Alle sind eitel - Eindrücke am Hafen von Konstanz

Prosagedicht zum Thema Eitelkeit

von  tulpenrot

Illustration zum Text
(von tulpenrot)
sie ist eigentlich ja nur eine Statue am Eingang des Hafens
schlank und zugleich majestätisch überragt sie das Treiben zu ihren Füßen

wenn stündlich der Katamaran einfährt, wendet
und tutet und Touristen ans andere Ufer bringt
wenn drüben ein Zug über die Brücke rattert
und Wasservögel mit ihrem typischen Schrei vorüber fliegen

dazwischen also dieses erregende Symbol der Macht
der glatten Illusion
der verheißungsvollen Möglichkeiten
dargestellt als Kurtisane
und wir

sie kehrt uns gerade den Rücken zu
aber sie dreht sich stetig weiter
um die eigene Achse
wir wissen nicht, was wir von ihr halten sollen
ist sie abstoßend, lüstern, verlockend?
sie beginnt immer wieder von vorne
im Kreis
noch einmal und noch einmal
als ob sie uns ständig einen Spiegel vorhalten wollte
wie ein Hofnarr
uns, die wir mächtig sein wollen und doch nur kleine unbedeutende hässliche Männlein und Weiblein sind
nicht so erhaben wie sie
nicht so aufregend wie sie

im Schatten der Bäume
färbt ein stummer Mime sein Gesicht weiß
auch seinen sparsam bekleideten athletischen Körper
er wird in der nächsten Stunde
auf einem improvisierten Sockel aus weißen Plastikeimern
starr verharren
emotionslos
als ob er die bessere, weil leibhaftige Statue sei
wir geben ihm dafür einige Münzen

ich habe mir in einer Boutique ein graues langes ärmelloses teures Leinenkleid gekauft
für heiße Tage, besondere Gelegenheiten
einfach so
meine roten Pumps könnten vorzüglich dazu passen
auch das große rote Schultertuch
und die rote Holzkugelkette


Anmerkung von tulpenrot:

Empfohlen von:
ViktorVanHynthersin, Moja, TassoTuwas, Noch, wa Bash, AZU20.

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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (09.09.20)
Hallo Tulpenrot,
Frauen am Hafen, da kann der Mann von Welt doch gleich mit Wissen glänzen, Die "Freiheitsstatue" in New York oder die "Kleine Meerjungfrau" in Kopenhagen.
Damen im Hafen, haben andere Qualitäten, über die man munkelt, und auch schöne Namen., wie z.B. Imperia!

Herzliche Grüße
TT

 tulpenrot meinte dazu am 09.09.20:
Hallo "Mann von Welt", TT,
"im Dunkeln ist gut munkeln". Aber bei meinem Besuch war es taghell. Imperia (von Peter Lenk) hat tatsächlich Pate gestanden für diesen Text.
LG und danke
t
Noch (74) antwortete darauf am 09.09.20:
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 tulpenrot schrieb daraufhin am 09.09.20:
Dass der Text auch ohne Namensnennung klappt, finde ich gut. Danke für diesen Kommentar.
LG
tulpenrot

 AZU20 (09.09.20)
Schönes Gedicht. LG

 tulpenrot äußerte darauf am 09.09.20:
Freut mich, danke und auch LG

 Moja (10.09.20)
Charmante Impressionen - und das Ende lässt mich schmunzeln, schön! Lieben Gruß, Moja

 tulpenrot ergänzte dazu am 10.09.20:
Hihi, das ist gut, dass du schmunzelst! Ich schmunzele nämlich auch! Diese Impressionen sind ca. 12 Jahre alt, hab ich festgestellt. Das Kleid und die Holzkette gibt es noch und auch Fotos von den beiden anderen Gestalten. Es hat Spaß gemacht, solche Erinnerungen neu zu "formatieren".
Danke für deinen Kommentar
.

Antwort geändert am 10.09.2020 um 08:09 Uhr

 Moja meinte dazu am 10.09.20:
Ja, Kleid, Tuch und Kette sah ich bildlich vor mir - ein Hingucker und schöner Gegensatz zur starren Statue, "der hast Du es "gezeigt!" - in Wort und Bild, gut gelöst das Thema Eitelkeit,
musste ich noch loswerden, heitere Grüße, Moja

 tulpenrot meinte dazu am 10.09.20:
Danke, das gefällt mir, was du schreibst. Es gibt eine ganze Reihe von Gegensätzen, die ich in diesem Text "verwurstet" habe. Und es geht auch um Machtgehabe, Bedeutung und -losigkeit. Mir ging viel zu viel durch den Kopf, als ich versuchte, daraus einen halbwegs funktionierenden Text zu machen. Das ist ein Problem: entweder mir fällt nur was Mageres ein, das sich nicht ausbauen lässt oder so viel, dass ich mich kaum beschränken kann. Es ist gruselig. Aber ich glaube, das ist wohl ein übliches Übel.
Wenn ich nur noch eine gescheite Idee für eine bessere Überschrift hätte.

Antwort geändert am 10.09.2020 um 14:00 Uhr

 Moja meinte dazu am 10.09.20:
Vielleicht eignen sich Zeilen aus Deinem Gedicht für den Titel, ironisch gebrochen, es fängt doch schon so schön an mit -

"sie ist ja eigentlich nur..."

Moja grüßt

 tulpenrot meinte dazu am 10.09.20:
Du wirst lachen, aber ich hab mir das heute morgen auch schon überlegt. Noch aber fiel mir da nichts Verwendbares auf. Aber vielleicht kommt es noch.
Gruß zu dir
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