
Hallo Klaus,
du bist diesem Text mit deiner Auslegung sehr nahe gekommen. Da sind viele Dinge nicht gesprochen worden - und es bleibt ein Rest, der sich nicht auflösen lässt, der aber Gefühle übrig lässt - und du hast sie genannt! Danke dir für dein Hineinlesen und Verstehen und für deine Empfehlung!
LG
Angelika
Nicola (80)
(06.12.08)
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 tulpenrot antwortete darauf am 07.12.08:
Es ist ein schwerer Text - und einer, der versucht zu erklären, was nicht zu erklären war, was zur unrechten Zeit vertsummen ließ.
Es ist ein Sehnsuchtstext, die Uhr anzuhalten oder zurückzudrehen, um noch einmal anfangen zu können.
Es ist ein Text, der sich um das "zu spät" des Gegenübers bekümmert und es bedauert.
Du hast Recht - vergessen kann man so etwas nicht.
Ihc danke dir sehr für deine lieben Worte - und für das Sternchen!!!
Einen schönen zweiten Advent! Hier ist es malerisch weiß!!! Und schick dir etwas davon rüber, falls es bei euch nur grau ist.

Angelika
Jugendschutz (65)
(21.02.09)
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 tulpenrot schrieb daraufhin am 21.02.09:
Guten Morgen Jugendschutz ,

dein ausführlicher Kommentar ist für mich gut zu lesen. Vor allem der letzte Teil.
Tod und Verlust zu beschreiben, ohne in Weinerlichkeit oder Frömmelei auszuarten, aber dennoch einen Weg zu finden, der Trauer Ausdruck zu geben - auch das "verzeih" unter zu bringen, war mein anliegen.
Dass du auch Stärke daraus liest, ja sogar Kraft des Glaubens, das tut mir gut. In solchen Momenten, die ja durchlebt sind und immer mal werden, fühlt man sich ja alles andere als das, weder stark noch dem Glauben nahe. Da schwimmen manchmal alle Felle davon. So sind eigentlich deine Worte ein Trost für mich.
Ich bin auch froh darüber, dass du den Text so lesne kannst, dass er sich aus dem individuell von mir Erlebten hinausheben lässt und auch andere Menschenschicksale berührt.
Also rundum: ein herzliches Danke!

Angelika

 princess (15.01.18)
Liebe Angelika,

ich lese hier von einem Es war einmal, das bis zum gegenwärtigen Moment und über diesen hinaus im Lyri präsent ist. Interessant finde ich, dass bei aller spürbaren Sehnsucht und Gefühlstiefe das konkrete Handeln - ich werde weinen, deine Hände nehmen, will auf dieser Erde ruhen z.B. - in die Zukunft gelegt wird. Fast so, als sei LyrI aktuell noch so tief in verwirrende Emotionen verstrickt, die eine Lösung erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich erscheinen lassen.

Ein intensiver Text. Ein nachvollziehbarer Text. Für mein Empfinden jedenfalls.

Liebe Grüße
Ira

Kommentar geändert am 15.01.2018 um 10:34 Uhr

 tulpenrot äußerte darauf am 15.01.18:
Danke,Ira, für deine Worte zu diesem Text. Kaum zu glauben, dass er schon 10 Jahre alt ist! Und du hast ihn wieder ausgegraben nach so langer Zeit. Wenn ich ihn heute wieder lese, wird mir deutlich, wie widersprüchlich und auch hin- und herschweifend die Gedanken des LyrI erscheinen. Und umso beruhigender, wenn du schreibst, dass du das hier trotzdem nachvollziehen kannst.
Viele Grüße
Angelika
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